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BERLIN / Bar jeder Vernunft – WELLEN, STURM UND STEIFE BRISEN – Die Matrosen-Musik-Show. Eine Produktion vom THEATERSCHIFF HAMBURG mit Patric Dull, Andreas Langsch und Martin Ruppel

29.06.2024 | Operette/Musical

BERLIN / Bar jeder Vernunft – WELLEN, STURM UND STEIFE BRISEN – Die Matrosen-Musik-Show; 28.6.

Eine Produktion vom THEATERSCHIFF HAMBURG mit Patric Dull, Andreas Langsch und Martin Ruppel

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Andreas Langsch, Martin Ruppel, Patric Dull. Foto: Barbara Braun

Matrosen, da denkt einer sofort an mächtig geblähte Segel, unendliche Meeresweiten, Heim- und Fernweh, Abenteuer, Piraten und verlorene Seelen. Aber auch an verruchte Hafenbars, wo die Musik und diverse intimere Unterhaltungen den arg hormongeplagten Leuten von den Ozeanen Erleichterung verschaffen. Die Gedanken können aber auch an Fernsehkitsch wie zum „Traumschiff“ oder nüchterner zur harten Arbeit an Deck von Containerschiffen schweifen, wo die kecke Matrosenmützen realerweise profaneren Schutzhelmen weichen müssen.

Ahoi Matrose! Die vom Theaterschiff Hamburg geliehene Show bietet ein Fest an feinem Ensemblegesang, sehnsuchtsvollen Shantys und sinnlichen Songs, Humor, akrobatischem Tanz und pfeffrigen Steppeinlagen sowie – wie könnte es anders sein – melancholischen Ruhepunkten. Da weichen die Stürme der Gefühle und die Wogen der Leidenschaften schon mal der Reflexion über das Leben, der Trauer über Verlorenes oder der eigenen Einsamkeit.

Die Ausstattung (Antje Gebauer & Timo Zickuhr) ist praktikabel und besteht aus einem Spint, einem Fass, Alukisten für den Wechsel der Kostüme. In der Regie von Michael Frowin, der das „Stück“ auf einem Containerschiff nach Shanghai spielen lässt, waren es die drei Akteure Patric Dull, Andreas Langsch und Martin Ruppel, die durch fantastischen Gesang, schauspielerische Prägnanz, fetzigem Temperament und einer wohl ausbalancierten Ensembleleistung den Abend trugen.

Es handelt sich bei „Wellen, Sturm und steife Brisen“ um eine eher lose Aneinanderreihung von abwechslungsreichen Nummern, Songs im Original oder frechen (bisweilen gewöhnungsbedürftigen) Nachdichtungen, unterbrochen durch kurze knackige Dialoge. Das von der Bar jeder Vernunft gewohnte prickelnde Spiel um Erotik, um Sehnsüchte oder beißende Ironie war kaum je lustvoller und glückbringender zu erleben als bei diesem Gastspiel.

Das Publikum frohlockte über grüne Gummihaifische und süße Schleckmuscheln, hielt beim virtuos alle Zeit still stehenlassenden Tango zu Akkordeonklänge den Atem an oder klatschte beim „Seemann-Medley“ den Takt.

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Patric Dull, Andreas Lansch, Martin Ruppel. Foto: Barbara Braun

Ganz unterschiedlich und alle charismatisch präsent sind sie, die drei Stars der Produktion:

Martin Ruppel, der quirlige Tänzer und forsche Charmeur ist das energetische Zentrum der Show. Dieser akrobatische Perfektionist wirft die Beine – wie Ute Lemper so lang – dermaßen hoch, dass selbst die sensationellen Damen im Pariser „Crazy Horse“ ihn darum beneiden könnten.

Andreas Langsch, der elegante Beau mit der edlen Stimme, Stepptänzer mit Zund, ist nebstbei noch Songwriter und Pianist. Er ist der Ruhepol der Show, lichtvoll im Ausdruck, der Strahlemann des Trios.

Patrick Dull gibt den raubeinigen Sentimentalen, den bärtigen Macho mit dem weichen Kern, den verträumten Sailor mit der kurzen Wutlunte. Sein einschmeichelnd timbrierter Tenor ist im Musical wie im Operettenfach gefragt, den Camille de Rosillon in „Die Lustige Witwe“ hat er genauso darauf wie den Jean-Michel in „La cage aux folles“.

Alle drei boten mitreißende Showacts, mich begeisterten besonders das perfekte Timing, die Präzision der Wiedergaben, die mich an penibelst geprobte Shows am New Yorker Broadway erinnerten, und last but not least, die Qualität der Stimmen, die besonders bei Terzetten zu einem irisierenden Mischklang führten.

Bei „Uptown Funk“ riss es das Publikum von den Sitzen, Mittanzen ausdrücklich erwünscht. „Wellerman“, vom schottischen Postboten Nathan Evans zum Hit gemacht, oder „Beyond the Sea“ ließen das Bar-Zelt wogen wie ein Schiff bei hohem Seegang. Jetzt ist in Berlin einmal Schluss.

Alle drei werden die am 31. März 2023 im Theaterschiff Hamburg uraufgeführte Show aber in Hamburg, wo Matrosen eher zu Hause sind oder ihren Landgang pflegen wie am Müggelsee, weiterspielen.

Liedliste

  • Sittin‘ on the dock of the bay (Otis Redding)
  • Eine Reise (Jacob Vetter/Roger Cicero/Roland Spremberg /Tobias Roeger)
  • Hotel Normandie (Didier Barbelivien /Francois Feldman/Nachdichtung: Axel Pätz)
  • Strong enough/Stramm genuch (Mark Philip Taylor/Paul Michael Barry/Spezialtext: Ina Müller)
  • Noch ist nicht aller Tage Abend (Vladimir Vissotzki/Nachdichtung: Axel Pätz)
  • If you could read my mind/Flasch (Gordon Lightfoot /Spezialtext: Gerburg Jahnke)
  • Sonnencremeküsse (Daniel Dickopf)
  • Youkali (Kurt Weill)
  • Wir sind süß aber doof (Günter Neumann/Rudolf Nelson)
  • Sex Bomb (Mousse T./Spezialtext: Frowin)
  • Beyond the sea (Albert Lasry/Charles Trenet/Jack Lawrence)
  • Uptown Funk (Mark Ronson)
  • Tanz mit mir (Haifischbarpolka) (Anna Depenbusch)
  • Das kleine Küken (am Meer) (Massimiliano Moroldo/Bruno Benvenuti/Pedro Alberto Farias Gomez/Spezialtext: Frowin)
  • Amsterdam (Jacques Brel/Nachdichtung: Klaus Hoffmann)
  • Love for Sale (Cole Porter)
  • Er war gerade 18 Jahr/Ich war gerade 18 Jahr (Pascal Auriat/Pascal Sevran/Serge Lebrail/Spezialtext: Frowin)
  • Seemann-Medley: Auch Matrosen haben eine Heimat/Pack die Badehose ein/Durch Berlin fließt immer noch die Spree/Ich hab so Heimweh nach dem Kurfürstendamm/Ich hab noch einen Koffer in Berlin/Nach meene Beene is ja janz Berlin verrückt/Das ist die Berliner Luft/Das Herz von St. Pauli/Warum zählen die Matrosen nachts die Sterne/Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh’n/Ich bin ein Junge von Piräus/Wenn Matrosen aus Piräus tanzen gehen/So schön kann doch kein Mann sein/Das ist die Liebe der Matrosen/ Itsy-Bitsy-Teenie-Weenie-Honolulu-Strandbikini/ Ich will ’nen Cowboy als Mann/Er hat ein knallrotes Gummiboot/Eine Seefahrt die ist lustig/Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern/Auf der Reeperbahn nachts um halb eins)
  • Wellerman (Nathan Evans)
  • Girls Girls Girls/Boys Boys Boys (Jerry Leiber/Mike Stoller)

Fotos: copyright Barbara Braun

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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