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BERLIN/ Deutsche Oper: A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM von Benjamin Britten – und der fliegende Puck

02.02.2020 | Oper


Der Puck, Jami Reid-Quarrell, schwebt über den Elfen. Foto: Bettina Stöß/ Deutsche Oper

Berlin/ Deutsche Oper:A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM“ von Benjamin Britten und der fliegende Puck, 3. Vorstellung, 01.02.2020

Benjamin Brittens Werke sind für Donald Runnicles, GMD der Deutschen Oper Berlin, Chefsache, und für dessen Schaffen hat er ein besonderes Gespür. Nach leise grummelnden Anfangstakten entspannt sich ein lyrisches Glissando-Waldesweben, es wispert und flüstert durch den allerdings unsichtbaren Tann. Den aber vermisst sicherlich niemand, schildert die Musik doch bestens die geheimnisvolle Atmosphäre in einer von Elfen, aber auch von üblen Geistern bevölkerten Sommernacht.

Stattdessen ist sogleich ein schwebender Puck zu bewundern, der schottische Schauspieler Jami Reid-Quarrell, der wie ein Artist über die von Marsha Ginsberg leer gelassene Bühne hin und her schwebt, manchmal kopfüber oder gar einen Salto schlagend (Choreografie für Puck: Ran Arthur Braun).

Das passt zu oft ebenfalls schwebenden Klängen, die Runnicles dem fein spielenden Orchester der Deutschen Oper Berlin entlockt. Diese Romantik wird jedoch durch den jungen amerikanischen Regisseur Ted Huffman, der erstmalig in Berlin arbeitet, und sein Team offenbar absichtlich unterlaufen. Nicht nur durch die kahle Bühne, sondern auch durch die einheitlich grauweißen Hosenanzüge für Große und Kleine, die sich Annemarie Woods ausgedacht hat.  

Wenn diese angeblichen Elfen und andere schlafend auf dem Bühnenboden liegen, ergibt sich jedoch ein bemerkenswertes Bild. Die Kleinen von ihnen mit ihren zarten hellen Stimmen gehören zu Christian Lindhorsts bestens geschultem Kinderchor der Deutschen Oper. Vier davon – Markus Kinch, Lola Violetta, Selina Isi und  Chiara Annabelle Feldmann –verkörpern auch Blumen und Kräuter. Sie sollen die hart Liegenden zärtlich in einen angenehmen Schlaf singen. Zuletzt werden sie vom Publikum mit Beifall belohnt.

In den derberen Teilen, wenn einige Handwerker Theater auf dem Theater zu spielen versuchen, wird’s nach Shakespeare-Art lustig und unterhaltsam. Dennoch entsteht bald der Eindruck, dass diese Komödie, die in menschliche Abgründe hineinreicht, eigentlich gar keine ist.

Das fängt sofort mit Oberon und Tytania an, gesungen vom britischen Countertenor James Hall (mit Gesichtsmaske), und der am Haus wohlbekannten Sopranistin Siobhan Stagg. Tytania trägt hier eine sehr strenge Frisur und einen kleinen Schnurrbart. Diese herbe Frau weiß genau, was sie will, nämlich den kleinen blau gekleideten Waisenjungen behalten, der ihrer Obhut anvertraut wurde. Oberon will ihn aber auch haben. Szenen einer Ehe, von beiden nachdrücklich gesungen und gespielt.

Oberon sinnt auf Rache und drückt seinem Boten Puck ein Sträußchen in die Hand, dessen Duft alle bisherigen Gefühle verwirrt. Fremdgehen sozusagen durch die Blume ist nun angesagt. Die Erweckung oder Erfüllung heimlicher Wünsche, aber bitteschön nur im Traum.

Was nun geschieht, dürfte bekannt sein. Das Liebespaar Hermia (Karis Tucker, mit wohl klingendem Mezzo) und Lysander (Gideon Poppe mit warmem, sportgestähltem Bariton) irren flüchtend durch den nächtlichen Wald. Noch will sie alleine schlafen, was sie später klagend bereut, als der Geliebte plötzlich verschwunden ist.  

Eher im Laufschritt kommen Demetrius (Samuel Dale Johnson, Bariton) und die ihn verfolgende Jeanine De Bique (mit Glitzersopran) daher. Sie liebt ihn, verfolgt ihn, doch er will von ihr nichts wissen. Alle vier tragen farbenfrohe Kleidung, die Herren Anzüge in sattem Dunkelrot. Doch selbst diese Normalität hilft nicht gegen das alles verändernde Zaubersträußchen.

Das alles singen und spielen sie überzeugend, diese Verzauberten auf Abwegen. Ein Fünfter aber wird (nicht nur) für mich zum Star: der kraftvolle und humorbegabte Bass James Platte als Amateurschauspieler, der in einen Esel verwandelt wird. Genau den muss die von Oberon ebenfalls verzauberte Tytania nun lieben. Sie reißt sich die Kleider vom Leibe und versucht vergeblich, ihn in schicker Korsage umtänzelnd, zu verführen.

Als er wieder wach wird, eilt er zu seiner Theatertruppe, die ihn schon sehr vermisst hat. Er ist ja ihr Star und soll im Drama „Pyramus und Thisbe“ den Löwen spielen. Dem König und der Königin soll es als Hochzeitsgabe präsentiert werden. Schon vorher hatte Bolton versprochen, nicht laut wie ein Leu, sondern nur wie eine Nachtigall zu brüllen, um das hohe Paar nicht zu erschrecken.

Wie diese Männer, die eigentlich Ahnung von nichts haben, mit Eifer zur Sache gehen, ist Lustspiel pur und ganz in Shakespeares Sinn. Timothy Newton, Michael Kim, Patrick Guetti, Matthew Peña, Matthew Cossack und der bereits erwähnte James Platte bilden typical British dieses kuriose Superteam (Choreografie: Sam Pinkleton) unter der an einer hohen Leiter befestigten Mondsichel als Mitsommernacht-Ersatz.

Foto: Bettina Stoeß

Und wer zuvor bei der zumeist schwebenden Musik etwas schläfrig geworden war, wird in diesem dritten Akt garantiert wieder munter, wenn James Platte, manchmal doch brüllend, im Löwenkostüm auf die Bühne stürmt, um zumindest Thisbe zu fressen.

Sie und Pyramus, beide von Experten geführte Riesenmarionetten, agieren jedoch ebenso anrührend wie geschickt. Ein genialer Einfall, der alles bisher Gebotene weit übertrifft. Selbst König Theseus (Padraic Rowan), immer mit der Flasche in der Hand und schon schwankend, gefällt das sehr, seiner schicken Gattin Hippolyta (Annika Schlicht) ist das alles jedoch zu plebejisch.

Und wieder ist Puck zur Puck zur Stelle, nun eher als Beobachter. Schluss mit der nächtlichen Träumerei, jetzt winkt allen drei durchaus glücklich wirkenden Paaren die Vermählung mit dem/der Richtigen. Auch Oberon und die von ihm wieder vom Zauber befreite Tytania finden zueinander. Mit dem Waisenjungen in der Mitte kehren sie zufrieden ins Elfenreich zurück.

Danach heftiger Jubel des begeisterten Publikums, mit besonderer Phonstärke für Donald Runnicles, James Platte und Jeanine De Bique.   

Ursula Wiegand

Noch zwei weitere Vorstellungen am 6. oder 22. Februar.  

 

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