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BERLIN / Berliner Konzerthaus: YOUNG EURO CLASSIC Angelika Prokopp Sommerakademie der Wiener Philharmoniker

19.08.2022 | Konzert/Liederabende

BERLIN / Berliner Konzerthaus YOUNG EURO CLASSIC Angelika Prokopp Sommerakademie der Wiener Philharmoniker; 18.8.2022

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© MUTESOUVENIR I Kai Bienert

Noch eine Premiere beim berühmten Berliner Orchesternachwuchsfestival: Erstmals war in Berlin die Angelika Prokopp Sommerakademie der Wiener Philharmoniker zu Gast. Es war auch der erste Auslandsauftritt der österreichischen Orchesternachwuchsschule aus Salzburg.

Die jungen Musiker und Musikerinnen aus aller Welt wurden nach Probespielen live bzw. via Stream ausgewählt. 68 haben es geschafft und zeigen nun nach einem Konzert in Eisenstadt das hörenswerte Ergebnis des Unterrichts auch in Berlin. Die Proben fanden parallel zu den Salzburger Festspielen statt. Es gibt Einzelunterricht von Mitgliedern der Wiener Philharmoniker, aber auch Unterweisungen in Kammermusik. Um praktische Erfahrungen zu sammeln, dürfen die Nachwuchstalente aktiv etwa als Instrumentalisten auf oder hinter der Bühne bei Festspiel-Opernproduktionen wie der „Zauberflöte“ mitwirken.

Eines der Ziele der Akademie ist es, Traditionen des Orchesterspiels, wie sie speziell vom Wiener Spitzenorchester etwa in Sachen Phrasierung gepflegt werden, weiterzugeben. Auch wird Wert auf die Förderung des spezifischen Orchesterklangs gelegt, der sich nicht zuletzt durch den Einsatz der Wiener Oboe, des Wiener Horns und der Wiener Pauken bestimmt. Das Repertoire liegt schwerpunktmäßig auf in Wien komponierte Musik, besonders der Wiener Klassik.

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© MUTESOUVENIR I Kai Bienert

Das spezielle Programm für die diesjährige Tournee weitet den Radius über Wien hinaus nach Böhmen/Mähren und Ungarn aus. Musik aus letzterem Land macht mit Zoltan Kodálys beschwingten „Tänzen aus Galánta” aus dem Jahr 1930 den Anfang. Kindheitserinnerungen an eine Volksmusikkapelle sollen der Auslöser für dieses Werk gewesen sein. Der tschechische Dirigent Tomáš Hanus, ausgewiesener Janacek Spezialist und seit 2016/17 Music Director der Welsh National Opera, ist dafür der richtige Mann am Pult. Er schärft die paprizierten Rhythmen, lässt die Kantilenen mit gefühlt goldrichtig gesetzten Rubati vor allem in den exzellenten Streichern blühen und vergisst auch auf den gewissen erdigen Tonfall nicht, der diesen Kunsttänzen Bodenhaftung und urwüchsige Faszination verleiht. Die klangschön aufspielende Klarinettistin wird am Ende zurecht für ihr fabelhaftes Solo vom Publikum stürmisch gefeiert.

Die „Sinfonia concertante in B-Dur op. 84 Hob.I:105 für vier Solisten und Orchester von Joseph Haydn wird bisweilen als dessen 105. Symphonie bezeichnet. In diesem fragil experimentellen Werk tritt eine Vierergruppe an Solisten dem Orchester konzertant gegenüber, nicht in Blockformation, sondern einzeln die duftigen Themen hintereinander aufgreifend und subtil weiterspinnend, bzw. spielerisch im Kreis balancierend. Das junge Quartett Robert Amadeo Sanders, Violine, Benedikt Sinko, Violoncello, Katharina Kratochwil, Oboe und Traian-Petroniu Sturza, Fagott sind voller Enthusiasmus, aber auch großem Können und präziser Tongebung bei der Sache.

Nach der Pause als Höhepunkt des Konzerts dirigiert Tomáš Hanus eine grandios idiomatisch böhmische und sehnsuchtsvoll kolorierte Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88 von Antonìn Dvořák. Das exzellent präparierte Orchester fasziniert mit atmosphärisch dichtem Farbauftrag zwischen idyllischer Pastorale, melancholischem Vogelgezwitscher, einem slawisch walzerseligen Scherzo und den von feierlichen Trompetenfanfaren, Horntrillern und Flöten begrüßten Variationen samt den klanglich süffig evozierten, triumphal in die Zielgerade rauschenden positiven Lebensgeistern am Ende des vierten Satzes. Jubel!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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