Bayreuth: „KINDER-PARSIFAL“ Besuchte Aufführung am 01.08.2023
Eine vergnügliche Reise…
Andreas Hörl, Jonathen Stoughton. Foto: Enr4ico Nawrath/Bayreuther Festspiele
der besonderen Art zum Einen: Nach über sieben Jahrzehnten seit Bestehen der neuen Bayreuther Festspiele, dem weltweiteinzigartigsten in seiner Art und dem Komponisten Richard Wagner gewidmet. Leider ist es der DB im mittlerweile 21. Jahrhundert immer noch nicht gelungen, eine direkte schnelle IC/ICE-Verbindung zur Universitäts-Stadt Bayreuth einzurichten, um evtl. auch deren „provinziellen“ Charme zu erhalten? Ab Nürnberg fährt noch immer nur der zweiteilige RE und wurde nun <ohne Ansage> irgendwo im Gelände geteilt und wir fuhren munter der tschechischen Grenze zu, als wir das Malheur bemerken blieb nur der Ausstieg an der nächsten Milchkannen-Station, zur Wagner-Textur der Irrnis und der Leiden Pfade erreichten wir nach über zwei Stunden Verspätung endlich den „Gral“ die Örtlichkeit unserer musikalischen Begierden. Zum Anderen bewog uns die Reise zu diesem Event des am Nationaltheater Mannheim gefeierten Erik, Parsifal, Siegmund, Siegfried etc. dem Heldentenor Jonathan Stoughton sowie die hervorragende Resonanz bei Publikum und Presse der Kinder-Opern während der letzten Jahre, galt es doch schließlich das Interesse des Publikums von morgen zu wecken. Nun den Ort des Geschehens die Probebühne 4 zu finden, erwies sich als nächste, leider ohne jegliche Beschilderung, dennoch bewältigten Hürde. Da standen wir nun im strömenden Regen, reihten uns brav in die Schlange und wurden endlich 30 Minuten vor Beginn hinter den Zaun gelassen. Meine gute Laune sank, der Pegel meines Unmutes stieg, ein freundlicher Mitarbeiter fragte ob wir zwei „Rollatoren“ mit den Eingangsstufen Probleme hätten, na klar die Antwort und wurden prompt zum ebenerdigen Eingang hinter der Bühnenpforte (ach ja, dort standen wir schon dereinst Autogramme erheischend), gelangten am einstimmenden Orchester vorbei in das ansteigende Amphitheater, verstauten Rollis und triefende Anoraks in der Künstlergasse und nahmen auf der dritten Stufe Platz. Da saßen sie nun die drei alten Knaben als Repräsentanten des eigentlichen vorjugendlichen Publikums, schöpften Atem, gedachten der unbequemen Lehnen im Festspielhaus gegenüber, saßen hier „ohne“ freischwebend und die Bandscheiben sangen im Chor von schwerer Schmerzenspein. Der Rest des Publikums wurde 15 Minuten vor Beginn eingelassen und das Spiel konnte beginnen!
Ruth Asralda führte Regie, Linda Tiebel schuf das Bühnenbild, die Vorderseite einer Burg, im Burggraben (ein blaues gerafftes Tuch) schwamm zum Entzücken der „Großen“ eine batteriebetriebene Ente sowie Giulia Fornasier übernahm die Dramaturgie, das vorzügliche Damentrio gestaltete liebevoll mit viel Phantasie die kindergerechte, bezaubernde, 80minütige Kurzweil ohne je kindisch anzumuten. Elf junge Nachwuchs-Künstler*innen kreierten die schönen bunten Kostüme. Gurnemanz (Andreas Hörl) schnarchte auf dem Rand des Ziehbrunnens umgeben von Plastikblüten, weckte mit mächtigem Bass auf, auf ihr Knaben die Knappen, nahm von der Sprechrolle der reizenden Heilerin Irmgard Seemann den heilenden Balsam (im aufwendig gestalteten Programm als Rezeptur einer Basilikum-Soße deklariert) entgegen. Geräuschvoll wurden Wassereimer in die Zinkwanne geschüttet, mit markerschütterndem Schmerzensschrei nahm Amfortas inmitten blauer und weißer Tennisbälle Platz, der klangschöne Bassbariton Olafur Sigurdarson sang von dessen Leiden, urplötzlich erschreckt vom herabstürzenden Mini-Schwan aus luftiger Höh´ der Beleuchterbrücke. Die Entrüstung groß, Parsifal erschien als Robin Hood und strahlend hell ließ Jonathan Stoughton seinen herrlichen Tenor erklingen. Die quietschende Zugbrücke wurde herunter gelassen, zum Glocken- und Kesselpaukenklang begab man sich zum kurzen Ritual, mein Sohn Amfortas forderte bassgewaltig viril Titurel (Jens-Erik Aasbö) zur Gralsenthüllung. Man bejammerte den Verlust des heiligen Speeres, vom bösen Zauberer Klingsor, seiner Assistentin der Hexe Kundry und Parsifal der „reine Tor“ bekundete spontan Abhilfe zur Wiederbeschaffung des Reliquies, erhielt zum Abschied den Rat Soll der Gral Kraft dir schenken, lasse dich nicht ablenken.
Im rechten Oberstübchen der Burg residierte nun das böse Paar, die Zeit ist da bekundete mit kräftigem Volumen und bester Vokalise Werner van Mechelen (Klingsor), vier Blumenmädchen (Julia Grüter, Sonja Isabel Reuter, Margaret Plummer, Marie Henriette Reinhold) gurrten um die Gunst des reinenToren, warnende Rufe aus dem Publikum lasse dich nicht ablenken. Kundry mit mächtigem Organ (Nadine Weissmann) schritt energisch resolut zur Tat, der Held lag nach dem Kuss erst mal flach, erinnerte sich jedoch rasch Amfortas die Wunde seiner Mission. Zu kurzen Duettpassagen schwebte der Speer am Seil herab und Parsifal empfahl sich mit den Worten Ihr wisst wo ihr mich wiederfinden könnt.
Zum Leid uns Wagnerianern erklangen die Parts der ausgezeichneten Sänger*innen stark gekürzt um verständlicherweise das junge Publikum nicht zu überfordern, bot jedoch Wagner-Gegnern die Bestätigung ihrer Vorbehalte. Wie auch sei in bester Disposition, musizierte das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt/Oder, präsentierte unter sensibler Stabführung von Azis Sadikovic die Leitmotive in bestechender Klangfülle und hohem musikalischen Niveau.
Wer nahet dort dem heiligen Quell ließ Gurnemanz vernehmen, die Wiedersehensfreude mit Parsifal und dem Präsent war groß, zu den herrlichen orchestralen Motiven wandelte man in die Burg, das Wehklagen Amfortas wurde unterbrochen vom tenoralen Silberstrahl Nur eine Waffe taugt, alle fielen sich in die Arme, die Reuigen Kundry und Klingsor wurden in der Gemeinschaft wohlgesonnen integriert, es herrschte eitel Sonnenschein und Freude im Regen der Flittersternchen.
Wie gebannt und fasziniert lauschten die Kleinen, die Großen unterhielten sich teils ungeniert (wie anderswo auch) waren ihren Sprösslingen keine guten Vorbilder und feierten die akustisch wie szenisch wunderschöne Produktion sowie alle Beteiligten mit lautstarker frenetischer Begeisterung. Bravo! Das lobenswerte Projekt, die genialen Ideen sollte mit weiteren Werken Wiederholungen finden.
Gerhard Hoffmann