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BAYREUTH/ Markgräfliches Opernhaus: AN ALLEM IST HÜTCHEN SCHULD! von Siegfried Wagner

20.08.2019 | Oper

Hütchen (rechts). Foto: Martin Modes / Internationale Siegfried Wagner Gesellschaft

BAYREUTH: AN ALLEM IST HÜTCHEN SCHULD! am 10. August 2019

Es wurde nun endlich auch einmal Zeit, dass während der Bayreuther Festspiele eine Oper des Sohnes von Richard Wagner, Siegfried Wagner, aufgeführt wurde, zumal wir in diesem Jahre auch seinen 150. Geburtstag feiern. Zum Thema der drei runden Wagner-Geburtsrage in diesem Jahr habe ich auch einen längeren Artikel aus Anlass eines Symposiums des Berliner Richard Wagner Verbandes verfasst (https://www.klaus-billand.com/deutsch/betrachtungen/ berlin-richard-wagner-verband-symposium-drei-generationen-ein-ziel-november-2018.html.

Seit Jahren gibt es die Internationale Siegfried Wagner Gesellschaft unter der Leitung von Prof. Dr. Peter P. Pachl, auch Generaldirektor des pianopianissimo-musiktheaters. Er war die „treibende Kraft“ hinter den zwei Aufführungen von Siegfried Wagners „An Allem ist Hütchen schuld!“ in Bayreuth während dieser Festspiele. Pachl, der bereits sieben Siegfried Wagner Opern inszeniert hat und bei weiteren sieben als Dramaturg tätig war, führte selbst Regie in den Bühnenbildern von Robert Pflanz, mit den Kostümen des Modedesigners Christian Bruns und Filmeinlagen von Sebastian Rausch, der darüber bisweilen etwas in Rausch geraten zu sein schien, aber dazu gleich. Dramaturgische Assistenz gab der 3D-Künstler Achim Bahr, der auch (Ko-)Kurator der alljährlichen Siegfried Wagner Ausstellungen in Bayreuth ist. Der englische Dirigent David Robert Coleman hatte die musikalische Leitung des Karlsbader Symphonie Orchesters und des Philharmonischen Chores Nürnberg. Dass die Aufführungen im herrlich renovierten barocken Markgräflichen Opernhaus Bayreuth stattfanden, mit seinem italienischen spätbarocken Innen-Dekor, gab dem Ganzen noch eine besondere Note.


Hexe und Teufel. Foto: Martin Modes / Internationale Siegfried Wagner Gesellschaft

Siegfried Wagner kam mit „An Allem ist Hütchen Schuld“ 1917 heraus, und es ist eine der drei Opern, die von seinen 17 Bühnenwerken auf Märchenstoffe zurückgreifen. Das Stück besteht aus drei Akten. 1. Akt: Frieder und die Haus Magd Katherlies’chen lieben sich und wollen heiraten. Die Mutter Frieders will aber, dass ihr Sohn die reiche, aber hässliche Trude heiratet. Es kommt zu Spannungen zwischen den beiden Frauen mit dem Ergebnis, dass eine Flucht Frieders mit Katherlies’chen vereitelt und beiden verboten wird, künftig gemeinsame Wege zu gehen. 2. Akt: Dieser ist ein Potpourri verschiedener Märchen und handelt von unabhängigen Episoden beider Liebenden auf deren Basis. So raten Sonne, Mond und Stern beiden, wie es weiter geht, der Teufel kommt ins Spiel, Prüfungen müssen ähnlich wie bei Pamina und Tamino in der „Zauberflöte“ absolviert werden, um Antworten auf drei erlösende Fragen von Trude zu erlangen. Dabei erkennen die beiden sich zweimal nicht. Sie können aber am Ende mit allerhand Zauberei die Fragen lösen. 3. Akt: Wieder heimgekehrt, findet Frieder die Antworten nicht mehr und befürchtet, nun doch die „schieche“ Trude heiraten zu müssen. Doch Katherlies’chen kann sie unter Hergabe eines goldenen Sternenkleides überlisten, eine Nacht bei Frieder zu weilen. Trude versucht daraufhin beide zu verhexen, wogegen Katherlies’chen aber immun ist. Bei Frieder gelingt es ihr jedoch. Mit Frieders Flöte („Zauberflöte“!) vertreibt Katherlies’chen Trude und gibt mit einer Salbe Frieder das Augenlicht zurück. Es wird ein großes Fest angesetzt, wobei den Nachbarn egal ist, wer heiratet, Hauptsache ein Fest! Alle geraten sich in die Haare, bis eine Märchenfrau verrät, dass an dem ganzen Wirrwarr der Kobold Hütchen schuld sei, der sich aber enttarnen lasse. Das gelingt auch, aber er flüchtet und rächt sich, indem er das Haus zum Einsturz bringt, wobei alle bis auf Frieder und Katherlies’chen umkommen. Mit der Salbe erweckt Katherlies’chen die Toten zum Leben und alle schwören sich, künftig gut zu sein…

Das Vorspiel beginnt mit lyrischer Linienführung und spätromantischen Klangfarben, dass man meint, man sei musikalisch ins 19. Jahrhundert versetzt. Im Prinzip ist diese herrscht diese Klangästhetik auch den ganzen Abend über vor, wenn auch hier und da Szenen eher musikalisch kommentiert werden und schnellere Tempi Platz greifen. Fast nie aber steht die Musik im Vordergrund sondern verbindet sich eng mit dem Geschehen auf der Bühne, nicht zuletzt wohl auch unter dem Einfluss von Siegfrieds Vater. David Coleman kann hier überzeugend das Beste aus Siegfried Wagners Musik vermitteln.

Szenisch beginnt es erst einmal recht gewöhnungsbedürftig, um es dezent auszudrücken. Katherlies’chen als (natürlich in der Rangordnung unten stehende) Magd des Hauses wird verachtet, nach einem vermeintlichen Diebstahl malträtiert und gar mit Füßen getreten. Den Höhepunkt in diesem Zusammenhang bildet aber ein regelrechtes „Gang Banging“, denn etwa sechs Männer nehmen sich einer nach dem anderen wie selbstverständlich das Recht heraus, die wehrlos am Boden liegende zu vergewaltigen. Musste das sein, um die gesellschaftliche Unterlegenheit der verhassten Geliebten Frieders zu verdeutlichen?! Bei „Cenerentola“ fanden die Verantwortlichen da verträglichere Wege…

Gleich von Beginn an sehen wir den Kobold Hütchen, ein schlanker fescher Junge (Niklas Mix) den die Agierenden natürlich nicht wahrnehmen können. Er spielt unglaublich behänd und wirbelt nur so über die Bühne. Was mich aber ganz besonders gestört hat, auch weil es so unnötig war: Über der ohnehin weit vorn liegenden und damit von überall bestens einsehbaren Spielfläche schwebt eine riesige Leinwand, auf der am laufenden Band filmische spots oder die Bilder der Kamera zu sehen sind, für die zwei Kameraleute ständig über die Bühne wuseln müssen. Das ist sehr störend und nicht zuletzt deshalb entbehrlich, weil das auf der Bühne gezeigte Geschehen ohnehin so intensiv und auch von der Personenregie her so gut gemacht ist, dass es weder der Kameras noch des Overhead-Projektors bedarf. Ja, es nahm dem Märchen, das es ja nun mal ist, viel von seinem Charme. Mit dem geschäftigen Treiben in einer Käsefabrik wurde die Handlung ohnehin etwas mehr in die Realität verfrachtet. 

Rechts am Bühnenrand stehen Bilder von Schiller und Goethe wie Referenzen der großen Literatur, wohl auch um gewisse Banalitäten etwas auszugleichen. Es gab aber viele schöne und auch fantasiereiche Momente, so die Aufstellung und Kostümierung von Stern, Mond und Sonne zu Beginn des 2. Akts oder die auch menschlich einnehmenden Szenen mit dem Königssohn. Pachl legte in seiner Bebilderung insbesondere der vielen Märchenszenen des 2. Akts viel Fantasie an den Tag. Hier bietet sich auch ein enormes Betätigungsfeld für jeden Opernregisseur.

Katherlies’chen, Frieder und Hütchen: Foto: Martin Modes / Internationale Siegfried Wagner Gesellschaft

Die Engländerin Rebecca Broberg sang das Katherlies’chen mit klangvollem Sopran und hoher darstellerischer Intensität bei guter Diktion sowie mit gutem Volumen. Sie hat bereits einige Erfahrung mit Siegfried Wagner Opern gesammelt und auch schon eine beachtliche Diskografie. Hans-Georg Priese gab einen stimmstarken und viril auftretenden Frieder. Während seiner Zeit in Meiningen wechselte er vom Bariton- in das Tenorfach. Das hört man ihm heute mit der schönen baritonalen Unterlegung immer noch an. Er hat auch schon den Parsifal in Saarbrücken gesungen, und ich bin überzeugt, dass da bei Wagner noch mehr drin ist. Die estnische Mezzosopranistin Maarja Purga überzeugte stimmlich wie darstellerisch als Trude mit schönen Klangfarben. Sie sang auch die Märchenfrau. Es wundert mich nicht, dass sie noch in diesem Jahr in Berlin als Fricka debutieren wird. Alessandra Di Giorgio sang eine resolute Mutter des Frieder, die in jeder Situation merken ließ, wie ernst es ihr mit der Verheiratung des Sohnes an die vermögende Trude ist. Sie war auch des Teufels Ellermutter und die Sonne. Die Rumänin Silvia Mica interpretierte das Hexenweibchen mit sehr guter Höhe. Daniel Arnaldos ließ als Dorfrichter einen guten Bariton hören. Genannt werden muss noch der Teufel von Axel Wolloscheck, der vokal klangvoll aus der mythischen Figur eine komödiantische Charakterstudie machte. Er war auch der Mond und ein Wirt. Die Stimme von Ulf Dirk Mädler als Tod war etwas harsch mit wenig Klang und eher deklamatorisch. Auch seien Szene überzeugte nicht recht. All die weiteren vielen Nebenrollen waren gut besetzt und hatten offenbar Spaß an der Show. Am Ende trat auch noch Peter P. Pachl als Jacob Grimm auf…

Man müsste diese facettenreiche und bunte Oper Siegfried Wagners mindestens zwei- bis dreimal sehen, um wirklich alles gebührend mitzubekommen. Aber auch so wurde klar, dass sie durchaus öfter auf den Spielplänen zumindest mittlerer Häuser stehen sollte.         

Klaus Billand     

 

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