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BERLIN/ Deutsche Oper: LUCIA DI LAMMERMOOR

Von Pappmaché und gotischen Gewölben

09.02.2019 | Oper

Gaëtano Donizetti: Lucia di Lammermoor, Deutsche Oper Berlin, Vorstellung: 08.02.2019

Von Pappmaché und gotischen Gewölben

Fillippo Sanjusts Inszenierung von «Lucia di Lammermoor» wirkt auch bei ihrer 140. Aufführung seit der Premiere am 15. Dezember 1980 wie frisch einstudiert.

Dieser Eindruck ist nicht weiter verwunderlich, denn Sanjust, der auch Bühnenbild und Kostüme verantwortet, agiert als Regisseur nicht gestaltend oder interpretierend sondern in erster Linie arrangierend, so dass die Sänger in voller Abwesenheit jeglicher Personenführung sich selbst überlassen sind.


Foto: Deutsche Oper Berlin

Hebt sich der Vorhang, so gibt er den Blick auf einen zweiten, teilweise zur Seite gerafften Vorhang und im Bühnenhintergrund ein romantisches Gemälde frei. Das Gemälde zeigt eine weiss gekleidete, gespenstisch wirkende Frau vor «schottischer» Kulisse bei Vollmond. Dieses Arrangement ist nun in den Lichtpausen vor jedem Bild zu sehen. Für das erste Bild hat sich Sanjust mit herzallerliebsten Pappmachehügelchen eine schottische Berglandschaft geschaffen, nachher erweist er sich dann als Fan gotischer Gewölbe. Im vierten Bild kombiniert er das gotische Gewölbe mit Arkaden und einem Falltür, so dass der Eindruck eines maurischen Palastes entsteht. Im sechsten Bild quillt die Bühne geradezu über: auf mit blauem Samt überzogenen Regalen stapeln sich bis unter die Decke die Hochzeitsgeschenke, vornehmlich Goldgeschirr, dass aber in seiner stilisierten Machart (bemaltes Styropor) zum Schmunzeln anregt. Davor Bänke und Tische fürs Festmahl und Chor und Statisterie schön aufgereiht. Es gibt sogar Ordner, die sorgen, dass Lucia für ihre grosse Szene genug Platz hat. Das Gräberfeld des letzten Bildes wird zur Gruft, natürlich im gotischen Gewölbe, mit grossen Sarkophagen.

Es lässt sich durchaus nachvollziehen, dass die Produktion bei ihrer Premiere durch die Opulenz der Kostüme beeindruckte. Die Damen tragen allesamt prächtige Roben, die Herren Renaissance-Anzüge in der Manier der alten Meister. Die Kostüme sind sogar nachhaltig: lässt man die Schärpen im Schottenkaro weg, so sind sie ohne weiteres für zum Beispiel Don Carlo, die Puritaner oder andere, einschlägige Opern zu verwenden.

Musikalisch stand der Abend leider unter keinem guten Stern. Jacques Lacombe gelang es nur bedingt das Orchester der Deutschen Oper zu führen und zu motivieren. Meist waberte der Klang vor sich hin und es wurde Dienst nach Vorschrift gemacht. Hervorragend waren die Soli von Flöte (Eric Kirchhoff) und Harfe (Virginie Gout-Zschäbitz). Die männlichen Rollen waren mit einer Ausnahme (Edgardo) alle mit recht kleinen Stimmen besetzt, die in einem Haus dieser Grösse an ihre Grenzen kamen und wiederholt untergingen. Noel Bouley gab einen blassen, kaum zufassenden Enrico. Byung Gil Kim sang den Raimondo, blieb als Figur aber inexistent. Ya-Chung Huang wurde als Arturo von Lucia im Wahn umgebracht. Jörg Schörner war als Normanno Enricos Vertrauter, Maiju Vaahtoluoto als Alice die Vertraute Lucias.

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Joseph Calleja. Foto: Simon Fowler/ Deutsche Oper

Joseph Calleja hatte keine Mühe sich gegen das Orchester durchzusetzen. Auf Grund einer Erkältung war er, wie schon in der Vorstellung vorher als indisponiert angesagt und so entzieht sich sein Auftritt der Kritik. Die erst 22jährige (Anm.d. Red.:  google zufolge ist sie 33) Svetlana Moskalenko als Lucia liess ein technisch perfekt ausgebildete Stimme hören. Was allerdings fehlte, durchaus aber noch kommen kann, war das Wissen um die Ornamente des Belcanto und die Darstellung der typischen Belcanto-Heroinen auf der Bühne. Ornamente, Verzierungen waren reichlich vorhanden, aber nur angelernt und nicht emotional durchdrungen. Und hysterisch-wirres Gelächter ist definitiv das falsche Mittel den Wahnsinn der Lucia auf der Bühne darzustellen. Thomas Richter hatte den Chor der Deutschen Oper Berlin adäquat vorbereitet.

Szenisch war der Abend ein Ausflug in die Operngeschichte, musikalisch aber eines Hauses wie der Deutschen Oper, die Wert auf ihre Belcanto-Tradition legt, unwürdig.

Weitere Aufführung: Freitag 15.02.2019, 19.30 Uhr.

10.02.2019, Jan Krobot

 

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