Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Deutsche Oper: LA SONNAMBULA

Belcanto, wie er sein sollte

11.02.2019 | Oper

Vincenzo Bellini: La Sonnambula, Deutsche Oper Berlin, 10.02.2019

(4. Aufführung seit der Premiere am 26.01.2019)

Belcanto, wie er sein sollte

Jossi Wieler und Sergio Morabito haben ihre Stuttgarter Inszenierung der Sonnambula aus dem Jahre 2012 für die Deutsche Oper Berlin überarbeitet. Und das mit grossem Erfolg.

Die Verortung in einem Gewölbe eines Wiener Gemeindebaus funktioniert weiterhin und ist als Synonym für einen kleinen, in sich geschlossenen Kosmos durchausstimmig. Am Bühnenrand ist eine Briefkastenzeile angedeutet, seitlich im Raum stehen ausrangierte Möbel, vornehmlich Schränke, die ihrerseits Auf- und Abgangsmöglichkeiten bieten, und zwei Treppen, eine nach oben, eine nach unten, schliessen den Raum nach hinten ab. Im freien Raum stellt der Chor zu Beginn Festbänke und Tische für eine Feier auf (Bühnenbild und Kostüme Anna Viebrock).


© Deutsche Oper/ Bernd Uhlig

Zahlreiche Details der Inszenierung zeugen von der tiefen, dramaturgische Durchdringung des Stücks, die das Markenzeichen von Jossi Wieler uns Sergio Morabito geworden ist. Zu einer guten Aufführung gehört eben nicht nur das Wissen um die Gesangstechnik, sondern auch die Entstehung, die „Umstände des Werkes“.

„La Sonnambula“ wurde am 6. März 1831 im Teatro Carcano in Mailand uraufgeführt, nur acht Monate nach der Juli-Revolution in Paris. So ist der Auftritt Graf Rodolfos nicht nur der eines Befreiers (der Gemeinschaft aus Unwissenheit und innerer Isolation), sondern vor allem die Rückkehr der alten Feudalmacht, eines in der beginnenden Restaurationsepoche durchaus aktuellen Problems. Die Gemeinschaft aber, durchaus auch Zeichen ihrer Isolation, wünscht sich die Rückkehr der alten Feudalmacht.

Bildergebnis für berlin deutsche oper sonnambula
© Deutsche Oper/ Bernd Uhlig

Dieser Wunsch wird aber nicht lange Bestand haben, den Rodolfo nimmt sich, ganz in Herrenmanier, was er kriegen kann. Nachdem er als Jüngling Schande über das Dorf gebracht hat, er hatte ein junges Mädchen geschwängert und dann verlassen, vergnügt sich nun zuerst mit der Wirtin Lisa und dann mit Amina. Dazu unterteilen Wieler und Morabito die Bühne mit einer Wand mit Fenster, ein Bettsofa, das die besten Jahre hinter sich hat, wird nun Schauplatz des Geschehens. Amina macht nun die gleiche Erfahrung wie ihre Mutter. Auch sie wird von Rodolfo geschwängert und präsentiert danach stolz den Blutfleck auf dem Laken. Die Herrschaft hat sich nicht geändert. Amina scheint nicht wirklich zu wissen, was Sache ist. In Bezug auf die Gegenwart nicht, und in Bezug auf die Vergangenheit genauso wenig. Das Unheil nimmt seinen Lauf. Klagt Elvino in der Arie „Ah! Perche non posso odiarti!“ Amina dann der Untreue an, wendet er sich für die zweite, im Belcanto verzierte und entsprechend gefühlsgeladene Strophe an Rodolfo. Er ist in Elvinos Augen am Unheil genauso schuldig. Dem Charakter einer Opera semiseria entsprechend bringt ein zweites Schlafwandeln Aminas die Lösung und die Gemeinschaft zur Einsicht in ihre Unschuld.

Im Mittelpunkt der Aufführung stehen natürlich die Sänger, hier die Russin Venera Gimadieva als Amina und der Mexikaner Jesús León als Elvino. Venera Gimadieva singt die Amina mit stupender Technik und grossartiger Bühnenpräsenz, verkörpert die Partie in nahezu idealer Weise. Jesús Leóns heller Tenor überzeugt mit Technik, Musikalität und vor allem mühelos erreichten Höhen. Der Gesang beider macht, um mit Bellini zu sprechen, weinen. Ante Jerkunica gibt mit seinem prachtvoll strömenden Bass einen Rodolfo mit starker Präsenz. Alexandra Hutton als Elisa, Helene Schneidermann wie schon in Stuttgart als Teresa, Andrew Harris als Alessio und Jörg Schörner komplettieren das Ensemble auf höchstem Niveau. Stephan Zilias, der das Dirigat erst kurz vor der Premiere von Diego Fasolis übernommen hatte, war den Sängern ein sensibler Begleiter. Das Orchester der Deutschen Oper Berlin war nun bestens disponiert und trug wie der von Jeremy Bines vorbereitete Chor der Deutschen Oper Berlin zum grossartigen Abend bei.

Melodie lunghe, lunghe, lunghe, die lang, lang, lang in Erinnerung bleiben werden.

Weitere Aufführungen in veränderter Besetzung: Sonntag 19.05.2019, 19.30 Uhr und Samstag 25.05.2019, 19.30 Uhr.

14.02.2019, Jan Krobot/Zürich

 

Diese Seite drucken