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BERLIN/ Deutsche Oper: DIE HUGENOTTEN – Juan Diego Florez in einer neuen Glanzrolle

21.11.2016 | Oper

BERLIN / DIE HUGENOTTEN; Deutsche Oper, 20.11.2016

Der peruanisch-österreichische Tenor Juan Diego Florez in einer neuen Glanzpartie

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Copyright: Bettina Stöss

 Nach „Vasco da Gama“ mit Roberto Alagna nun also „Die Hugenotten“ ungekürzt mit Juan Diego Florez an der Deutschen Oper Berlin. Vorbei die Zeiten, als man über Meyerbeer Opern die Verdi- oder Wagnernase rümpfte oder die Tenorpartien als rettungslos unsingbar abtat. Es gibt sie wieder, die ausdauernden, höhentigernden Sänger, die eine Partie wie die des Raoul von Nangis bewältigen können. Die Grand Opera ist nicht tot, das kann man nach dieser Premiere wohl ohne Vermessenheit sagen. Dass dazu auch ein Regisseur von Rang engagiert wurde, der sich vor solch einer Aufgabe weder fürchtet noch in Schemata erstarrt, ist neben der rollendeckenden Besetzung das große Atout der Aufführung. David Alden inszeniert die Hugenotten als das was sie sind, nämlich ein üppig lust-, klang und farbenfrohes Vexierspiel um die Hybris der Macht und deren karikaturale bis tödliche Auswüchse. Auch wenn die Inszenierung im eher „epischen“ dritten Akt etwas hängt, entschädigt Alden mit einem düsteren vierten und erschreckend aktuellen fünften Akt. Das Liebesduett und Terzett Raoul, Valentine und Marcel im lettzen Akt können wohl als musikalische Höhepunkte der Oper bezeichnet werden. „Don Carlos“ und „Die Macht des Schicksals“ lassen grüßen.

Der in Berlin geborene Meyerbeer verarbeitete das Libretto von Eugène Scribe und Èmile Deschamps im Cinemascope-Format, selbst Hollywoods Showapparat kann das nicht besser. Diese Mischung der Genres, die Ohren betörende Musik, Tänze, der Trumpf der Massen, die Geschichte(n) um ehrenlose Ehrenwerte garniert um Liebesgeschichten mal schräge Farce amalgamiert mit Tragödie à la Tarantino trifft haargenau den Zeitgeist. Wenn schon religiös motivierte Massaker an den französischen Protestanten in der sogenannten Bartholomäusnacht, dann maschinengewehrhaft im Takt zur Musik. Allzu Ernst darf auch das nicht aussehen, wie wir das ja von unendlich vielen Videospielen zweifelhafter Art kennen. Eine übersättigte und gelangweilt voyeuristische unterhaltungsgeile Gesellschaft wie im Paris der Uraufführung 1836 – hält uns Regisseur David Alden da etwa einen Spiegel vor?

Und auf der Bühne geht es in den Hugenotten aber wie im TV ganz zuerst auch um Stars, Gesangsvirtuosen, die stimmliche Drahtseilakte ohne Netz vollführen, recht so wie es in dieser Aufführung in Berlin neben Juan Diego Florez Patricia Ciofi als Marguerite von Valois und Olesya Golovneva als Valentine eindringlich vorführen. Welcher eingefleischte Melomane erinnert sich da nicht an den glanzvollen Mitschnitt dieser Oper aus der Scala mit Corelli, Sutherland und Simionato. Für die Hugenotten braucht man sieben Spitzensänger, über die die Deutsche Oper verfügt. Neben den Genannten ist das ganz besonders der kroatische Bass Ante Jerkunica in der Rolle des Dieners Marcel. Mit einer stimmlichen Eleganz und sonor strömenden Tiefe à la Siepi gestaltet Jerkunica seine Rolle eines fanatisierten Protestanten, der in letzter Minute vor dem Massaker noch Raoul und die zum protestantischen Glauben konvertierte Valentine traut. Aber auch Derek Walton als Valentines Vater Graf von Saint-Bris, der in dem von ihm angezettelten Gemetzel auch seinen Tochter verliert, Irene Roberts als Page Urbaine und Marc Barrard als Graf von Nevers fügen sich nahtlos in das großartige Ensemble.

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Olesya Golovneva, Juan Diego Florez. Copyright: Bettina Stöss

Die Hugenotten sind eine seltsam hybride Oper. Die ersten beiden Akte stellen eine schräge Komödie oder Operette dar, eine Art Broadway Musical, das mit Tempo und Witz reüssiert. David Alden ist hier ganz in seinem Element und scheut vor keinen skurrilen Einfällen (z.B.: Marguerite von Valois in der Badewanne mit dem Schwamm verwöhnt von einem Muskelmann) zurück, als hätte er Nachhilfe bei Barry Kosky von der Komischen Oper genommen. Manchmal riecht die Show nach Offenbach und schmeckt nach Donizetti; der Spaß an hohen Tönen verbindet. Patrizia Ciofi legt sich in ihrer koloraturgespickten Auftrittsarie als Marguerite von Valois noch ein Paar Lucia di Lammermoor Phrasen ein, geschrieben hat das freilich keiner. Als Figur bleibt sie Marginalie, wirkungsvoll ist ihr Auftritt als kapriziöse Lebefrau allemal. Aber bei Meyerbeer darf es eben auch ruhig um Effekte gehen, Diva darf Diva sein und Tenor ein Tenor. Und dieser Tenor ist ja nicht irgendjemand, sondern Juan Diego Florez, der größte Stilist in seinem Fach seit Alfredo Kraus. Florez war zwar an diesem Abend nicht ganz optimal disponiert, bot aber dennoch ein glänzendes vokales Porträt des Raoul von Nangis. Seine zur Viola solo gesungene höllisch schwere Auftrittsarie, sowie die Bravourarie im fünften Akt samt Duett mit Valentine gehören zu solch unvergesslichen Opernmomenten, deretwegen Melomanen weite Wege auf sich nehmen, um sich das anhören zu dürfen. Mit der Valentine der Olesya Golovneva, die genau so blendend aussieht und singt wie ihre Kollegin Sonya Yoncheva, bildet Florez ein wahres Traumpaar der Oper.

Michele Mariotti, Generalmusikdirektor am Teatro Communale in Bologna, leitete die Massen an Orchester und Chor der Deutschen Oper Berlin mit Verve, Feeling und der nötigen Spannung. So gelingt es ihm auch, alle stilistischen Brüche und Klippen zu einem gelungenen Pasticcio zu kitten. Die Bandbreite an musikalischen Elementen reicht ja weit vom lutheranischen Choral bis hin zu Rossini und Donizetti. Auch die frz. Oper hat da ihre Spuren hinterlassen. 

Die Hugenotten haben jedenfalls in Deutschland Konjunktur. Nach Kiel und Würzburg ist die Deutsche Oper Berlin das dritte Haus, das das immens schwierig zu besetzende Werk auf die Bühne bringt. Die Deutsche Oper selbst hat vor ca. 30 Jahren die Hugenotten ebenfalls im Spielplan gehabt, damals mit Richard Leech und Lucy Peacock in den Hauptrollen.

Die heutige Vorstellung wurde vom Deutschlandradio Kultur aufgezeichnet. Die Ausstrahlung erfolgt in zwei Teilen, und zwar am Samstag den 4.2.2017 ab 19.05 in der Sendung „Oper“ und am Sonntag, dem 5.2.2017, ab 20.03 in der Sendung „Konzert“.

Weitere Aufführungen sind noch am 23., 26. und 29. November angesetzt.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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