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BERLIN/Festtage/ Staatsoper Unter den Linden: DIE VERLOBUNG IM KLOSTER. Premiere

14.04.2019 | Oper


Lauri Vasar (Don Carlos), Goran Jurić (Mendoza), Violeta Urmana (Die Duenna), Aida Garifullina (Luisa) und Bogdan Volkov (Don Antonio). Credits: Ruth und Martin Walz

BERLIN / Staatsoper Unter den Linden – FESTTAGE 2019: DIE VERLOBUNG IM KLOSTER, Premiere, 13.4.2019


Aida Garifullina führt ein exquisites Sänger-Ensemble an, Regisseur Dmitri Tcherniakov lässt nicht die lyrische Komödie zum Zug kommen, sondern macht aus Prokofievs Vierakter eine gruppendynamische Therapie für eine “Gemeinschaft anonymer Opernabhängiger”


Eine musikalische Boulevardkomödie von Prokofiev? Wer nur die Opernschwerenöter „Krieg und Frieden“, „Der Feurige Engel“ oder „Semyon Kotko“ kennt, wird sich wundern. In der lyrisch komischen Oper nach der Komödie »The Duenna« von Richard Brinsley Sheridan besteht das Erdendasein aus Liebesverirrung und vor Sarkasmus platzenden Intrigenspielen. Sogar Mozart und Rossini wären amused, in der Aufführung Unter den Linden freilich nur über das vokale Solistenensemble und das Orchester.


Der russische Regisseur Dmitri Tcherniakov lässt die neunköpfige Buffo-Schar in dieser als Verwechslungs- und Verwandlungskomödie gedachten Oper alle vier langen Akte lang bzw. neun Bilder bzw. 46 Szenen auf der Bühne ihr (Un)Wesen treiben. Na klar, haben sie doch nach dem Willen der Regie eine jede Menge an unheilbaren Opernfreaks in einem hässlichen Volkshochschulen Kellerraum mit Neonlicht darzustellen. Sie alle sind gekommen, um von ihrer Opernsucht geheilt zu werden.


Eigentlich müsste es sich um den Adeligen Don Jerome (Stephan Rügamer), seine heiratsfähige Tochter Luisa (Aida Garifullina), seinen Sohn Don Ferdinand (Andrey Zhilikhovsky), dessen Angebetete Clara D’Almanza (Anna Goryachova), Luisas Amme (Violeta Urmana), Antonio (Bogdan Volkov), der unbedingt Luisa haben will, den reichen Fischhändler Mendoza (Goran Juric), den Ritter Don Carlos (Lauri Vasar) und einen Moderator (Maxim Paster) handeln. Sie alle sollten für viel Situationskomik in Sevilla sorgen. Doch davon keine Spur.


Die Idee, die verwirrende Komödie aus dem Jahr 1940 als psychoanalytische Verhohnepipelung von Melomanen zu sehen, ist sicher gut gemeint, aber geht überhaupt nicht auf. Da sehen wir Atemübungen und gelangweilt Herumhängende als hoffnungslose Fälle. Der Damenchor hat draußen zu bleiben, die Glorreichen acht auf der Bühne erhalten weiße Kopfhörer. Daran schließt sich eine Erörterung des Gehörten, der Moderator vergibt Schilder mit der Aufschrift “Beste Mitarbeit” an Luisa und Clara. Und so geht das wieder und weiter und weiter….


Ganz kurz zu dem was wir sehen sollten, aber nicht sehen: Der geschäftstüchtige Fischhändler Mendoza verheißt dem Edelmann Don Jerome gewaltige Gewinne, wenn dieser sich am Fischhandel beteiligt. Bekräftigt werden soll das Geschäft mit der Hand von Don Jeromes Tochter Luisa – sie soll Mendoza heiraten. Die aber will Antonio und ihr eifersüchtiger Bruder Ferdinand ist von Clara besessen. Die Amme Duenna ist Angelpunkt eines wüsten ,qui pro quo’ und will sich selbst den reichen Fischhändler angeln. Niemand weiß, mit wem er es wirklich zu tun hat, also wie im echten Leben oder? Beim obligatorischen Happy End ist natürlich alles anders, es heiraten diejenigen, die füreinander in Liebe bestimmt sind. Dieser Schluss findet auch im vierten Akt bei Tcherniakov statt. Dazu tritt der Chor, jeder Chorist und jede Choristin als berühmte Sänger der Vergangenheit verkleidet, auf. Eine Art finale Hommage an die Kunstform Oper beschließt das Ganze.


Die Musik Prokofievs ist komplex, überwiegend kleinteilig, man könnte auch sagen sperrig, und über lange Strecken rezitativisch im Konversationston gehalten. Das Orchester begleitet, die kleinen leitmotivischen Zellen fein aneinander reihend. Daniel Barenboim vermag der Staatskapelle Berlin eine ganze Menge an schönen Details zu entlocken. Arioses und Kantables, in der grotesken Hausmusikszene des 6. Bildes auch Dissonantes. Lyrische Empfindsamkeit triumphiert über die Komik ganz im Sinne des Komponisten, freilich bleibt dabei der Pfeffer auf der Strecke. Anders ausgedrückt, zumindest die ersten beiden Akte auf Bühne (und stellenweise im Orchestergraben) sind gepflegte Langweile pur.


Foto: Ruth und Martin Walz


Dafür entschädigt eine Besetzung der Luxusklasse. Allen voran die drei Damen Aida Garifullina, Anna Goryachova und Violeta Urmana, die als heutige Primadonnen edlen Stimmglanz und Spielfreude vermitteln. Schön, dass der werte Besucher auch klar weiß, warum er diesmal gekommen ist. Auch die Herren Goran Juric (was für ein Bass!), der Tenor Bogdan Volkov und die Baritone Laura Vasar und Andrey Zhilikhovsky begeistern das Publikum. Die Hausbesetzung Stephan Rügamer in der Hauptrolle des Don Jerome besticht nicht nur durch äußerst kultivierten Gesang, er weiß auch Trompete und Glockenspiel zu bedienen.


Die letze Premiere des Stücks in der Staatsoper Unter den Linden geht auf das Jahr 1958 zurück. Damals standen die Aufführungen unter der musikalische Leitung des Lovro von Matacic, Gerhard Stolze sang den Don Jerome.


Es lohnt sich auf alle Fälle, das Stück einmal zu hören, alleine schon wegen der unglaublich brillanten Sängerschar und dem fein abgestimmten Orchester, das sich im dritten und vierten Bild gemeinsam mit dem Publikum über die spannendere Musik freuen darf. Allerdings dauert die Oper netto ca. 2h45, was jede Menge an Konzentration erfordert.


Ich finde, eine konzertante Aufführung hätte gereicht. Der Humor des Herrn Tcherniakov ist ganz sicher nicht meiner. Außerdem würde ich zumindest bei einer Oper, die ich gar nicht kenne, ganz gerne erstmal zumindest ungefähr das auf der Bühne sehen, was im Libretto steht. Ich weiß, das ist heute zu viel verlangt. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen.


Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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