Anja Harteros. Copyright: Bettina Stöss
Berlin / Deutsche Oper: Giacomo Puccinis „TOSCA in Luxusbesetzung, 04.10.2018
Auf einen Scarpia wie Erwin Schrott habe ich schon lange gewartet. Auf solch einen gut aussehenden Mann mit echt kräftigem, facettenreichen Bass, dem man/frau die Gier, die Raffinesse, die gespielte Frömmigkeit und den Sadismus wirklich glauben kann. Der selbst offenbar an nichts glaubt, nur an seine Befriedigung und offen einräumt, dass er die Frauen eine Weile benutzt und sie dann, wenn sie für ihn langweilig geworden sind, wegwirft.
Erwin Schrott. Copyright: Agentur
Sein „Va, Tosca!“, mit dem er gegen das Te Deum der Prozession ansingt, hat die erforderliche Power, ohne zu übertreiben. Ihm ist es – durch einen gefundenen Fächer ihrer angeblichen Rivalin – bekanntlich gelungen, Floria Tosca eifersüchtig zu machen.
Nun setzt er mit hämischem Gespür darauf, dass seine üble Mannschaft den Maler Mario Cavaradossi und den geflohenen Angelotti findet. Das er nach diesem überzeugenden Auftritt nach dem ersten Akt neben starkem Breifall auch einige Buhs von oben links zu hören bekommt, ist unverständlich. Dort sitzen immer die notorischen Protestler, die sich hervortun wollen.
Als Tosca ist wieder einmal Anja Harteros an dieses Opernhaus mit seiner vorzüglichen Akustik gekommen, und eine bessere Interpretin dieser Rolle ist kaum vorstellbar. Stimme, Mimik und Körpersprache – bei ihr stimmt alles. Ihr bestens gepflegter Sopran gleißt und glitzert, schwingt sich vom mädchenhaft Verspielten auf zu ausdrucksstarker Dramatik.
Hier ein Soprantupfer, dort ellenlange Legati, alles fein nuanciert und genau zur jeweiligen Situation passend. Dieser schönen Sängerin zuzuhören und zuzusehen ist ein Genuss. Nur, wenn sie sich in Topform fühlt, tritt sie auf, und das ist an diesem Abend der Fall. Gleich nach der Kurzarie „Lo dici male..“ (du sprichst so hässlich) im ersten Akt erhält sie Beifall und schließlich bei „Vissi d’arte, vissi d’amore“ (Nur der Kunst und der Liebe weiht’ ich mein Leben) zurecht tosenden Applaus.
Wie Anja Harteros hierbei stimmlich und körperlich vom Kampfgesang gegen den zudringlichen Scarpia zur traurigen, tief religiösen Theaterkünstlerin wechselt, hebt diesen „Dauerbrenner“ aus vielen Darbietungen ihrer Kolleginnen heraus und wird an diesem glücklichen Abend zum Ereignis.
Marcelo Àlvarez. Copyright: Andrea Cavalli
Der versierte Argentinier Marcelo Álvarez mit seinem kräftigen Tenor ist für diese Diva, der alle Allüren fern sind, ein sehr passender Partner. Der singt so zu sagen einen temperamentvollen knackigen Belcanto. Auch in der Höhe ist seine Stimme sicher und stark. Das Lyrische ist nicht so ganz sein Feld, doch umso mehr glaubt man ihm den mutigen Widerstand gegen den Tyrannen Scarpia und das Erdulden der Folter.
Bei Álvarez leuchten auch die Sterne im dritten Akt stimmlich in starkem Glanz. Dieser zweite Hit der Oper, das „E lucevan le stelle…“ (noch blitzen die Sterne), ist bei ihm von früherer Lebenslust und dem innerlichen Aufstand gegen den bevorstehenden Tod geprägt. Also keine gehauchten Piani wie bei Jonas Kaufmann, sondern alles kraftvoll herausgesungen. Sofortiger heftiger Beifall ist sein Lohn.
Auch die kleineren Rollen sind niveauvoll besetzt, so der Mesner (erneut) mit Seth Carico, dem geschätzten Bass des Hauses, der in diversen Rollen daheim ist. Hier agiert er als alter Mann mit jugendlicher Stimme. Den Kriecher Spoletta, Sparpias Mann für alle bösen Fälle, verkörpert in genau dieser Haltung James Kryshak. Der Schließer ist bei Dong-Hwan Lee in guter Kehle.
Den Angelotti singt mit sattem Bass der Koreaner Byung Gil Kim, ein Stipendiat der Deutschen Oper Berlin mit Schauspieltalent. Die Rolle des Sciarrone ist durch Paull-Anthony Keightley besetzt, einem Stipendiaten aus Australien. Den Hirten singt mit zarter hoher Stimme Lola Violetta Haberstock, ein Mitglied des Kinderchors, um den sich schon länger Christian Lindhorst verdient macht. Erfreulich, dass neben dem fabelhaften Dreigestirn auch der Nachwuchs eine Chance erhält. Die Chöre des Hauses hat Thomas Richter einstudiert.
Das alles spielt in der gediegenen Inszenierung von Boleslaw Barlog aus dem Jahr 1969, die die Sängerinnen und Sänger lieben. Bühne und Kostüme orientieren sich erneut an Filippo Sanjust. Die schlanke Anja Harteros sieht in dem schon bekannten Gewand nach wie vor fabelhaft aus.
Für den musikalischen Drive sorgt der erfahrene Pier Giorgio Morandi, der das Orchester der Deutschen Oper Berlin mit Temperament und Einfühlungsvermögen durch Puccinis vielfarbige Musikwelt leitet und so das Seine zu diesem großartigen Abend beiträgt. Zuletzt wird auch er entsprechend gefeiert. Tosender Applaus und einige „standing ovations“ schließlich für die Super-Dreiergruppe, allen voran für Anja Harteros. Das Dreigestirn hat diesen Abend zu einem Fest gemacht.
Ursula Wiegand