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BERLIN/ Deutsche Oper/ Staatsballett: „BOVARI“, Christian Spucks erste Premiere in der Deutschen Oper Berlin

25.10.2023 | Ballett/Performance

Berlin / Staatsballett:„BOVARI“, Christian Spucks erste Premiere in der Deutschen Oper Berlin, 2.Vorstellung am 24.10.2023

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Weronika Frodyma, Alexandre Cagnat. Foto: Serghei Gherciu

Endlich ist es soweit. Nun zeigt Christian Spuck seine erste Premiere, speziell angefertigt für das Staatsballett Berlin, das lange auf einen neuen Intendanten warten musste.
Ein Unbekannter war er jedoch nicht mehr. Schon im April d.J. hatte er mit Verdis „Messa da Requiem“, einer Kreation aus seiner Zürcher Zeit, eine Visitenkarte abgegeben und das Publikum überzeugt.

Nun startet Spuck mit „BOVARI“,  einem Roman von Gustave Flaubert, ursprünglich eine Skandal-Lektüre, richtig durch. Schon mehrfach wurde dieser Stoff verfilmt, doch für Stuck und das Staatsballett Berlin ist es sogar eine Uraufführung.

Auch in dieser 2. Vorstellung ist der große Saal der Deutschen Oper Berlin prall gefüllt – von allen Generationen. Sicherlich erhofft sich das Publikum ein spannendes Stück, doch damit hapert es ein bisschen, was aber niemanden im Verlauf der 2-stündigen Handlung zu stören scheint.  Spuck hat es sogar gewagt, mit dem Ende der Story, dem Selbstmord der Emma Bovari, zu beginnen. Doch der ist schnell vergessen. Erwartet wird ein Tanzerlebnis, und das wird von einer Star-Besetzung auch perfekt geboten.
In der Tat dreht sich Roman gemäß alles um die Solotänzerin Weronika Frodyma, die während der ganzen Zeit die Emma Bovari glaubhaft schwärmerisch und in Topform verkörpert. Chapeau!  

Flaubert hat diese Emma als Frau gezeichnet, die sich seit ihrer Jugend durch das Lesen von Groschenromanen eine Scheinwelt geschaffen hat. Sie träumt von rauschhafter Liebe und einem Luxusleben in einem lebendigen Ort, Träume die keineswegs der Vergangenheit angehören.

Doch Emma hat den biederen Landarzt Charles Bovari (Alexei Orlenco) geheiratet, und die einfache Hochzeit findet auf dem ebenso einfachen Bauernhof statt, auf dem sie aufgewachsen ist. Sie lebt nun mit ihrem Mann in Yonville, und „ihr Dasein war kalt wie ein Dachboden, dessen Fensterchen nach Norden zeigt,“ so hat es Flaubert geschildert.
Hat Charles als Landarzt zuviel zu tun und keine Zeit für seine schöne junge Frau, auf die er sichtlich stolz ist? Eingeladen zu einem Ball führt er sie steif umher. Ihr gefallen jedoch die eleganten Gäste und die ganze Atmosphäre.
Wieder im tristen Yonville freundet sich sich mit dem Studenten Léon an. Der Wuschelkopf (Alexandre Cagnat) zeigt seine Liebe, doch mehr traut er sich nicht. Eines haben sie jedoch gemeinsam: sie wollen weg.

Immerhin kommt bei der Landwirtschaftsausstellung Leben in dieses Provinznest, und schon wird Emma munter. Ihr gefällt der schicke Gutsbesitzer Rodolphe, bestens getanzt von David Soares. Den wünscht sie sich als Liebhaber.

Ihr Mann Charles sitzt derweil auf dem einzigen Stuhl auf der Bühne (gestaltet von Rufus Didwiszus) und schaut kein einziges Mal zu der munter tanzenden Emma.
Eifersüchtig scheint er nicht zu sein. Mit ihr zu tanzen, kommt für ihn aber nicht in Frage. Vielleicht kann er es nicht, vielleicht  mag er es nicht. Der Solotänzer Alexei Orlenco kann mir in dieser steifen Rolle regelrecht leid tun. Dass Emma mit dem Gutsbesitzer einige Zeit verschwindet, entgeht dem braven Ehemann.

Doch selbst bei diesem Flirt mit Rodolphe bewegt sich Weronika Frodyma edel, strahlt aber ihren Lover in spe ständig an. Schöne Pas de deux mit vielen eleganten Hebefiguren prägen von nun an das Geschen, untermalt von passender Musik.

Sie beherrschen auch den zweiten Akt. Als sei das noch nicht genug, zeigen gleich zu Beginn des Stückes und später erneut fünf tanzende Ensemble-Paare die Wünsche und Enttäuschungen dieser Emma, allerdings etwas sportlicher als die eigentlichen Pas de deux.
 

Unter der Leitung von Jonathan Stockhammer spielt das Orchester der Deutschen Oper Berlin zusammen mit dem großartigen Schweizer Konzertpianisten Adrian Oetiker Auszüge aus Klavierkonzerten von Camille Saint-Saëns sowie die schroffen „Apparitions“ von György Ligeti und „L’Oiseau Innumérable“ von Thierry Pécous.

Diese unzählbar vielen Vögel charakterisieren genau Emmas unstillbares Verlangen nach Liebe und Luxus. Letzteres verwirklicht sie, indem sie teure Kleider kauft, für die sie gedankenlos Schuldscheine unterschreibt (Kostümbildnerin Emma Ryott)

Schließlich flieht Emma aus der Provinz nach Rouen, für sie eine lebendige Stadt mit einem etwas sonderbaren Theater. Dort trifft sie zufällig den Studenten Léon wieder, und nun geht es bei beiden heftig zur Sache. Alexandre Cagnat und Weronika Frodyma tanzen das mit Bravour. Von längerer Dauer ist diese Beziehung jedoch nicht.

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Weronika Frodyma, Dominik White Slavkovský. Foto: Serghei Gherciu

Auch der Gutsbesitzer, dem sie sich sogar per Brief angeboten hat, will nichts mehr von ihr wissen. Aus ist der Traum und nicht nur dieser. Stattdessen rückt ihr mit Dominik White Slavkovský als Monsieur Lheureux, der (glückliche) Warenhändler, mit ihren Schuldscheinen auf den Leib. Der ist im Staatsballett ein neuer, sehr eleganter Tänzer mit weißem, möglicherweise gefärbtem Haar.

Leider hat Emmas Kaufwut die ganze Familie in den Ruin getrieben, das wird ihr jetzt klar. Sie selbst ist körperlich und seelisch am Ende. In einem weißen Kleid, vielleicht ihr Hochzeitskleid, schluckt sie Arsen wie zu Beginn.

Doch nun zeigt sich, wie sehr Charles seine ungetreue Frau nach wie vor liebt und ihr alles verzeiht. Auch sie scheint seine unverbrüchliche Liebe wahrzunehmen. Jetzt tanzen die beiden erstmals miteinander. Ach hätten sie es doch früher getan! Diese dramatische und überzeugend getanzte Zweier-Szene geht zu Herzen. Sie ist der Höhepunkt dieses Balletts, übertrumpft alle vorherigen Pas de deux und lässt das Publikum schließlich intensiv jubeln. 

Ursula Wiegand

Weitere Termine: am 27., 30. und 31. Oktober 2023 sowie am 18., 19., 21., 22. Januar 2024.

 

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