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BERLIN/ Deutsches Theater: DIE ZOFEN von Jean Genet. Premiere

03.12.2017 | Theater

Die Zofen, Samuel Finzi, Wolfram Koch, Foto Arno Declair, b
Samuel Finzi (Claire), Wolfram Koch (Solange). Copyright: Arno Declair

Berlin/ Deutsches Theater: DIE ZOFEN von Jean Genet, Premiere, 02.12.2017

Die kleine Blonde mit den grünen Strümpfen – das ist Claire, die große Dunkelhaarige mit den knallroten Strümpfen ist Solange, und beide sind die Zofen der Gnädigen Frau. Mit Blumen dekorieren sie abwechseln die verspiegelte Bühne im Deutschen Theater Berlin. Doch kaum ist die eine weg, schleppt die andere deren Strauß fort, um den ihren hinzustellen. Ein stiller, noch harmloser Machtkampf von zwei Bediensteten.

Nun reißen sie sich die Perücken von den Köpfen und zeigen sich als Samuel Finzi (Claire) und Wolfram Koch (Solange), das Traumpaar von 2014 in Samuel Beckets „Warten auf Godot“ in diesem Haus. Sicherlich ihretwegen platzt die Premiere aus allen Nähten.

In weißen T-Shirts und kurzen schwarzen Röcken geht’s nun weiter, und dass die Frauenrollen – auch die der erst später erscheinenden Gnädigen Frau – von Männern gespielt werden, ist keine modische Idee von Regisseur Ivan Panteleev. Das hatte schon der Autor Jean Genet (1910-1986) für das 1947 in Paris uraufgeführte Stück verfügt.

Eine Drehwand teilt die Bühne, behangen mit Gewändern der Gnädigen Frau (Bühne / Kostüme Johannes Schütz). Was sie mit ihr tagtäglich an Drangsalierung erleben, stellen die Zofen nun nach. Gerade noch hat das Publikum über Wolfram Kochs ungeschicktes Überstreifen der gelben Gummihandschuhe gelacht, doch nun beweist sich diese Solange als Alphatier.

Nach dem Motto „Ich werde schön sein“ möchte Claire (Finzi) eigentlich das schicke weiße Kleid anprobieren, doch Solange drängt ihr beharrlich das rote auf, und sie fügt sich schließlich.

Die Zofen, Wolfram Koch, Samuel Finzi, Foto Arno Declair, a
Samuel Finzi (Claire), Wolfram Koch (Solange). Copyright: Arno Declair

Immer ist es die kleine Claire, die die Kastanien aus dem Feuer holen muss, sprich hier die Gnädige Frau ermorden soll, was beide schon länger planen. Misshandelt werden sie von ihr offenbar nicht, erwähnen sogar, dass sie einmal pro Woche in deren Badewanne steigen dürfen. Vielleicht ist es ihre totale Abhängigkeit, vielleicht das tägliche Einerlei, das ihnen den Mord  – ganz im Sinne von Genet – als faszinierende Möglichkeit erscheint.
In pausenlosen 100 Minuten geht es zwischen den beiden hin und her. Zwei, die ständig miteinander streiten, die ihrerseits das Oben und Unten praktizieren und doch wie die Kletten aneinander hängen. Die auch an ihre lang vergangene Jugend denken, manchmal ein Liedchen trällern, die sich auch mal kurz umarmen. Zwei, die sich lieben und hassen, geeint durch Hass auf die Gnädige Frau und den Wunsch sie umzubringen. Wer weit vorne sitzt, kann die Charaktere und das Geschehen an ihrem Mienenspiel, am Blick ihrer Augen ablesen. In solchem Zusammenspiel sind Finzi und Koch eine Klasse für sich.

Solange, die sich auch indirekt nie selbst die gummibehandschuhten Hände schmutzig machen will, rügt Claire, warum sie die Gnädige Frau noch nicht im Bett erdrosselt habe. Die Kleine hat jedoch anderweitig Vorarbeit geleistet, hat heimlich den Schreibtisch der Gnädigen Frau geöffnet, Unterlagen über Betrügereien ihres Gatten gefunden und einen Brief ans Gericht geschrieben.

Nun sitzt der im Gefängnis – nein – schon nicht mehr. Das in ihr Zimmer geholte Telefon hat zuvor geklingelt, und die Botschaft war für die Zofen fatal: der Gnädige Herr wird entlassen und hat sicherlich Claires Schrift erkannt. Unheil droht ihnen, und mit dem geplanten Mord müssen sie sich nun beeilen. Claire, die ihre Tatkraft beweisen möchte, will gehörig Gift in den Lindenblütentee mixen, den die Dame so gerne trinkt.

Und schon kommt sie – Bernd Stempel – angestakst, auf langen bestrumpften  Beinen, um die sie/ihn manche Frauen im Saal vermutlich beneiden. Er reißt sich ebenfalls die Perücke vom Kopf und präsentiert seine Glatze mit den Worten „Ich bin eine alte Frau.“ Und klagt, wie groß die Sehnsucht nach ihrem lieben Mann sei.
Solange hofiert sie, Claire braut den Tee und tänzelt dann ständig mit der Tasse in der Hand um sie herum. Doch ihr ist nicht nach Teatime, und als sich beide verplappern und sie von der Freilassung des Gatten hört, stürmt sie davon, nicht ohne erkennen zu lassen, dass sie die Machenschaften ihrer Dienerinnen durchschaut. Claire kann ihr gerade noch die Perücke in die Hand drücken. Zofe beleibt Zofe.

„Wir sind verloren“, jammert Claire. Die auf sie wütende Solange stürzt sich auf sie und würgt sie mit ihren Gummihandschuh-Händen. Ein Ersatzmord? Nicht ganz. Claire hat überlebt, bald sitzen sie einträchtig nebeneinander auf der Bühnenkante. Fast. Denn da ist ja noch der Tee, und Solange redet nun so lange auf Claire ein, bis sie ihn tatsächlich tapfer trinkt. Doch Wirkung zeigt er nicht.

War da wirklich Gift drin, wollte die weichherzigere Claire tatsächlich die Gnädige Frau auf diese Art ermorden? Ahnt Solange, dass der Tee unschädlich ist? Der Vorhang fällt, und alle Fragen bleiben offen.

Ein weiser Schluss, gefolgt von starkem, anhaltendem Applaus, nicht nur für das Superpaar Finzi und Koch, sondern auch fürs Regieteam.

Ursula Wiegand

Weitere Vorstellungen am 3.12. (B-Premiere), dann am 9. und 16. Dezember sowie am 3., 21. und 30. Januar 2018

 

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