Bayreuther Festspiele: Tannhäuser, 8.8.2022 – Erste Vorstellung der Serie
Stephen Gould, Ekaterina Gubanova. Foto: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath
Der Tannhäuser läuft heuer zum 3.Mal in der Produktion Axel Kober (Musik. Leitung) /Tobias Kratzer (Inszenierung). Kratzer hat seine sehr positiv aufgenommene Regiearbeit etwas aufgefrischt und präzisiert, und auch einige Details weggelassen. Natürlich ist die Idee, sich ganz vom Mittelalter abzuwenden, geblieben, mit Ausnahme des 2.Akts, in dem der Wartburg-Sängersaal selbst zu ‚Austragungsort‘ wird, aber meist überspielt mit ironisch zu bewertenden backstage Live-Videos. Kratzers Interpretation hat aber auch ihre Brüche. In dem Vorspann mit der Venusberg-Episode sind Tannhäuser und Venus als Clowns mit der Drag Queen Le Gateau Chocolat und dem kleinwüchsigen Oskar on the Road und bezahlen in einer Tankstelle ihre Benzinrechnung nicht. Als sich ihnen ein Polizist in den Weg stellt, brettern sie einfach los und überfahren ihn, und man sieht ihn da noch länger in seinem Blut liegen. Das erscheint mir als ein Vorgriff auf den ersten ‚Sündenfall‘ im Rheingold, wo Fafner Fasolt erschlägt. Was will uns Kratzer im Tannhäuser damit sagen? Möchte er eine RAF Analogie zu den 70er Jahren ziehen? Aber hier geht es ja gar nicht um Geld(beschaffung) und damit in Kauf genommener Personentötung. Natürlich übertritt diese Truppe auch weiterhin Gesetze, z.B bei der witzigen (diesmal von Katharina Wagner nicht gemeldeten) Festspielhaus-Kaperung. Das hat ja auch etwas von Anarchismus, immer untermauert mit dem Wagner Spruch „Frei im Lieben, frei im Genießen…“ Am Ende liegt aber Elisabeth im blutgetränkten Kleid da. Hat sie sich im Wohnwagen selbst die Messerstiche zugefügt? Ein wenig kommt auch eine Eifersucht zwischen Wolfram und Tannhäuser auf, wenn letzterer ihm in sein Buch zerfleddert. Aber die kurze Schlußaussage, in der Tannhäuser im Video jetzt mit Elisabeth im Bus davon fährt, ist wohl eher als ein nicht so ernst zu nehmender Coup gedacht.
Das Festspielorchester und Axel Kober haben einen glänzenden Tag. Äußerst brillant und exaltiert kommen die im 1.Akt exponierten und im dritten wieder aufgenommenen Klangeruptionen zu Gehör und auch mit einer rhythmischen Akkuratesse, die sich gewaschen hat. Die Pilgerchöre ergeben sozusagen die diatonische und Sünden getränkte Gegenbewegung dazu. Einzelne Stimmgruppen besonders hervorzuheben hieße Eulen nach Athen zu tragen. Sie machten es alle sehr gut und dabei intensiv einfühlsam.
Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele
Der 2.Akt beginnt in medias res mit der blendenden Hallenarie, die sich dann aber im leicht düsteren Dialog mit Tannhäuser etwas verliert. Ähnlich wie bei dem Chor ‚Einzug der Gäste‘, der sehr brillant dargeboten wird. In den sich anschließenden langen Passagen des Sängerkriegs verdämmerte es dann auch hier zusehens/-hörens, da die vielfältigen Männerchor-Stimmlinien nicht mehr plastisch durchhörbar waren und sich erst beim Schlußsignal des Schwert-Chors wieder steigerten.
Die Edelknaben waren mit Cornelia Heil, Ekaterina Gubanova, die als Venus inter pares ein wenig tollpatschig wie der Cherubino beim Ständchen der Bauernmädchen in Nozze di Figaro wirkte, Laura Margaret Smith und Karolin Zeinert besetzt. Der Oskar des Manni Laudenbach erlangt wie auch Le Gateau Chocolat durch sein eindringliches Spiel Aufmerksamkeit. Den jungen Hirte sang schönstimmig und mit ganz eigener musikalischer Interpretation und Fahrrad Tuuli Takala. Ekaterina Gubanova war die tanz- und bewegungsfreudigste Darstellerin, gerierte sich ganz als ausgeflippte verliebte Venus. Ihre Stimme ist aber eher nicht groß, sie wirkt manchmal geradezu verhalten und mit einigem Vibrato. Lise Davidsen kann dagegen mit verschiedenen Nuancen ihres Timbres von gerundet und glasklar bis gurrend aufwarten und mit der großen Strahlkraft ihres Soprans erfreuen. Reinmar von Zweter ist Jens-Eric Aasbö, Heinrich der Schreiber Jorge Rodriguez-Norton, Biterolf der Schwarzbaß Olafur Sigurdarson, und der Walter Attilio Glaser. Mit einem fast ausgepicht zu bezeichnenden Timbre ist der Wolfram des Markus Eiche unterwegs, so kostet er auch die letzten Phrasenenden weidlich aus. Steven Gould erscheint wieder in bester Laune für seine Titelgestalt. Was ihm vielleicht an schönem Timbre abgeht, kompensiert er mit einem tollen Ausdruck und legt eine spannend abgetönte Romerzählung hin. Albert Dohmen ist ein sehr zu goutierender Landgraf mit edlem, fast süffigem Baß.
Friedeon Rosén