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BERLIN/ Deutsche Oper: ELEKTRA – Stemme, Uhl und Kehrer sorgen für Stimmglanz im sandigen Hinterhof der Macht

27.06.2016 | Oper

BERLIN / Deutsche Oper ELEKTRA, 26.6.2016

Stemme, Uhl und Kehrer sorgen für Stimmglanz im sandigen Hinterhof der Macht

Es war eine gute Repertoireaufführung, diese 19. in der Produktion von Kirsten Harms aus dem Jahr 2007. Die Bühne stellt einen immensen leeren Kubus mit jeweils einem Tor links und rechts sowie einer Öffnung auf halber Höhe zur Hinterbühne, auf der Klytämnestra erscheint, später Aegist ermordet wird und zwischendurch Müll herabgleitet. Sonst ist viel Sand oder Kohlenstaub aufgeschüttet, die allen auf der Bühne das Gehen darauf sichtlich erschwert und bisweilen zu unfreiwillig komischem Gestakse führt. In diesem Rahmen findet eine ganz konventionelle Personenregie statt. Nur zwei Gedanken geben dieser Regiearbeit ein (kleines) Profil: Klytämnestra läuft ständig mit dem Beil herum. „Die Axt ist ihr Szepter und Gehilfe zugleich, ein Stohhalm, an den sie sich klammert. Sie bietet diese Insignie, diesen blutigen Talisman ihrer Tochter sogar in einem Moment größter Verzweiflung an. Sie möchte sehen, wie weit ihre Tochter geht, wenn die Waffe in ihren Besitz geht. Liebe mich oder töte mich, es ist egal, denn in jedem Fall erlöst du mich, entweder von meiner Schuld oder von meiner Hoffnung.“, so O-Ton Kirsten Harms. Und am Schluss der Oper treten acht weiß gekleidete langhaarige Mädchen auf, Spiegelwesen des verwüsteten Inneren von Elektra. Ihre Persönlichkeit verliert sich in einem Pandämonium eskalierender Emotionen…..

Rein musikalisch sorgt der im Dauereinsatz stehende Musikchef der Deutschen Oper Donald Runnicles für einen reibungslosen Ablauf auf der Bühne und im Orchestergraben. Es sind eher die feinen Schattierungen und die raffinierte Instrumentationskunst des Richard Strauss, die begeistern. Hohe Dramatik und Spannung stellt sich nach einem zaghaften Beginn und einer lähmend langsamen Klytämnestra Szene so richtig erst zuletzt ein. Nina Stemme ist hohe Bewunderung zu zollen, wie sie die Elektra singt. Nämlich wirklich singt (und nicht schreit) mit ihrem dramatischen, dunkel timbrierten Sopran, der in den Tiefen und extremen Höhen gleichermaßen bruchlos anspricht. Ein, zwei hart angesetzte Höhen tun dem keinen Abbruch. Darstellerisch hat sie ihre Grenzen, Entäußerung auf der Bühne und ein Verschmelzen mit der extremen Figur finden nicht statt. Das gilt gleichermaßen für Waltraud Meier als Klytämnestra, die an diesem Abend allzu stimmschonend routiniert agiert. Da wird gesäuselt und geflüstert, liedhaft schön gesungen, aber dass die Mutter Elektras am Rande des Todes steht und ihren perversen Tier- und Menschenopfern huldigt, um wieder schlafen zu könne, davon ist bei Meier nichts zu spüren. Dementsprechend lau fällt auch der Schlussapplaus aus.

Großartig orgelt Tobias Kehrer als Orest. Für Albert Pesendorfer eingesprungen und gestern erst als beeindruckender Osmin auf der Bühne der Deutschen Oper, zeigt Tobias Kehrer nun in Elektra, dass voller Stimmeinsatz ohne Getue und „Ökonomisieren“, bei hoher Rollenidentifikation auch im Publikum die nachhaltigsten Eindrücke sichert. Manuela Uhl, die als einzige schon bei der Premiere dabei war und für Adrianne Pieczonka eingesprang, ist eine höhensichere Chrysothemis, die mit ihrem schönen jugendlich dramatischen Sopran und hoher Intensität unmittelbar zu faszinieren weiß. Burkhard Ulrich als fieser, feiger Aegisth agiert rollendeckend.

Mit auffallend knackigem Tenor präsentiert sich James Kryshak als junger Diener, in der gestrigen Entführung hat er noch einen exzellenten kecken Pedrillo gesungen. Theaterlegende Nadine Secunde ist eine stimmlich nach wie vor präsente Aufseherin. Die Mägde (Annika Schlicht, Rebecca Jo Loeb, Jana Kurucová, Fionnuala McCarthy, Elbeniza Kajtazi) machen ihren Job, ohne weiter aufzufallen.

Am Schluss großer verdienter Jubel für Stemme, Uhl, Kehrer und Runnicles.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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