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BERLIN/ Deutsche Oper: DER RING DES NIBELUNGEN – Letzte Aufführung des legendären «Tunnel»-Rings von Götz Friedrich über Ostern 2017

20.04.2017 | Oper

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Albert Pesendorfer, Derek Walton, Martina Welschenbach, Andrew Harris, Glaser. Copyright: Deutsche Oper Berlin)

Deutsche Oper Berlin: Der Ring des Nibelungen – Letzte Aufführung des legendären «Tunnel»-Rings von Götz Friedrich über Ostern 2017

Heut’ hast du’s nochmal erlebt….

1984, also vor gut 33 Jahren, präsentierte die Deutsche Oper Berlin den später legendären «Tunnel»-Ring in der Regie von Götz Friedrich und im Bühnenbild und in Kostümen von Peter Sykora. Zuerst «Rheingold» und «Walküre», 1985 dann «Siegfried» und «Götterdämmerung». Wenn man sich vergegenwärtigt, dass diese Ring-Deutung noch vor dem Mauerfall und der Wende – und vor allem noch in der Endphase des Kalten Krieges – entstanden war, so ist das in der Tat Theatergeschichte. Seinerzeit mit Argwohn und Ablehnung bedacht, entwickelte sich dieser Ring im Laufe der Zeit zu einer Kult-Aufführung. Dabei war es dem Leading-Team so nicht recht, denn Götz Friedrich wollte bereits 2001 einen neuen «Ring» in Berlin präsentieren. Die Zeiten hatten sich total verändert und so auch wir uns in ihnen. Aber die «Pranke» des bedeutenden Regisseurs war nach über die drei Jahrzehnten mehr als spürbar und, da sich die Menschen und somit die darin mitwirkenden Künstler geändert hatten, geriet dieser «Ring» fast zu einem Anachronismus. Aber die künstlerische Qualität dieser Arbeit überdauerte die Zeit und die wechselnden Besetzungen. Wenn man bedenkt, dass sich die Sänger auf der Bühne heute ganz anders bewegen, die Ästhetik sich gewaltig gewandelt hat – ob zum Guten oder Schlechten bleibe dahingestellt -, so war auch dieser «Ring» dem Wandel unterworfen. Und dem aufmerksamen Opernpublikum war dies sicher auch bewusst. So ergab sich mit der Zeit eine Spanne zwischen dem ursprünglichen Konzept und dem heutigen Empfinden, was nicht uninteressant zu beobachten ist. Bei aller berechtigter (?) Nostalgie sollte man die Augen offenhalten und hinschauen. Das Konzept mag zeitverbunden sein, aber vieles an dieser Regie überzeugt nach wie vor, wenn sie auch von einer neuen Sängergeneration umgesetzt wird. Einiges würde man heutzutage anders lösen. Götz Friedrich hatte dies sicher auch gesehen, als er im neuen Jahrtausend für Berlin einen neuen «Ring» schaffen wollte. Der Regisseur war aber bereits am 12.12.2000 in Berlin gestorben. So wurde dieser «Ring» mit grosser Sorgfalt und viel Hingabe weitergepflegt. Das merkt man dieser allerletzten Aufführung über Ostern 2017 auch an. Alles funktioniert ganz prima und der szenische Fluss der Dramaturgie verrät die optimale Disposition der theatralischen Mittel. Da bindet schon mal das «Einheitsbühnenbild» von Peter Sykora: der Tunnel als Sinnbild einer nach dem Atomschlag sich dorthin zurückgezogenen Menschheit, die sich den «Ring» nochmal vorspielt. Wenn am Schluss der Götterdämmerung wieder die mit weissen Tüchern überworfenen Menschen reglos verharren, dann hatte das «Rheingold» auch so begonnen und die Geschichte kann wieder von vorne beginnen. Ob dies nun eine positive oder pessimistische Annahme war oder vielleicht heutzutage pessimistisch wirkt, verrät die Schau des heutigen Publikums auf diese nicht kalt lassende Ring-Interpretation. Auch Ostern 2017 war man wieder berührt und fasziniert von dieser epochalen Theaterarbeit.

Und wie sah die musikalische Seite aus? Donald Runnicles betreut diesen Ring seit Jahren und kennt die Vorgänge genau auf der Bühne. Er ist den Sängern ein sicherer musikalischer Unterstützer, hat auch eine eigene Lesart. Es ist dies die eines mittleren Weges. Weder grosses Pathos eines Knappertsbusch beispielsweise, aber auch nicht die sachgemässe Werkdeutung eines Boulez. Runnicles ist ein versierter Dirigent, kennt seinen Ring, ohne jedoch durch besondere Besonderheiten auffallen zu wollen. Im Kontrapunkt zu dieser stringenten Umsetzung auf der Bühne unterstützt Runnicles mehr das Geschehen, als dass er es formt. Zeitweise lähmende Tempi (Walküre 2. Akt, Götterdämmerung 1. Akt, Siegfried 2. Akt) stehen flüssiger dirigierten Akten gegenüber. Das Orchester der DOB spielt hervorragend, wenn auch nicht überaus differenziert und zeitweise etwas gar lautstark. Der Mannenchor, später verstärkt durch die Damen, war perfekt einstudiert (Raymond Hughes) und sang hervorragend.

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Stefan Vinke, Evelyn Herlitzius. Copyright: Deutsche Oper Berlin

Und die Sänger? Als Sieglinde wurde Eva-Maria Westbroek sehr bejubelt. Sie spielt einnehmend und berührend, gibt aber oft zu viel Stimme, sodass sich ein Flackern in der oberen Lage einstellt. Als ihr Partner war Stuart Skelton für Brandon Jovanovich eingesprungen. Dass er an einer Bronchitis litt, hätte man durchaus ansagen können. Aber er machte seine Sache gut. Körperlich war er natürlich gegenüber dem originalen Siegmund von Peter Hofmann unterlegen, der seinerzeit mit einem Sprung auf den Tisch sprang, um dann das Schwert mit beiden Händen aus dem Stamm der Esche heraus zu ziehen. Aber Peter Hofmann war eh eine Ausnahme-Erscheinung. Als Wotan erlebten wir drei verschiedene Wotane. Im «Rheingold» war der junge Derek Welton zu hören, der ein interessanter Wotan zu werden verspricht: eine schöne bassige Grundierung seines Baritons gibt ihm eine jugendliche Männlichkeit. Als «Walküren»-Wotan war der Bayreuther Kurwenal Iain Paterson, der ein gutes Porträt des mehr mürrischen als zerrissenen Wotan darbot. Gesanglich erbrachte er eine gute, ausgewogene Leistung. Witzig genug, dass ein Wotan mit «Heut’ hast du’s erlebt» einen Lacher im Publikum erzeugte. Der Wanderer von Samuel Youn konnte weder stimmlich noch darstellerisch voll überzeugen. Dagegen konnte dies Daniela Sindram als elegante Fricka, die mit schlankem Mezzo keine keifende Gattin, sondern eine Dame von Welt war. Daniela Sindram war übrigens im Dauereinsatz: als ebenso schön singende Waltraute wie als Einspringerin für die 2. Norn. Als Erda war das Naturereignis Ronnita Miller im «Rheingold» wie im «Siegfried» die mit vollem Alt tönende Mahnerin. Als Richard Wagner trat Loge auf, der durch eines etwas enttäuschenden Burkhard Ulrich verkörpert wurde: zu wenig prägnant setzte er seine Stimme ein, was umso mehr erstaunt, als er als «Siegfried»-Mime hinreissend war. «Rheingold»-Mime war gut vertreten durch Paul Kaufmann. Die Riesen waren mit Andrew Harris (Fafner) und Albert Pesendorfer (Fasolt) vertreten, wobei letzterer auch ein sehr guter Hagen war. Dass Matti Salminen, der Ursprungs-Hagen im Publikum sass, erweckte einige Wehmut. Denn die Präsenz Salminens in der langen «Wacht-Sitz-Szene» kann wohl niemand anderer so erreichen wie er. Tobias Kehrer war ein unauffälliger Hunding, etwas gar leichtgewichtig. Als Alberich wirkte Werner von Mechelen, fast zu schön gesungen; da hätte man sich etwas mehr Nachdruck in der sprachlichen Ausformung gewünscht. Die Götter waren passabel, sehr gut die Rheintöchter (übrigens very sexy»), ebenso die Nornen. Leider konnte Ricarda Merbeth der Gutrune kein besonderes Profil verleihen, dagegen war der Gunther von Seth Carico sehr wohl ernst zu nehmen. Der Waldvogel von Elbenita Kajtazi liess durch glockige Koloraturen aufhorchen. Das Walküren-Oktett war etwas unausgeglichen und in der Darstellung als Rockerbräute für heutige Verhältnisse eher läppisch anzusehen. 

Als nach dem Schlussgesang der Brünnhilde, den Evelyn Herlitzius souverän bewältigte, der Vorhang über dem eindrücklichen Schlussbild gesunken war, verdrückte manch einer oder eine die legendäre «heimliche Träne». Es war ein bewegendes Ereignis, diesen «Ring» noch einmal – zum letzten Mal – erlebt zu haben. «Heut’ hast du’s erlebt» – wie wahr.

John H. Mueller         

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