BERLIN / Die Komische Oper im Schillertheater hypnotisiert mit „ECHNATON“ von Philip Glass.
Foto: Monika Rittershaus
Haben Sie schon die Oper „Echnaton“ gesehen? Wer in Berlin nun „nein“ sagt, hat wohl andere Interessen oder etwas versäumt. Schon vor der Premiere am 15. März 2025 waren fast alle Karten vergriffen.
Vermutlich haben sich besonders Diejenigen auf die Echnaton-Tickets gestürzt, die schon 2017 die Philip Glass-Oper „Satyagraha“ über Mahatma Gandhi bejubelt hatten. Echnaton ist nun das letzte Werk einer Trilogie, die mit „Einstein on the Beach“ begann. Robert Wilson schuf damals den Text, Philip Glass die Musik. Die fünfstündige Premiere fand im Juli 1976 in Avignon statt.
Jede dieser drei Opern gilt also einem Menschen, der zu seiner Zeit die Geschichte nachhaltig bewegte, so wie es auch dem deutschem Physiker Albert Einstein gelang. Seine Relativitätstheorie mit der bekannten Formel E = mc² war eine Sensation und hat sich später bewahrheitet. Und gerade heutzutage passt Einsteins Spruch: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
1984 hatte Philip Glass schließlich „Echnaton“ (Akhnaten) beendet. An dem Libretto waren auch Shalom Goldman, Robert Israel, Richard Riddell und Jerome Robbins beteiligt, tauchte doch Glass mit diesem Stoff weit in die Vergangenheit. Was also will uns der Komponist lehren?
In Berlin hat nun Barrie Kosky dieses Stück inszeniert, ernsthaft und einfallsreich. Das passt auch zu Glass und seiner Minimal-Music, wie sie genannt wird. Echnaton und das alte Ägypten werden damit in die Gegenwart gerückt.
Echnaton verehrte seinen Vater Amenophis III, der sich dann Aton nannte. Echnaton bezeichnete ihn als den einzigen Gott und stellte ihn als Sonnenscheibe dar. Auf diese Weise erfand er den Monotheismus, die Ein-Gott-Religion.
Doch das Volk hasste alsbald diesen „Erfinder“, der auch Weiteres modernisieren wollte, und kehrte nach seinem Tod zu den früheren Göttern zurück. Erst sehr viel später bekannten sich das Juden- und das Christentum sowie der Islam zu dieser Eingott-Variante.
Jedenfalls ließ Echnaton für Aton, angeblich selbst Hand anlegend, um 1350 v.Chr. die neue Hauptstadt Achet–Aton am Nil errichten, das jetzige Tell el–Amarna. Dort wurde nicht nur die Religion reformiert, sondern auch die Kultur, die dadurch deutlich aufblühte. Eine Gruppe von Stelen in Tell el-Amarna bezeugt die damaligen Ereignisse.
Im Schiller Theater erlebt nun das Publikum in elf Szenen, was sich zu Echnatons Zeiten im alten Ägypten abspielte. Zunächst wurden Echnaton und seine Taten in der neuen Heimat gepriesen, später kam jedoch Zorn auf. Die Frage, ob Echnaton nach 17 Regierungsjahren einen natürlichen Tod erlitt oder ermordet wurde, ist noch nicht geklärt. Auch seine Mumie hat man noch nicht gefunden.
Gewiss ist jedoch, dass Echnatons Gattin Nofretete, genannt die Große Königliche Gemahlin, ihren Mann überlebte. Forscher vermuten, dass sie nach seinem Tod die Regierung übernommen hätte. Eine Frau als Pharaonin, das wäre sensationell gewesen. Vielleicht kam ihr ihre Schönheit zugute. Wie schön sie tatsächlich war, zeigt ihre bei Grabungen entdeckte Büste im Neuen Museum in Berlin.
Was hat nun Kosky daraus gemacht? Zunächst ein königliches Herrscher- und Liebespaar aus fernen Zeiten. Passend zur Musik von Philip Glass hat er sich sogar für eine eigene moderne Inszenierung mit einer ebenso einfallsreichen Bebilderung entschieden.
Foto: Monika Rittershaus
Auch Klaus Grünberg folgt diesem Schema, und echt großartig sind die Kostüme von Klaus Bruns. Statt knapp bekleideter Haut ist diesmal edle Kleidung zu sehen.
Echnaton, vom Countertenor John Holiday überzeugend gesungen und gespielt, erscheint in einer stoffreichen rotgoldenen Robe. Etwas zurückhaltener gibt sich Echnatons Mutter, die Königin Teje, verkörpert von Sarah Brady.
Den farblichen und gesanglichen Höhepunkt bietet jedoch das königliche Liebespaar Echnaton und Nofretete (Susan Zarrabi) in rot glühender Bekleidung, die damit auch eine starke Liebesbeziehung erkennen lässt. Gesanglich und farblich ist das der Höhepunkt dieser Oper.
Oder gilt das gleichermaßen für Echnatons Schicksal?
Hier packt Kosky zu und entscheidet sich für die Annahme, dass Echnaton von hasserfüllten Menschen ermordet wurde. Herren (Tänzer) in gut geschnittenen Anzügen malträtieren den Pharao, schleifen ihn über den Boden und töten ihn schließlich. Doch schon immer und noch heftiger geschieht solches heutzutage fast überall und oft noch schrecklicher.
In weiteren Rollen agieren Noam Heinz als Horemhab, Stefan Cifolelli als der Hohepriester des Amun und Tijl Faveyts als Aye. Eine besondere Anerkennung verdienen jedoch David Cavelius mit seinem Chor sowie das brillante Orchester des Hauses. Auch das Vocalconsort Berlin ist wie stets mit dabei.
Eines ist außerdem zu loben: Der gesamte Text wurde aus historischen Quellen übernommen und auch überwiegend in den Sprachen der Originalquellen (Ägyptisch, Akkadisch, Althebräisch) gesungen. Entstanden ist also eine moderne Oper mit faszinierend altägyptischer Note.
Die treibende Kraft war und ist jedoch die so genannte Minimal Music von Philip Glass mit ihren ständigen Wiederholungen, die eine Sogwirkung entfalten. Was aber ist daran minimal? Beim Dirigenten Jonathan Stockhammer ist diese Musik in sicheren Händen. Das hat er schon bei „Satyagraha“ bewiesen.
Allerdings sind die ständigen Wiederholungen für die Instrumentalisten anstrengend und ein wahrer Marathon. Andererseits prägen sie die ganze Oper und haben auch eine hypnotische Wirkung. Viele junge Leute sind in der Oper, die sind an solche Rhythmen gewöhnt und fühlen sich womöglich wie in der Disko. Ihr lauter Applaus und ihr Gekreische spechen dafür. Die Älteren feiern das Stück sowie die Künstlerinen und Künstler mit „standing ovations“. „Echnaton“ ist also ein Riesenerfolg und hat das in Koskys Fassung auch verdient.
Weitere Vorstellungen gibt es noch am 28. März sowie am 5., 11. und 18. April, die letzte in dieser Spielzeit am 20. April 2025. Dieser Satz lässt auf eine Wiederholung in der nächsten Spielzeit hoffen. Bis dahin wäre wohl eine Ägyptenreise zu den tausendjährigen Schätzen auch eine Option.
Ursula Wiegand