BERLIN / CHAMÄLEON Compagnia Baccalà – CAMILLA PESSI und SIMONE FASSARI mit ihrem Pantomimen-Klassiker „PSS PSS“, PREMIERE; 10.1.2024

Zum Lachen, zum Weinen, urkomisch und von subtiler Poesie

Fotos: Sylvie Bosc, fotopipo.com und Otto Moretti

Eine Schachtel, zwei Äpfel, eine Banane und eine Leiter genügen dem schweizerisch italienischen Komikerduo Pessi und Fassari als Requisiten für einen kurzen, aber höchst bemerkenswerten Theaterabend. Was ist es, das wir sehen? Reminiszenzen an die Stummfilmära eines Buster Keaton, zwei Clowns im surrealen Raum einer selbstreferenziellen, sich augenzwinkernd auf die Schaufel nehmenden Zweisamkeit, virtuose Akrobatik im und mit dem Publikum? Alles davon und mehr.

65 Minuten pausen- und atemlos gefüllt mit Acts, einem wohl choreografierten Ballett der Alltagsgesten, dem kleinen Schmerzensblick und der großen Umarmung. Die Sehnsucht nach Nähe, das verspielte sich Ausdribbeln um ein Stück Banane, die Bosheit der kleinen Rachewonnen, die Banalität und das Wunder von Zweisamkeit und hart erkämpfter Harmonie.

Fotos: Sylvie Bosc, fotopipo.com und Otto Moretti

Will der eine partout nicht kuscheln, geht sie halt ins Publikum und holt sich dort die Streicheleinheiten, nach der die Seele dürstet. Den Höhepunkt der Performance bildet eine atemberaubende Schaukeltrapeznummer ohne Netz einige Meter über dem Mittelgang im Zuschauerraum mit einer Leiter als wackliger Aufstiegsstütze und der Mithilfe eines blondgelockten Sonnyboys aus dem Publikum bei der Bodenlandung..

Es entzieht sich jeglicher Eindeutigkeit, einen Abend ohne spezifische Handlung auf ihren Inhalt hin abzuklopfen, aber eines offenbart sich Jung und Alt an diesem Abend sofort: Die mit diesem Programm seit 2010 über 700-mal erfolgreiche Compagnia Baccalà trifft mit ihren Blicken, Gesten und Kasperliaden das, was man als eine unterhaltsame Übung in Ge- und Ausgelassenheit nennen könnte. Dazu Trompete und Akkordeon, auch auf den Röhrensprossen der Leiter lässt sich die eine oder andere Melodie improvisieren.

Am Ende sind selbst von Arbeit, Lokführer- und damit S-Bahnstreik oder dem Berliner Alltag sonst enervierte Besucher oder Besucherinnen durch Lachen befreit, munter und fit. Der ausverkaufte Saal erklatschte sich eine Zugabe, der Auftakt zur Gastspielreihe Play, mit dem das Chamäleon den zeitgenössischen Zirkus in spannenden Varianten mit acht Produktionen in vier Wochen feiert, ist gemacht.

Auf die Compagnia Baccalá (10. – 14.01.24) folgen weitere Premieren. Neben vier Kompanien aus Deutschland präsentieren Künstlerensembles aus Australien, Finnland, Großbritannien, Italien und der Schweiz ihre Bühnenshows, mit oder ohne Worte, in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln oder bei The Receptionists des finnisches Kallo Collective in mehreren Sprachen – die außer den beiden Darstellern allerdings niemand versteht.

Bei Interesse empfehle ich einen Blick auf die Website dieses ideenreichen privat geführten Theaters, das alle Einzelheiten zur zweiten Edition der fantastischen Gastspielreihe PLAY! vom 10. Januar bis 11. Februar 2024 für Sie bereithält. Diesmal gilt es dazu noch, den 20. Geburtstages von Chamäleon gebührend zu feiern. https://chamaeleonberlin.com/de/?awc=43313_1696228106_46d44b202580d5e4bd4af4cdb4acde42&gad_source=1&gclid=Cj0KCQiAwP6sBhDAARIsAPfK_wbY0d0nBqk6ztJw7GZK0UQTl8e2wPDnRVQ9Q2PblHYuuxu5dlemHGQaAsjqEALw_wcB&gclsrc=aw.ds

Play – eine Gastspielreihe zeitgenössischer Zirkus

• Spielzeit: 10.01. – 11.02.2024
• Spieltage: Mittwoch bis Sonntag
• Beginn: 20:00 Uhr. Achtung: Die Vorstellungen am Sonntag beginnen um 18:00 Uhr

Trailer. https://www.youtube.com/watch?v=bHNTODlk4mg

Dr. Ingobert Waltenberger