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BERLIN / Deutsche Oper MANON LESCAUT, Martina Serafin nach ihrem Bühnenunfall wieder in prächtiger Form

18.03.2016 | Oper

BERLIN / Deutsche Oper MANON LESCAUT, 17.3.2016

Martina Serafin nach ihrem Wiener Tosca Unfall in prächtiger Form wieder auf der Bühne

 Das Manon Lescaut Fieber hat auch Berlin erfasst, wenngleich nur für zwei Aufführungen. In der brav „werktreuen“, ganz in schwarz-weiß gehaltenen Inszenierung von Gilbert Deflo aus dem Jahr 2004 kann Puccinis Schmachtoper tauglich auch im Repertoire bestehen. Leidenschaftliches Gefühl, starke Kontraste, ein ganz und gar unsentimentaler Blick auf Menschen aus Fleisch und Blut, auf ihre Schwächen, aber auch auf ihr Leiden an Willkür und sozialer Unterdrückung – in seiner Oper gelingt Puccini ein faszinierendes Spektrum an Farben und Stimmungen. Dabei waren seine Ausgangsbedingungen alles andere als ideal, hatte er doch einen Stoff gewählt, der bereits mehrfach zuvor bearbeitet worden war. Er musste sich vor allem an Jules Massenets Manon, 1884 mit großem Erfolg uraufgeführt, messen und war bei der Arbeit mit seinen zahlreichen Librettisten – im Textbuch werden bis zu sieben Autoren genannt – bestrebt, möglichst keine Parallelen zu Massenet erkennbar werden zu lassen.

 Das „Mädchens von Herz“ mit Hang zu Prunk, das fern der Heimat tragisch ihr Leben in den Armen des geliebten Des Grieux aushaucht, wird von der wieder genesenen Martina Serafin trefflich dargestellt und gesungen. Frau Serafin hat sich vor der Vorstellung wegen „eingeschränkter“ Beweglichkeit ansagen lassen, viel davon gemerkt hat man jedenfalls nicht bzw. konnte sie das gut kaschieren. Die Stimme Martina Serafins im veristischen Fach liegt stilistisch einer te Kanawa oder Gheorghiu näher als den vokal auslandenden Diven Scotto oder Tebaldi. Fein ziseliert und etwas vorsichtig beginnt sie im ersten Akt die parlando Szenen, recht zaghaft werden auch die ersten Höhen versucht. Was sofort auffällt und mich auch sehr anspricht, ist die hohe Musikalität und präzise Textausdeutung, die elegante Phrasierung und die luxuriöse Mittellage. Ab dem Duett im zweiten Akt mit ihrem an Phonzahl beeindruckenden, doch wohl eher ungeschliffen singenden Tenorpartner Massimo Giordano gibt es zunehmend große Oper zu bewundern. Dank des sorgfältigen Dirigats des Hausherrn Donald Runnicles, der das Orchester der Deutschen Oper Berlin zu wunderbaren Kantilenen anhält und auch die Sänger einfühlsam begleitet, kann sich das Drama ab dem prächtigen Zwischenspiel zum dritten Akt nochmals steigern. Die letzten beiden Akte gehören ganz den beiden Stars des Abends. Martina Serafin wandelt sich eindrucksvoll zur geplagten Kreatur und liebend in den Tod gehenden Puccini-Heroine.

Der intensive Applaus am Ende schließt auch den vorzüglichen Noel Bouley als Sergeant Lescaut, Stephen Bronk als Geronte de Ravoir, Gideon Poppe als Edmondo und Burkhart Ulrich als Ballettmeister ein.  Leider singt der Chor wieder einmal undiszipliniert und rhythmisch allzu unpräzise. Abgesehen davon konnte das Publikum in einer schönen Repertoirevorstellung ein wenig willkommene Abwechslung vom Alltag tanken.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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