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BERLIN/ Deutsche Oper: LOHENGRIN – keineswegs ein Ritter

06.05.2016 | Oper

Deutsche Oper Berlin, Lohengrin, keineswegs ein Ritter

Vorstellung vom 05. Mai 2016


Copyright: Deutsche Oper

In Lohengrin, wie bei allen romantischen Opern von Richard Wagner, treffen historische Figuren auf eine mystische Welt.

Die Regie (Kasper Holten) , hat die Handlung ausschließlich in eine realistische Zeit verlegt und die romantische Seite außer Acht gelassen. Realistisch ist hier, dass Heinrich I für den bevorstehenden Krieg gegen die Ungarn im ganzen Land Soldaten rekrutiert und dabei in Brabant erlebt, dass eine heftige Auseinandersetzung um die freigewordene Macht entbrannt ist. Bei Wagner sind es Telramund und Ortrud (die Ehe ist nur ein Zweckbündnis). Neu dagegen ist, dass Lohengrin, der wie Phönix aus der Asche kommt, von Anfang an das Ziel hat, die Macht an sich zu reißen, wobei offen ist, ob seine Liebe zur Elsa nur eine taktische Maßnahme ist.

Sein Outfit ist nur Tarnung, sein Auftreten der jeweiligen Situation angepasst, auch sucht er aus vorbereiteten Reden (Gralserzählung) die geeignete Wortwahl aus. Mit der Führung von Brabant hat er sein Ziel erreicht und diese Macht gibt er nicht mehr ab.

Ein großes Rätsel bleibt jedoch bestehen, weil „Gottfried“ zum Ende nur als Leichnam herein getragen wird. Ein natürlicher Tod kommt wahrscheinlich nicht in Frage und es gibt nur zwei Tatverdächtige  („Einsam in trüben Tagen“). Elsa, was eher unwahrscheinlich ist und Lohengrin, der zu einer solchen Tat fähig sein könnte.  

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Copyright: Deutsche Oper Berlin

Wer beim Regietheater alles hinterfragen will, kommt dabei oftmals in Erklärungsnot. So ist das Bühnenbild (Bühne und Kostüme, Steffen Aarfing) beim Vorspiel nur eine Mahnung gegen die Auswirkungen des (bevorstehenden) Krieges und ist nicht handlungsrelevant.

Die musikalische Umsetzung war in den Händen vom Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein,  Axel Kober. Er hat die Sängerdarsteller mit viel Gefühl unterstützt, was erheblich zur Textverständlichkeit beitrug. Vielleicht hätte er im 3. Akt das Blech etwas zurücknehmen sollen. Er trägt vor allem in den lyrischen Stellen mit seiner sanften orchestralen Transparenz das gesamte Sängerensemble.  

Natürlich ist der Lohengrin von Klaus Florian Vogt die stimmlich dominante Figur des Werkes. Mit seinem Timbre und seiner Technik wird sein Vortrag zu einem Erlebnis. Richard Wagner hätte vermutlich diese Rolle in der Uraufführung in Weimar im Jahr 1850 mit Klaus Florian Vogt besetzt. Leider war die Elsa (Manuela Uhl) in dieser Vorstellung nicht die geeignete Partnerin. Mit der kraftvollen und dramatischen Ortrud (Anna Smirnova)  und Telramund (Simon Neal) und dem Einspringer, dem Bayreuth erfahrenen Günther Groissböck, wurden die wichtigsten Partien besetzt. Nicht zu vergessen der Heerrufer, Bastiaan Everink, der hier als Medienberater und Pressesprecher auftritt.

Ein ganz großes Lob gebührt dem Chor der Deutschen Oper Berlin, angeführt von dem leider scheidenden William Spaulding. Ein so vielfältiger Chor, der einerseits einstimmig wie aus einem Guss agiert, aber auch die einzelnen stimmlichen Charaktere beim gemischten Chor erkennen lässt, wie beispielsweise beim Freischütz – artigen Auftritt  im zweiten Akt. Man kann jetzt schon neugierig auf den Chor nächstes Jahr in der Götterdämmerung sein.

Fazit: Ein Zitat von Richard Wagner lautet: „Kinder schafft Neues“, wobei man hinzufügen könnte, auch wenn es fremdartig erscheint. Hier hat der große Meister recht. Andererseits muss man die Kritik derjenigen Besucher bejahen, die auf eine politische Lehrstunde über Beeinflussung der Massen durch Rethorik verzichten wollen. Da jede Berichterstattung subjektiven Charakter hat, kann nur ein Besuch der Deutschen Oper Berlin Aufschluss über eine persönliche Beurteilung geben.

Franz Roos

 

 

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