BERLIN/ Deutsche Oper: TANNHÄUSER am 2.4.2018
Gegen Naturgewalten lässt sich wenig ausrichten. Ende des letzten Jahres ist die Deutsche Oper Berlin von einem erheblichen Wasserschaden an Bühne und Maschinerie heimgesucht worden. Das meiste funktioniert wieder, doch die technische Umsetzung weniger Produktionen aus dem Repertoire ist noch immer beeinträchtigt. So auch bei der Tannhäuser-Inszenierung, die die ehemalige Hausherrin Kirsten Harms im November 2008 herausgebracht hat. In szenisch adaptierter Fassung, in Kostümen, mit verändertem Bühnenbild war die Aufführung nun zu erleben. Die Unterschiede freilich fallen nur dem auf, der die originale Inszenierung kennt. Es stellte sich schon der Eindruck ein, etwas zu erleben, was nicht in sich rund und stimmig ist, aber unter den gegebenen Voraussetzungen daraus Schlüsse zu ziehen, ob und wie die fast zehn Jahre alte Inszenierung noch fuktioniert, wäre unangemessen.
So richtete sich dann umso mehr Aufmerksamkeit auf die musikalische Seite dieser Repertoirevorstellung. Donald Runnicles und das Orchester der Deutschen Oper brauchten die Ouvertüre noch, um ganz zueinander zu finden, doch spätestens ab der zweiten Häfte des ersten Aktes gelangen einige sehr dichte, atmosphärisch stark musizierte dramatische Steigerungen, in den zurückgenommenen Momenten spielte das Orchester mit wunderschönen Instrumentalsoli, der letzte große Höhepunkt am Ende gelang fabelhaft. Hier wie den ganzen Abend über erwies sich der ausgesprochen präsent klingende und homogen singende Chor der Deutschen Oper als mehr als verlässliches Kollektiv.
Im Zentrum der Solisten stand Stefan Vinke, der die Titelpartie für den ursprünglich vorgesehen Peter Seiffert übernommen hatte. Klare und saubere Intonation war Vinkes Sache nicht immer, gleichwohl verfügt er über eine für diese Partie bestens geeignete Stimmfarbe und wusste sie sich gut einzuteilen, so dass er, auch dank der Intensität seiner Darstellung, der gebrochenen und zerrissenen Figur einige intensive, unmittelbar packende Momente zu verleihen verstand, gipfelnd in einer sehr überzeugend gesungenen Rom-Erzählung. In der Doppelrolle als Venus und Elisabeth war Ricarda Merbeth zu erleben. Seit einiger Zeit hat die Sängerin ihren Weg ins hochdramatische Repertoire beschritten, sang jüngst etwa Turandot am selben Haus und Isolde in Amsterdam, die Elektra steht in Planung. Merbeth verfügt über eine satte, in der Höhe leuchtende Stimme. Die Übergänge ins tiefe Register funktionierten an diesem Abend nicht ohne Brüche, und vor allem als Elisabeth klang die Stimme in einigen Phrasen nicht so geschmeidig, wie es die Partie wünschen lässt. Ricarda Merbeth ist eine Sängerin von großem Format, ohne Zweifel, doch warf dieser Abend die Frage auf, ob die Entwicklung ins Hochdramatische der Stimme dauerhaft gut tut.
Ganz oben in der Publikumsgunst stand Markus Brück als Wolfram. Der Sänger verfügt nicht nur über eine balsamisch schöne Stimme, er vermochte die ganze Partie mit der Intimität und der Textverständlichkeit eines Liedersängers zu erfüllen, ohne dabei, etwa am Ende des dritten Aktes, nicht auch zu kraftvollen Augenblicken fähig zu sein. Günther Groissböck war mit seinem voluminösen und in sich ruhenden Bass eine Luxusbesetzung für den Landgraf, und auch im übrigen Ensemble war viel klangschöner Gesang zu hören, allen voran von Attilio Glaser als Walther und Noel Bouley als Biterolf.
Am Ende gab es begeisterten Beifall für eine musikalisch insgesamt eindrucksvolle, szenisch leider wegen der eingangs geschilderten Umstände recht blasse Aufführung
Christian Schütte