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BEATE RITTER: „Ganz oben ist meine Wohlfühl-Lage!“

02.04.2014 | Sänger

Volksoper Plakat Zauberfloete Ritter 2~1

Gespräch mit BEATE RITTER

„Ganz oben ist mein Wohlfühl-Lage!“

Wer nicht in Premieren die Aufmerksamkeit auf sich zieht, läuft Gefahr, im Verborgenen zu blühen. Aber es gibt auch eine Art von „stiller Post“ unter Opernfreunden, und die flüstert derzeit, dass die Volksoper mit Beate Ritter eine ungewöhnlich gute „Königin der Nacht“ hat. Ein Gerücht, das sich beim Lokalaugenschein auf das glanzvollste bestätigt hat. Also bat Renate Wagner Beate Ritter zum Gespräch

Frau Ritter, ich habe kürzlich Ihre Königin der Nacht in der Volksoper gesehen, und gerade, weil ich wirklich Dutzende von „Königinnen“ gehört habe, war ich besonders beeindruckt – von der Klarheit und Sicherheit Ihrer Koloraturen, von Ihrem gänzlich furchtlosen Erklimmen der höchsten Höhen, eine Leistung ohne Abstriche. Wann weiß man eigentlich, dass man diese mörderische Partie singen kann?

Ich hatte vor der Königin der Nacht immer den allerhöchsten Respekt, und mein Lehrer Kai Wessel hat stets gepredigt, vorsichtig mit der Stimme umzugehen. Aber als es ein Vorsingen für die Rolle in St. Gallen gab, meinte er, das sei ein gutes Haus, um so etwas Spezielles auszuprobieren. Wichtig ist nur, mit „meiner Stimme“ zu singen und nicht zu versuchen, einem Klangbild zu entsprechen, das meine Stimme einfach nicht hat. Also fuhr ich hin, bekam die Rolle und habe sie seither auch schon mehrfach an der Komischen Oper in Berlin gesungen. Und natürlich jetzt an der Volksoper, meinem Stammhaus. Und was die höchsten Höhen betrifft, das ist bei der Königin ein f’’’ (aber ich habe auch ein hohes G) – und ich habe mich glücklicherweise noch nie davor gefürchtet, ob es im Ernstfall auch kommen würde, da ich nach oben hin noch ein paar Töne mehr hätte… Das ist ein gutes Gefühl. Ich habe immer gern eine Terz in Reserve.

Sie waren Ende 20, als sie Ihre erste Königin gesungen haben. Hat Sie das in Ihrer Karriere weiter gebracht?

Ich denke schon, dass das ein wichtiger Schritt war… Vor allem, weil ich mich damit so gut gefühlt habe. Als ich einmal von einer Vorstellung als Königin in St.Gallen nach Wien zurückkam, habe ich am nächsten Tag in der Volksoper die Papagena gesungen, die damals noch „meine“ Rolle am Haus war. Das war schon ein seltsames Gefühl, fast ein bisschen wie eine Persönlichkeitsspaltung. Aber man kümmert sich in der Volksoper um seine Leute, und so man hat mich immer wieder gefragt, wie es mir mit der Königin ginge – und eines Tages durfte ich sie singen, sogar noch ein paar Monate früher als ursprünglich geplant, weil es immer an Königinnen mangelt. Die Aufführung neulich war für mich übrigens besonders aufregend, denn da hat Birgid Steinberger, bei der ich Lied und Oratorium studiert habe, die Pamina gesungen – ich als „Mutter“ meiner ehemaligen Professorin, da war ich schon nervös. Aber sie war sehr lieb und hat mir nachher gratuliert.

Beate Ritter, Koenigin der Nacht

Es heißt, Sie wollten ursprünglich Musical-Sängerin werden – aber man hat Sie in der Volksoper noch in keinem Musical gesehen?

Die Musical-Idee stand am Anfang meiner Wünsche und auch meiner Ausbildung, aber heute bin ich froh darüber, dass ich mich für die Klassik entschieden habe, weil es der Schritt in die richtige Richtung war. Jetzt bin ich Opernsängerin und will auch als solche gelten. Ich habe beim Festival in Steyr 2003 in einer Mini-Rolle in „Evita“ erstmals den Fuß auf eine Bühne gesetzt, 2013 war ich dann am gleichen Ort die Evita selbst und habe beschlossen, das war’s jetzt mit dem Musical. Nach Steyr gehe ich diesen Sommer zwar wieder, aber als Adele in der „Fledermaus“, die ich sehr liebe und die meinen stimmlichen Bedürfnissen jetzt auch entspricht – außerdem ist die Rolle einfach ein Spaß… perfekt für den Sommer also.

Sie haben kleine Rollen im Theater an der Wien gesungen und wurden an der Volksoper 2010 sozusagen auf Anhieb Ensemblemitglied mit Ihrem Debut als Blondchen. Muss man als junge Sängerin nicht darauf achten, dass man nicht zu lange an einem Haus bleibt? Aber Sie haben Ihren Vertrag bis 2016 verlängert.

Das hat viele Gründe, auch private – mein Partner ist glücklicherweise auch Musiker, er sitzt am Schlagwerk – , dass ich gerne meinen festen Wohnsitz in Wien und ein Zuhause in der Volksoper haben möchte. Das geht allerdings nur, weil man hier im Betriebsbüro sehr großzügig ist, Sänger „loszulassen“ und ihnen – wenn es irgendwie machbar ist – bei Gastspielen nicht im Weg zu stehen. Wenn es nicht so wäre, müsste ich mir möglicherweise überlegen, etwas zu ändern. Doch da ich nächste Saison in Dallas meine erste Susanna singen werde, die Königin auch in Leipzig und vor allem als Fiakermilli in Köln gastiere – um das möglich zu machen, musste man schon viel Verständnis haben, denn sie mussten mich sowohl aus der „Cosi fan tutte“ sowie der „Pariser Leben“- Premiere herausnehmen, was ein großer Aufwand ist für das Haus – und für mich selbst auch ein Opfer… Aber die Fiakermilli ist mir als eine Art Vorstufe zur Zerbinetta, die ich unbedingt in der Zukunft singen will, so wichtig, dass ich dies beschlossen habe und dafür in Kauf nehme, dass es nächste Saison dann keine neue Rolle für mich in Wien gibt. Ich warte auf andere schöne Partien, die für mich an der VOP kommen, welche, die meinem Fach entsprechen, z.B. die Olympia im nächsten Volksopern-Hoffmann… Und je höher, desto lieber übrigens: Die hohe Lage ist für mich und meine Stimme die Wohlfühl-Lage.

Noch einmal: die Königin der Nacht und die Zerbinetta, die Sie mit Ihren Voraussetzungen vermutlich ebenso fulminant singen werden, sind Rollen, mit denen man flächendeckend eine internationale Karriere aufbauen könnte. Denken Sie gar nicht daran?

Natürlich denke ich hie und da darüber nach… Doch ich möchte die richtige Balance zwischen Karriere und Privatleben finden. Ich bin in einer oberösterreichischen Kleinstadt aufgewachsen, in einer Familie, wo ich unglaublich glücklich und beschützt war, und ich möchte mir dieses Gefühl erhalten – ich könnte mir ein ständiges (denn bis zu einem gewissen Grad führe ich so ein Leben ja jetzt schon…) Vagabundenleben von Stadt zu Stadt gar nicht vorstellen, wo man nur Engagements nachjagt, hauptsächlich in fremden Wohnungen oder Hotelzimmern wohnt, Geld zählt und kaum noch Sinn dafür hat, was im Leben außer dem Beruf noch Freude macht (sowohl in der Arbeit wie privat). Darum ist mein Ziel, so lange an der Volksoper zu bleiben, wie es sich mit interessanten Projekten anderswohin vereinbaren lässt. Irgendwann wird meine Reise- und Abenteuerlust vielleicht gestillt sein und ich werde glücklich sein, meine gute Stelle in Wien nicht aufgegeben zu haben, weil es mir ja in erster Linie darum geht, meinen Traumberuf auf einem guten Niveau ausführen zu können. Man muss auch realistisch sein: Man sieht ja an Kollegen, dass die Situation in der Branche immer härter wird, niemand garantiert, dass man „frei schaffend“ auch genug Arbeit bekommt. Selbst ich habe erlebt, dass ich feste Abmachungen getroffen hatte – und zweimal wurde die fragliche Produktion einfach abgesagt. Ich habe zwar gute Nerven, aber die beziehen sich in erster Linie auf schwierige Partien…

Bevor ich frage, ob Mozart Ihr wichtigster Komponist ist, nur eine Frage: Sie haben als Blondchen in jener seltsamen Volksopern-Inszenierung von Helen Malkowsky gespielt, in der Osmin am Ende mit dem blutigen Gewand der beiden Paare auf die Bühne kommt, die Bassa Selim schließlich in die Freiheit entlassen hat. Können Sie uns das erklären?

Ja, so wie man es uns erklärt hat: Dass Osmin den Ausspruch des Bassa, wen man durch Wohltun nicht für sich gewinnen kann, den müsse man sich vom Halse schaffen, einfach schrecklich missverstanden und als Hinrichtungsbefehl genommen hat. Ich weiß noch, dass „mein“ Osmin, Gregory Frank, vollkommen unglücklich war mit dem, was er da spielen musste – weil ja zwischen ihm und mir als Blondchen eine echte Beziehung aufgebaut war, und dann soll er sie umbringen? Er hatte wirklich seine Probleme damit… ich selbst habe davon wenig mitbekommen, ich war schon abgegangen und habe mir immer vorgestellt, wir schippern jetzt in die Freiheit.

Wie wichtig ist Mozart für Sie?

Ich habe, wie gesagt, die Königin der Nacht nun schon an mehreren Häusern gesungen, sie wird bleiben, während ich die Papagena hinter mir gelassen habe, so lustig sie auch zu spielen war. Das Blondchen habe ich außer in Wien auch schon in Rom – das war eine klassische Aufführung mit wunderschönen Kostümen! – sowie in Nantes und Angers gesungen, und in Dallas kommt, wie gesagt, meine erste Susanna. Aber ich möchte auch andere Komponisten verinnerlichen, mich musikalisch in andere Epochen und Stile einarbeiten… Mozart wird mich bestimmt weiterhin begleiten, und das möchte ich auch nicht missen. Strauss reizt mich sehr, nicht nur die Koloraturenpartien, etwa auch eines Tages die Sophie. Ich habe in der Volksoper auch schon die Rossini’sche Rosina gesungen, die ich geliebt habe, ich hätte daher gerne noch mehr Vorbereitungszeit und Proben gehabt, um die Partie noch mehr in die Stimme und den Körper zu bekommen… Man hat mir die Anna Reich in den „Lustigen Weibern“ und auch Operettenrollen gegeben. Es gibt viele Möglichkeiten. Auch Oratorium zu singen, ist immer wieder eine Bereicherung, wie im Moment die Arbeit an der „Matthäus Passion“… Man muss zurück zur „puren Technik“, ohne „Unarten“ – Bach verzeiht nichts.

Es gab unter den Königinnen der Nacht drei weltberühmte, die völlig verschiedene Wege eingeschlagen haben: Lucia Popp brachte es bis zur Eva in den „Meistersingern“, Edita Gruberova singt das dramatische Belcanto-Fach, Diana Damrau ist Traviata geworden. Woran denken Sie in der Zukunft?

Natürlich wäre die Traviata eine Traumrolle, aber man weiß nicht, ob sich die Stimme dorthin entwickelt. Übrigens habe ich mir jede der genannten Sängerinnen viel und oft angehört, weil ich meine Rollen nicht nur singen, sondern auch reflektieren möchte und man sehr viel lernt, wenn man großen Sängern zuhört. Lucia Popp verehre ich regelrecht, leider habe ich sie nicht mehr live erlebt, die Gruberova zaubert mit ihrer Stimme und Technik unglaubliche Virtuosität, und die Damrau hat eine so einwandfreie Technik und Energie, dass man sie nur bewundern kann. Aber irgendwie ist „die Callas“ immer noch meine Favoritin, weil sie mir einfach so sehr ans Herz geht.

Große Vorbilder. Strebt man nicht auch an große Häuser, wobei die Wiener Staatsoper ja so nahe läge und Sie im Kinderopern-Zelt ja einiges singen durften, im Kinder-„Ring“ etwa die Rolle von Daniela Fally. Hofft man da nicht auf ein Engagement?

Ich kann nur sagen, es hat sich vorerst nichts Konkretes getan. Aber die Zusammenarbeit war eine durchwegs positive, und ich hoffe, es ergibt sich in Zukunft noch etwas, natürlich…! Es ist die Staatsoper, und ich träume davon, auf dieser wunderbaren Bühne stehen zu können, in einer schönen Rolle, in der ich zeigen kann, was ich kann. Was ich aber vermeiden möchte ist bestimmten Häusern oder Rollen nachzulaufen… Solche Dinge kommen oder kommen nicht. Und meistens, wenn man sie am wenigsten erwartet. Also versuche ich nicht allzu viel darüber nachzudenken. Ich bin zufrieden, wenn sich meine Stimme und meine Karriere kontinuierlich entwickeln – ich bin froh, dass im Moment alles ist, wie es ist, und freue mich sehr auf die Bühnen und Partien, die mich in der näheren Zukunft erwarten.

 

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