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BERLIN/ Deutsches Theater: MARIA STUART von Friedrich Schiller als Stream bei 3sat

16.05.2021 | Theater

Stream bei 3sat: „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller am 15. 5. 2021 im Deutschen Theater/BERLIN

Allein in der Zelle

 In der Inszenierung von Anne Lenk besitzt dieses Drama von Friedrich Schiller von Anfang an etwas Aufrührerisches, Kompromissloses. Maria Stuart ist hier als katholische Königin von Schottland vor ihrem Volk geflohen, das ihr Auftragsmord an ihrem Gatten vorwirft. Deswegen erhofft sie in England von ihrer Cousine Elisabeth politisches Asyl. Sie erhebt gleichzeitig Anspruch auf die  Krone, als deren rechtmäßige Erbin sie sich sieht. Doch sie wird gefangen genommen. Die Befreiungsversuche junger Retter schlagen fehl. Sie soll hingerichtet werden. In Elisabeths Beraterstab gehen die Meinungen erheblich auseinander.

Höhepunkt des Stückes und der Inszenierung ist das Aufeinandertreffen der beiden Königinnen, das grandios scheitert. In Wirklichkeit hat es nie stattgefunden. Gerade dabei wendet die Regisseurin Anne Lenk eine kluge dramaturgische Steigerung an. Dennoch zögert Elisabeth, das Todesurteil zu vollstrecken. Das Duell wird hier keine Siegerin kennen. In dieser Inszenierung befinden sich alle Protagonisten in einem Gefängnis, dem sie nicht entrinnen können. Julia Windischbauer als Königin Elisabeth sowie Franziska Machens als Maria Stuart stehen hier schnell im Zentrum des Geschehens. Sie bieten beide packende darstellerische Leistungen. Beim Zusammentreffen dieser beiden ungleichen Frauen erscheint Maria durchaus als erniedrigte Büßerin, die „menschlich und jugendlich“ gefehlt hat. Sie ist sich ihrer königlichen Berufung jedoch in jedem Moment bewusst: „Regierte Recht, so läget ihr vor mir, im Staube jetzt, denn ich bin eure Königin!“ Elisabeth erscheint hier nicht immer als kalte und berechnende Herrscherin, die sich jedoch keine Blößen geben will. Das raffinierte Doppelspiel der beiden Frauen wird dabei auf eine elektrisierende Spitze getrieben.

Dem idealistisch-todesbereiten Mortimer (überzeugend: Jeremy Mockridge) steht der egoistische und ängstliche Leicester (Alexander Khuon) gegenüber.  Und man kann sagen, dass diese teilweise verliebten Männer wirklich verzweifelt sind. Enno Trebs als Baron von Burleigh sowie Jörg Pose als souveräner Graf von Shrewsbury haben sich eher im Griff, können aber nicht verhindern, dass Königin Elisabeth sie irgendwie doch zu lächerlichen Schießbudenfiguren macht. Julia Windischbauer trägt als Elisabeth teilweise eine große Maske – doch die wahren Marionetten sind die hilflosen Männer, die sich ihren Anweisungen beugen müssen oder schließlich kapitulieren. Bei Marias Hinrichtung macht sich am Hof schließlich große Resignation und Verzweiflung breit. Auch Shrewsbury kapituliert und verabschiedet sich: „Lebe, herrsche glücklich!“ Julia Windischbauer lässt Elisabeths Seelenqualen plastisch deutlich werden, die das Todesurteil gegen Maria letztendlich nicht unterschreiben will und es trotzdem tun muss. Dazwischen erlischt immer wieder das Licht auf der Bühne, man sieht die Protagonisten hilflos in den viereckigen Kästen stehen. Es ist ein verwirrendes Blitzlichtgewitter, gegen das sich Franziska Machens als Maria Stuart heftig auflehnt. Sie schlägt gegen Wände und Türen. Der rot glänzende Stoff symbolisiert eine gewisse Unausweichlichkeit des Geschehens, das sich dramatisch verdichtet.

Dazu trägt auch die suggestive Musik von Camill Jammal bei. Hier kann wirklich niemand seinem Schicksal entfliehen. In weiteren Rollen überzeugen noch Caner Sunar als französischer Gesandter Graf Aubespine und Staatssekretär Wilhelm Davison, Paul Grill als Amias Paulet und Hüter der Maria sowie Jeremy Mockridge als Mevil und Freund Marias aus früheren Tagen. Die höfische Doppelmoral und steife Förmlichkeit  werden in Anne Lenks subtiler Inszenierung gleichsam karikiert und bloßgestellt. Das Bühnenbild von Judith Oswald und die Kostüme von Sibylle Wallum unterstreichen eine gewisse Zeitlosigkeit. Der riesige Setzkasten lässt sich jedenfalls nicht so leicht aufbrechen.

Insgesamt gibt es kaum szenische Schwächen. Diese Produktion erhielt den Tschechischen Theaterkritikerpreis 2021.  

Alexander Walther

 

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