Schlussapplaus. Foto: Dr. Ingobert Waltenberger
BERLIN / Deutsche Oper: MARIA STUARDA, Konzertante PREMIERE, 28.5.2018
Umjubelte Aufführung mit Diana Damrau in der Titelpartie
Donizettis Belkantoreißer Maria Stuarda ist ein effektvolles Primadonnenvehikel mit virtuosen Arien und Duetten, aber auch dramaturgisch gut gestrickten Ensembleszenen. So gehört das Aufeinanderprallen der beiden Königinnen im zweiten Akt mit dem Fluch „Bastarda“ der Schottin Maria an die Engländerin Elisabeth gerichtet zu den wirkungsvollsten Frauenduetten in der italienischen Oper überhaupt. Ein faszinierendes Gladiatorinnenringen in der blutigen Arena der Gattung Oper, wo die Protagonistin am Ende auf das Schafott muss, freilich nicht ohne vorher eine rührende Gesangsnummer, in der sie ihrer Henkerin Elisabeth auch noch verzeiht, zum Besten gegeben zu haben.
Javier Camarena, Diana Damrau, Jana Kurucová. Copyright: Bettina Stöss/Deutsche Oper Berlin
Die Entstehungsgeschichte der 1834 für Neapel/ Teatro San Carlo geschriebenen Oper (die eigentliche Uraufführung fand erst 1835 an der Mailänder Scala statt) war ein problematischer Fall. Sabine Sonntag spricht im Programmheft gar von einer haarsträubenden Aneinanderreihung von Unwahrscheinlichkeiten aus einem Opernführer für Spaßvögel: Einer normalen Premiere standen u.a. die Zensur, eine Generalprobe mit einer vom Hocker gefallenen Königin (Maria Cristina), Divengerangel sowie kranke Diven und stimmlose Tenöre entgegen.
Erst 1958 wurde Maria Stuarda wieder für die Bühne und Opernafficionados entdeckt. Legion sind die Sängerinnen, die sich seither an den beiden Rollen effektvoll versucht haben: Leyla Gencer, Shirley Verrett, Montserrat Caballé, Jona Sutherland und Beverly Siolls, Katia Ricciarelli, Janet Baker, Mara Zampieri, Agnes Baltsa waren sicherlich die herausragendsten. Im Theater an der Wien gab es im Jänner 2018 eine szenische Premiere. In Berlin begnügt man sich mit nur zwei konzertanten Aufführungen, die Premiere bietet jedoch Belcanto vom Allerfeinsten.
Das Publikum der Deutschen Oper Berlin ist an diesem vorhochsommerlichen Vollmondabend in bester Stimmung, Große Oper zu erleben. Und die bieten Diana Damrau als Maria Stuarda, Jana Kurucová als Elisabetta I und der von beiden Royals begehrte Graf Leicester (Javier Camarena) im höchsten Maß. Diana Damrau in tiefroter Robe ist in Höchstform, ihre Piani im Finale weisen sie als technisch hochversiert, und neben ihrer bühnenbeherrschenden Impulsivität auch als Stilistin von Gnaden aus. Da braucht es gar keine Kulissen, die kleine Fläche zwischen Orchester und Publikum, die Stange hinter dem Dirigentenpult genügen, um dieser Maria Stuarda hin- und hergerissen zwischen Liebe und Staatsraison, zwischen Stolz und Erniedrigung, königliches Profil zu verleihen. Stimmlich liefert die im Auftritt so extravertierte Sängerin ein Fest an raffinierter Phrasierung, endlos gesponnenen Legatobögen, aber auch explosiv platzierten Akuti. Selbst ihre sichtliche Freude über den verdiente Applaus wirkt noch ansteckend. Nicht minder beeindruckend ist ihre Gegenspielerin, Jana Kururcová als frustrierte, machtbesessen geifernde Königin von England, Elisabeth I. Von der Rolle zwar Secondadonna, bietet Kurucová nichts weniger als eine Lehrstunde in Belcanto. Wie sie Worte in gleißende Skalen übersetzt, hitzige Emotionen in Verzierungen wandelt, auch in ihrer Mimik ganz in die Rolle der bösen Königin schlüpft, zeugt von beeindruckender musikalischer Intelligenz und schauspielerischem Instinkt. Der junge Mexikaner Javier Camarena ist, was tenoralen Glanz, mühelose Höhen und märchenhafte Strahlkraft anlangt, eigentlich der Knüller der Aufführung. Nicolas Testé gibt einen bassmächtigen, der Stuarda treuen Georg Talbot, Amira Elmadfa begleitet ihre Herrin mit mild tröstender Stimme zum Schaffott, der koreanische Bariton Dong-Hwan Lee ist als Sir William Cecil der intrigante Zuflüsterer der das Todesurteil unterzeichnenden Elisabeth.
Diana Damrau, Nicolas Testé. Copyright: Bettina Stöss/ Deutsche Oper Berlin
Vom großen finalen Jubel des durchwegs glücklichen Publikums waren auch der ganz exzellent einstudierte Chor (Jeremy Bines) und das von Francesco Ivan Ciampa sängerfreundlich, aber dennoch eigenprofiliert wirkende Orchester der Deutschen Oper Berlin umfasst. Nicht wenige dürften auch nicht unglücklich darüber gewesen zu sein, nur einmal die Musik genießen zu können, ohne jegliche Regie und ohne über Sinn oder Unsinn von szenischen Arrangements nachdenken zu müssen.
Die Oper ist noch am Donnerstag, 31.5. an der Deutschen Oper in Berlin zu hören.
Dr. Ingobert Waltenberger