Bayreuther Festspiele. TANNHÄUSER (fünfte Vorstellung) , 22.8.2024
Copyright: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath
Inmitten der von Nathalie Stutzmann glänzend dirigierte Ouvertüre bricht in das für Reinklatschen eigentlich sakrosankte Festspielhaus spontaner Applaus bei offener Bühne aus. Es ist die Stelle des Videos auf der Oldtimerfahrt von der Wartburg zum Festspielhaus, wo erstmals der Tannhäuser in Clownsgestalt auftritt.Bei der Einblendung im Video von Stephen Gould, der 2023 gestorben ist und die Partie 1919-22 bravourös gemeistert hat,brachen kurz alle Dämme vor aufbrandendem Applaus. Aber Klaus Florian Vogt ist ein würdiger Nachfolger mit der Strahlkraft seines Trompetentenors und seiner Rollengestaltungsintention unter Einbezug seiner Physis.
Nathalie Stutzmann scheint viel Kleinarbeit mit dem Festspielorchester geleistet zu haben. Sie ist bereits Gastdirigentin beim Philadelphia Orchestra. Nach einem ‚Hollaender‘ am Teatro Regio Torino bekam sie 2024 den hochdotierten Opera Award für ihr Debüt bei den Bayreuther Festspielen mit Tannhäuser. Die Arbeit an Nuancen macht ihre Arbeit brillant, die Austarierung divergenter Teile beim jüngeren Wagner, und distinguierte Betonung von Stellen mit dramaturgischer Bedeutung, bei der Stutzmann auch zusammen mit dem Chor und mit dem ausscheidenden Chorleiter Eberhard Friedrich detailliert gearbeitet hat. Während die Damen öfter aus dem Off singen (sehr schön verlockend „Nach dem Strande“ im Bacchanal), erscheinen die intrikaten Partien des Herrenchors trocken dezidiert und bravourös gesteigert eingeworfen, spitzen sich nach längerem Draeuen immer gewaltiger zu, bis sich die Männer hinter dem mittigen Laengspodium verschanzen, wenn nicht der Arzt 110, sondern die von Katharina W. gerufene 112 Polizei kommt, um die Eindringlinge ins Festspielhaus festzunehmen. Aber diese haben ihre Show schon abgezogen.Venus im Glitzerhosenkostüm, der kleinwuechsige Oskar Matzerath (Manni Laudenbach) mit Trommel sowie Le Gateau Chocolat (Le Gateau Chocolat), dem schwarzen Drag Queen-Künstler in gelbem Federkleid. Und natürlich von Tannhäuser selber, der vorher schon von seinen früheren Mitsaengerbarden ins Festspielhaus verbracht wurde.
Auch im Schlussakt lässt Sttzmann das Orchester wenn nötig toll aufschäumen. Elisabeh mischt sich auf dem Parkplatz unters Volk, erst mit Manni am Essenskocher auf dem Asphalt, später schläft sie mit Wolfram im ausgebrannten Bus. Reprise mit Entsorgungstrupp (Pilger) am Parkplatz. Klaus-Florian Vogt und Markus Eiche entdecken Elisabeth, nachdem Venus auf einen Strommasten geklettert war, blutüberströmt im Bus. Der Chor ertönt dazu fast geisterhaft aus dem Off. Das kleine Schlussvideo ähnelt dem ‚Erloesungsschluss‘ im Fiegenden Holländer, bei dem Senta mit dem Holländer vereint in den Himmel fliegt. Bei Tannhäuser sitzt Heinrich am Steuer des Busses und Elisabeth ist mit dem Kopf an ihn gelehnt. So fahren beide weg!
Die Edelknaben sind Simone Lerch, Ekaterina Gubanova, Laura Margaret Smith und Annette Gutjahr. Den Jungen Hirten singt im dunklen Hosenanzug die Schweizer Sopranistin Flurina Stucki mit Applomb, aber nicht extrovertiert. Gesanglich ist Ekaterina Gubanova (Venus) nicht so überzeugend wie sie es darstellerisch ist. Sie verfügt nur über begrenztes Stimmmaterial, das sie aber klug einzusetzen vermag.
Elisabeth Teige ist, wenn man noch Lise Davidsen im Ohr hat, keine so gute Elisabeth wie ihre Vorgängerin. Ein leicht breites Gurren in der Mittellage kann nicht für sie einnehmen. Insofern kann die Höhe oft nicht so aufblühen. Aber sie reüssierte im Schlussakt noch. Neu besetzt bei den Sängern sind der schönstimmige Siyabonga Maqungo als Walther und Martin Koch dito als Heinrich der Schreiber sowie Jens-E.Aasboe als Reinmar (s.Rheingold). Die anderen wie auch der Landgraf Günther Groissboeck sind schon seit 2019 dabei.
Friedeon Rosen