Berlin/ Staatsballett: glänzende „JEWELS“ von George Balanchine, Premiere, 21.05.2016
Jewels, Iana Salenko und Dinu Tamazlacaru in „Rubies“, Foto Carlos Quezada
Genau so wünschen es sich wohl die Ballettfans jeglichen Alters: Schöne Menschen, schön kostümiert, schön tanzend zu schöner Musik. Die für das Staatsballett Berlin neu einstudierte klassische Choreographie „Jewels“ von George Balanchine, noch immer ein Dauerbrenner auf den internationalen Bühnen, wird diesen Erwartungen offensichtlich voll gerecht.
Das Publikum jubelt von Anfang an und steigert sich bei seinem Applaus von Pièce zu Pièce, von den Smaragden (Emeralds), über die Rubine (Rubies) bis zu den Diamanten (Diamonds). Zuletzt bebt die Deutsche Oper Berlin vor Beifallsäußerungen aller Art. Kaum wollen die Animierten die Tänzerinnen und Tänzer mitsamt dem „Regieteam“ von der Bühne lassen. Ein wohl verdienter und – nach langwieriger Flaute – dringend benötigter Erfolg.
Balanchine hat das in diesem, seinem ersten abstrakten Ballett möglich gemacht, doch dafür wurden auch in Berlin weder Kosten noch Mühen gescheut. Jedes der drei Teile ist frisch einstudiert, Emeralds und Diamonds von Ben Huys bzw. Sandra Jennings, früher selbst Interpreten von Balanchines Werken. Patricia Neary, verantwortlich für Rubies, gehörte sogar zur Premierenbesetzung von „Jewels“. Authentischer geht’s nicht.
Darüber hinaus hat der spanische Modeschöpfer Lorenzo Caprile, der schon Mitglieder des spanischen Königshauses einkleidete, „Jewels“ neu ausgestattet, so dass die Kostüme, speziell die Oberteile, tatsächlich smaragdgrün, rubinrot und wie mit Brillis übersät glitzern. Das steht der von Perry Silvey perfekt ausgeleuchteten Truppe, den Damen ganz besonders.
„Ballet is a woman,“ äußerte einst Balanchine. Er liebte die Frauen, war mit vier seiner Ballerinen verheiratet. „Ein Mann hat es gern, Partner zu sein, ein Beistand, ein Chevalier. Das ist’s, warum Ballett existiert,“ fügte er hinzu. Hier realisiert sich das alles vor den von Pepe Leal farblich fein abgestimmten Bühnenbildern. Was das alles gekostet haben mag, sollte besser nicht gefragt werden. Juwelen gibt’s halt nicht zum Billigtarif.
Wie es sich wohl Balanchine gedacht haben mag, geht nun das dreiteilige Werk vonstatten, als Nummernballett, mal solo getanzt, mal als Pas de deux oder Pas de trois, mal mit mal ohne Ensemble. Eine inhaltsfreie Edel-Show, wie der Meister selbst einräumte. Einfach was zum Schauen und Genießen. Ballettfans, denen das reicht, werden hier glücklich.
Die Inhaltsferne erweist sich allerdings bei Emeralds als hinderlich, was hauptsächlich der eher melancholischen als rhythmischen Musik von Gabriel Fauré zuzuschreiben ist (Teile aus „Pelléas et Mélisande“ und „Shylock“). Von französischem Flair ist auch nicht viel zu entdecken, wird doch die Musik mit dem allseits bekannten klassischen Tanzrepertoire interpretiert. Aus solchen Smaragden können die beiden Paare Krasina Pavlova plus Marian Walter sowie Aurora Dickie mit Arshak Ghalumyan kaum tänzerische Funken schlagen. Dennoch gibt es Applaus nach fast jeder Nummer.
Mikhail Kaniskin in „Diamonds“, Foto Carlos Quezada
Ganz anders bei Rubies. Da wird schon geklatscht, als sich der Vorhang öffnet. Bei Igor Strawinskys fetzigem „Capriccio für Klavier und Orchester, am Flügel Alina Pronina) kommt auch sogleich Stimmung auf. Wer vorher doch etwas gelangweilt im Sessel gesessen hat, wird jetzt hellwach.
Denn nun sind zwei quicke und humorbegabte Stars des Staatsballetts – Iana Salenko und Dinu Tamazlacaru – am Werke und genau in ihrem Element. Sie rennen, hüpfen und kreieren unermüdlich urkomische Figuren. Eine Tanzmaus mit dem genau passenden Partner bezaubert, noch ergänzt durch die ebenfalls zu Ulk aufgelegte Julia Golitsina. Der Spaß an der Freud’ lacht allen, auch dem munter mitmischendem Ensemble, aus den Gesichtern. Den Riesenbeifall haben sie echt verdient.
Bei Emeralds wird’s dann zu Tschaikowskys Sinfonie Nr. 3 (ohne den schon von Balanchine ausgesonderten 1. Satz) echt theatralisch und königlich. Die Meriten des Orchesters der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Robert Reimer kommen nun voll zur Geltung. Doch steif wie bei Hofe wird es bei allem Glamour glücklicherweise nicht. Dass diese Gefahr – nach der so herrlich spritzigen Strawinsky-Interpretation – vermieden wird, ist dem hiesigen Startänzer Mikhail Kaniskin und seiner als Gast zurückgekehrten Partnerin Shoko Nakamura zu verdanken.
Sie die unendlich biegsame, er der elegant Charismatische und zudem in Topform. Dass Kaniskin in dieser Glanz- und Gloria-Partie (im Gegensatz zum Alfred in „Giselle“) keine Möglichkeit hat, Inhalte glaubhaft darzulegen, ist zwar bedauerlich, doch das war für Balanchine, wie erwähnt, nicht das Thema.
Also reüssieren die beiden mit perfekten Pirouetten und er, wie vom Meister gewünscht, als behütender Chevalier. Ein jugendlicher Herrscher von Kopf bis Zeh, der schließlich durch einer intensiv bejubelten Einlage verblüfft: ähnlich wie Malakhov in seiner Glanzzeit durchmisst nun Kaniskin mit weiten Sprüngen die breite Bühne.
Zuletzt also lang anhaltende Ovationen des internationalen Publikums. Beifallsbekundungen wie schon lange nicht mehr. Eine geglückte Premiere.
Ursula Wiegand
Weitere Termine am 26. und 29. März sowie am 10.und 19. Juni