Nico Holonics, Owen Peter Read, Carina Zichner, Tilo Nest, Annika Meier, Foto Matthias Horn
Berlin/ Berliner Ensemble: „BALLROOM SCHMITZ“ , ein Theater-Sommerhit von Clemens Sienknecht und Barbara Bürk, Premiere 19.05.2017
Ständiges Lachen und Kichern an diesem sommerlichen Mai-Abend im Berliner Ensemble bei der Premiere von „Ballroom Schmitz“. Untertitel: Ein Radioclub für Weltempfänger. Gemeint sind die damaligen simplen Radios, die so hießen und ihr Publikum mit der Welt in Verbindung brachten.
Nun geht es ums Jubiläum und Comeback einer Live-Radio-Show, die vor knapp hundert Jahren – Premiere am 23. Oktober 1923 – was völlig Neues und eine Sensation war und einmal pro Woche den Ballsaal füllte. Genau hier im Theater am Schiffbauer Damm, dem heutigen Domizil des Berliner Ensembles (BE).
Clemens Sienknecht und Barbara Bürk machen jetzt eine rasante Rolle rückwärts, quasi live on air mit Text, Tanz und spritzigen Songs. Bei der Reklame für „Safety-Schnäuz“ gegen Schnupfenattacken haben sie sogleich lautstarkes Amüsement auf ihrer Seite. Mit Schwung und Witz lassen sie das Leben dieses Radio-Pioniers Revue passieren. Mit Spaß an der Freud’, Ironie und Slapstick imitieren die Schauspielerinnen und Schauspieler plus Kommentator die Mitglieder der Familie von Bernhard Schmitz, genannt Bernie Schmitz.
Was bei Opernaufführungen immer mehr verlangt wird – Gesang plus Darstellung – beherrschen die vom BE schon längst. Die können sich von Kopf bis Fuß bestens bewegen, sich verrenken (Owen Peter Read), Instrumente spielen und erstaunlich gut singen, sogar a cappella. „Über allen Wipfeln ist Ruh“, ist auch kein Tabu. Mit Schmachtaugen bringen sie Blues, und heiß rhythmisch geht’s ran an den Rock’n Roll.
Nico Holonics, Annika Meier, Tilo Nest, Friedrich Paravicini, Owen Peter Read, Werner Riemann, Clemens Sienknecht und Carina Zichner – genannt in alphabetischer Reihenfolge – machen daraus den perfekten „Theater-Sommerhit 2018“, der uns hoffentlich auch im nächsten Winter wieder bei Laune hält.
Tilo Nest am Klavier, gibt den ehemaligen Tanzlehrer und späteren Radio-Entertainer Bernhard Schmitz, der beim Aufkommen des Radios sofort seine Chance ergriff. Angeblich war er ein ungeliebter kleiner Junge, der von seiner Tante großgezogen wurde. „Do you love me?“ ist daher einer der ersten Songs, der – von der Gruppe gesungen – die Damen in kurzen Revuekleidchen (Bühne und Kostüme: Anke Grot) – sogleich zündet.
Zu hören sind zumeist die bestbekannten Hits der 1970’er und 1980’er Jahre, selbstverständlich auch das „Put the radio on.“ Schelmisch behaupten die beiden Macher, diese Songs habe Schmitz schon vorgedacht oder die Stars hätten sie ihm später gewidmet. Ein Trick, der die Aufführung knapp 2 Stunden lang am Laufen hält. Dafür sorgen auch Annika Meier als Schmitz’ Frau und Carina Zichner als kesse Tanzmaus und Tochter.
Annika Meier, Foto Matthias Horn
Thilo Nest, mit den anderen zusammen, stöhnt später den Sex-Song „Je t’aime“ ins Mikrophon, doch der Knüller wird Joe Cockers „With a little help of my friends“. Parodiert von allen werden zudem die Bewegungen der Stars, die TV-Shows und Schmitz’ Erfindung eines Taschenklaviers. Als sich Nico Holonics (in grauweißer Zottelperücke) in der Rock-Rage das Hemd öffnet, gibt’s Gekreische.
Zum ganz anderer Clou wird ein nachgestelltes Interview mit Werner Riemann als Prof. Schliemann, dem angeblichen Schmitz-Forscher. Sein stets kurzes Ja oder Nein, unterstrichen von einem kleinen Lächeln, erinnert sehr an manch heutige Expertenbefragung und erntet aufgrund dieser Komik sogleich Lachsalven. Nach dem von Schnellsprecher Nico Holonics aus lauter Songtiteln gebasteltem Rezept für Russischen Salat gibt’s erneuten Jubel.
Trotz aller Erfolge ist 1933 Schluss mit lustig. Schmitz flieht, lebt unstetig mal hier, mal dort, kann in Los Angeles nicht an seine Berliner Karriere anknüpfen, muss auch allerlei prekäre Jobs machen, um zu überleben. „I don’t wanna do your dirty work, no more”, lautet der Protest.
Irgendwo in der Südsee unter güldenen Palmen tanzt schließlich Schmitz’ Frau Annika Meier in ebenso güldener Robe, doch von ihrem Mann gehen alle Spuren verloren. Schließlich öffnet sich im BE die Tür zu einem Saal. Feingekleidete Damen und Herren (Komparsen) tanzen wieder wie einst im Ballroom Schmitz, gefolgt von heftigem, lang anhaltendem Jubel. Hingehen!
Ursula Wiegand
Weitere Vorstellungen am 23. und 31.Mai sowie am 04. und 08. Juli.