Berlin/ Barocktage der Staatsoper: der RIAS Kammerchor im Pierre Boulez Saal mit „DIE WURZELN DER OPER“, 5.11.2019
Zu den „Wurzeln der Oper“ gelangt das Publikum im Pierre Boulez Saal auf kammermusikalische Weise. Soll heißen: Acht Sängerinnen und Sänger vom RIAS Kammerchor sowie ebenfalls acht Instrumentalisten/innen vom SHERIDAN ENSEMBLE machen sich nun – unter der humorvoll-engagierten Leitung von Robert Hollingworth am Cembalo – an die Ausgrabung oder Wiederaufführung alter Werke. Allerdings nicht in Gänze, sondern in Ausschnitten, sprich Appetithäppchen.
Einiges von Monteverdi und Purcell ist sicherlich bekannt. Anderes gleicht einer Entdeckung mitsamt der Tatsache, dass Claudio Monteverdi, gemeinhin als Vater der Oper bezeichnet, durchaus Vorgänger hatte. Nach neuesten Forschungen gab es bereits Schäferspiele und Madrigalkomödien, also eine Mischung aus Text, Tanz und Musik, wie die 1594 uraufgeführte „Commedia Harmonia Amfiparnaso“ von Orazio Vecchi, einem Komponisten aus Modena.
Dank der Barocktage der Staatsoper wird solches nun aus der Versenkung geholt, und freundlicherweise sind im Programmheft auch die Gesangstexte mit deutscher Übersetzung zu finden.
Nach einem Instrumentalauftakt mit Monteverdis „Sinfonia aus Musiche de alcuni eccelentissimi, Musici composte per la Maddalena“ geht es nun mit Vecchi-Ausschnitten aus L’AMFIPARNASO weiter, zunächst mit Kikeriki auf einem Gutshof und den dort Arbeitenden. Als Animateur agiert der Tenor Jörg Genslein. Im Mittelpunkt dieser Szenen steht die von mehreren Männern begehrte Isabella.
Lustig und mit Grimassen singen die Acht den ersten Teil, gefühlvoll klagt dann der chancenlose Lucio sein Leid, da Capitan Cardon bei der Schönen schließlich das Rennen macht. Das ist recht unterhaltsam und erhält auch herzlichen Beifall.
Danach ist Claudio Monteverdi an der Reihe mit Ausschnitten aus L’ORFEO, seiner ersten und wohl bekanntesten Oper. Wer aber die Aufführungen 2017 mit John Eliot Gardiner in der Philharmonie und die von 2018 in der Staatsoper Berlin erlebt hat, kann bei diesen Gegebenheiten nicht glücklich werden.
Das mag ungerecht sein, geben sich doch Stephanie Petitlaurent als Euridice und Andrew Redmond als Orfeo mit ihren Liebeserklärungen aus dem 1. Akt alle Mühe, dieses Manko auszugleichen. Schade dann, dass Hildegard Rützel nur einige Zeilen als Überbringerin der schlimmen Nachricht von Euridices Tod zu singen hat.
Mit ihrem vollen Mezzo und lebhafter Gestik macht sie die Verzweiflung dieser Unglückbotin deutlich. Andererseits wird das selten zu hörende LAMENTO aus L’ARIANNA, der erhaltene und bei Sängerinnen beliebte Rest dieser Oper, nun von zwei Damen und drei Herren gesungen.
Nach der Pause haben die Engländer das Sagen, zunächst John Blow mit dem Prolog aus „VENUS AND ADONIS“, was aber anfangs durch die verstimmte erste Geige getrübt wurde. Vor dem nächsten Stück wird nachgestimmt, und nun kann sich Sonja Starke temperamentvoll entfalten. In diesem Prolog geht es um ein Schäferspiel, bei dem natürlich Cupid (Amor) die Hand im Spiel hat. Der propagiert den Liebesvollzug im Hain.
Zuletzt noch ein Chor-Potpourri vom englischen Großmeister Henry Purcell, entnommen aus mehreren seiner Werke. Erwähnt sei das vorletzte Stückchen aus DIDO AND AENEAS, das vom Tod der Geliebten handelt. Mit hängenden Flügeln sollen alle Cupidos kommen, um sie zu betrauern. Eine berührende und überzeugend dargebotene Klage.
Zuletzt wird’s wieder flott und lustig. Nun stehen die Sängerinnen und Sänger vor dem Publikum und begleiten ihren Gesang mit Tanzschritten, Gesten und Grimassen. Stimmlich glänzt hier die Sopranistin Mi-Young Kim. Gefeiert wird der Geburtstag von König Oberon aus The Fairy Queen. Mit kräftigem Applaus, Juhu und begeistertem Getrampel feiert das Publikum dieses Fest im Nachhinein mit.
Hier noch die Aufstellung aller Beteiligten:
Sopran: Mi-Young Kim und Stephanie Petitlaurent, Alt: Hildegard Rützel und Regina Jakobi, Tenor: Jörg Genslein und Christian Mücke, Bass: Andrew Redmond und Jonathan de la Paz Zaens.
Violinen: Laura Corolla und Sonja Starke, Bratschen: Ildiko Ludwig und Mirjam Töws, Violoncello: Anna Carewe , Theorben: Björn Colell und Ophira Zakai.
Ursula Wiegand