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BERLIN/ Deutsche Oper: PARSIFAL

22.04.2019 | Oper


Brandon Jovanovich, Günther Groissböck. Foto: Bettina Stoess/Deutsche Oper

Deutsche Oper Berlin: Parsifal   21.4. 2019

Auch an der DOB wird zur Osterzeit Parsifal gegeben, in einer Inszenierung von Philipp Stölzl aus dem Jahr 2012. Sie war wohl sehr umstritten wegen vielfacher zu sinnlich-theatralische empfundener Ausuferungen. Dabei sollte man aber bedenken: über die Hälfte des 1. Aktes beinhaltet die Erzählung Gurnemanz‘ zur Entstehung des Gralsordens und zu seiner Entwicklung unter Gralskönig Amfortas. Da kann ein Theater es sich auch mal leisten, diese Geschichten auf der Bühne darzustellen. Wagner selber hat ja beim Ring des Nibelungen, d.h. bei dessen ‚finaler‘ Oper Siegfrieds Tod (= Götterdämmerung) gemerkt, daß er immer wieder erzählen muß, was in der Vergangenheit liegt, und daraus die Konequenz gezogen, die ganze Handlung vom Beginn in eigenen Opern darzustellen. Dass er den Parsifal aber nicht weiter in die Vergangenheit erweitern konnte, obwohl die Entwürfe zu Jesus von Nazareth auch als solche „Vor-arbeiten“ gesehen werden könnten, ergibt sich aus der eigenen speziellen Thematik des Parsifal. 

Stölzl und seine Co-Regisseurin Mara Kurotschka stellten nun das ‚Ur-Ereignis‘ der Gralsgeschichte, den Kreuzestod Christi, das Auffangen des Bluts aus Christi Seite im Gralsgefäß und die Gewinnung des Lanzenspeers vom römischen Wächter szenisch und symbolisch dar, wobei auch die Kreuzabnahme nicht ausgespart wird. Dies Ganze in der Felsenlandschaft Golgatha des Hl.Landes, die auch im weiteren Verlauf des Dramas die Bühnen-Grundstruktur (Conrad Moritz Reinhardt, Philipp Stölzl) vorgibt. Wahrscheinlich wird ihm nicht zum Vorwurf gemacht, daß er das tut, sondern daß er es am Anfang, quasi als Bebilderung des Vorspiels, zeigt. Natürlich ist die Kreuzigungsszene grausam. Aber man sollte es vielleicht ertragen können als ein zentrales Vorgeschichten-Detail, besonders, wenn es wie hier, wirklich gut gestellt ist, und sicher kein Oberammergau-Passionsspiel. Dagegen erscheinen aber sicherlich die anderen szenischen Veranschaulichungen wie etwa Amfortas‘ Verführung durch Kundry, während Klingsor ihn mit dem Speer verwundet und diesen raubt, längst nicht so gelungen, wenn sie sich auf einem Felshintergrund eher marginal didaktisch abspielen. 

Als weiteres positives Element erscheinen die Haufen der Gralsritter, die sich selbst oder ihren siechen Anführer Amfortas geißelnd in der Hohlweg-Passage zwischen den sich auftürmenden Felsen zur rituellen Gralsenthüllung herunter streben. Vielleicht auch mal positiv zu bewerten, daß der getötete Schwan nicht gezeigt wird, die Aussage aber trotzdem klar wird . Zu vermerken auch, daß von der Blumenmädchen- und der Kundry-Verführung wenig Erotik ausgeht, nur ganz am Ende ihrer Annäherung entledigen sich die Gruppen der Blumenmädchen ihrer Ganzkörperverhüllungen.

Zu Beginn 3. Akt läßt Stölzl immer eine Menschengruppe, hier auch in neuzeitlicher Gewandung (Kathi Maurer) mitagieren. So übernimmt diese die Waschungen Parsifals im angenommenen Felsenteich, und nicht Kundry. Parsifal tauft die Anderen, wird aber nicht gesalbt. Kundry verbleibt auch beim finalen Gral abseits, und Parsifal scheint Amfortas mit der Speerberührung zu töten anstatt ihn zu heilen (wie aktive Sterbehilfe).

Donald Runnicles dirigiert das Orchester beim Vorspiel sehr langsam, was aber wiederum einen interessanten Kontrast zur extrovertierten Bebilderung ergibt, und zieht den 1. Akt in angemessenen Tempi wohldosiert durch, wobei ihm alle Instrumentengruppen beglückend folgen. Der 2. Akt wird m.E. etwas sehr flott genommen, so kann sich auch die Verführung nicht so berückend aussingen. Der 3. Akt ist dagegen in seinen epischen Elementen anfangs richtig getroffen, und die weitere Gralsentwicklung sehr wuchtig und sensationell dramatisch ausmusiziert.

Die Grals-Chöre und die oft etwas stiefmütterlich behandelten Frauenchöre bei den Gralszeremonien kommen alle bestens und schön-klanglich zur Geltung (Chordir.: Jeremy Bines).

Die Stimme aus der Höhe (Altsolo), ein Blumenmädchen 2. Gruppe und den 2. Knappen singt Annika Schlicht mit berührendem dabei voluminösem Mezzo. Die 1. Gruppe der Blumenmädchen wird von Netta Or angeführt, die wohl in Bayreuth auf sich aufmerksam gemacht hat. Edeltenor Burkhard Ulrich führt als Ensemblemitglied die Gralsritter und Knappen an, die als Gruppen und solistisch positiv hervortreten.

Elena Pankratova ersetzt als Kundry die vorher angekündigte Eva-Maria Westbroek und kann mit ihrer Bayreuth-Erfahrung in der Rolle sicherlich punkten. Die Stimme ist angenehm und mit dezidiertem großem Umfang und flexibel eingesetzt. Auch Derek Welton ist als Klingsor in Bayreuth schon aufgetreten, macht seine Sache als junger, ritterlicher Draufgänger gut. Titurel Andrew Harris singt hier nicht aus dem Grab oder dem Off, sondern ist weißmähnig handgreiflich auch ins Geschehen involviert, ein starker Baß der DOB. Mathias Hausmann kommt als Amfortas exzellent herüber. Vielleicht ist seine Stimme nicht so aufregend schmerzgesättigt, er verteidigt sich aber fulminant. Der große Abräumer scheint aber Brandon Jovanovic zu sein, der nach seinem wohl sensationellen Enée an der Wr.Staatsoper mit Spannung erwartet wurde. Seine tolle Stimme erscheint nicht nur kopf-, sondern auch bauchgesteuert. Er ist kein so strahlend metallischer Sänger wie Schager, kann mit diesem aber gut mithalten und bringt wieder eine ganz andere stimmliche Note ein. 

Günther Groissböck als Gurnemanz stellt einen jungen, zähen, vitalen Kerl in die Felsen stellt und trumpft mit seinen samten balsamischen, dabei immer pointierten Baß auch  phänomenal auf.                                           

 Friedeon Rosén

 

 

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