Bayreuther Festspiele: Der fliegende Holländer 16.8.2022
Thomas J. Mayer (Holländer – links). Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER läuft gut im 2.Jahr seit seiner letztjährigen Premiere. Das Dirigat war eine quasi Sensation: zum ersten Mal eine Frau bei den ältesten Festspielen der Welt, die Ukrainierin Oksana Lyniv. Die Inszenierung ist von dem Russen Dmitri Tcherniakov, und wer hätte vor einem Jahr gedacht, daß sich ihre beiden Länder jetzt in einem Krieg befinden. Das tut ihrer guten Zusammenarbeit anscheinend auch gerade heuer keinen Abbruch.
Lyniv baut in das Vorspiel bereits einige sicher gesetzte Rubati ein und bemüht sich um aussagekräftige Themen- und Melodieführung. sie kann dem Orchester auch den angemessenen Drive verpassen. Alle Instrumentengruppen kommen ausgewogen zur Geltung. Toll auch die Schlußwendung nach Dur nach der dynamisch aufgaloppierenden Streicherpassage. Im weiteren Verlauf nimmt Lyniv sich in den längeren Nummern mit Daland und Holländer zu diskreter Begleitung zurück, während das Duett mit Senta ein ganz verträumtes Vorspiel bekommt. Bei dem Steuermannchor läßt sich Lyniv keinesfalls zu einem verhuschten Tempo verleiten, sondern hält ihr einmal gewähltes moderates durch, bis der Geisterchor des Holländers dazutritt und der musikalischen Faktur eine vertrackte Wendung mit verschiedenen Takteinheiten zubereitet. Auch da behält sie alles im Griff bis zum jubelnden finalen Statement von Senta. Würde der Holländer in der Inszenierung nicht von Mary erschossen, könnte es vielleicht doch noch zu einem Happy end kommen, da ja Erik irgendwann einsehen wird, dass die Liebe Senta – Holländer wohl die stärkere ist.
Mary hat aber in dieser Regie eine alte Rechnung gutzumachen. Der Holländer war in der Deutung Tcherniakovs (auch Bühne) schon mal vor ca 20 Jahren in der kleinen Stadt am Meer gewesen und hatte da eine Frau geliebt. Die damals betroffene Frau hatte Selbstmord begangen, indem sie sich mit Schlinge um den Hals aus dem Fenster warf. Das wird in einer Pantomime während des Vorspiels nacherzählt. Nun lernen sich Daland und Holländer in einer Kneipe kennen, mit den sich daraus ergebenden Folgen. In der Spinnstubenszene singen die Frauen wie im Süden auf der Piazza. Nach Sentags Vortrag der Ballade passt Erik sie in einem dunklen wie ein Renaissance-Kostüm anmutenden Outfit ab, während die Frauen eher folkloristisch inspirierte Gewänder tragen (Elena Zaytseva). Die ‚Eheanbahnung‘ wird nun in dem Daland-Haus vorangetrieben, wo sich der Holländer bei einer erkermäßigen Veranda zum Abendessen, von Mary vorbereitet, einfindet, dann da mit seiner Angebeteten allein bleiben kann. Der Steuermann-Chor ist zuerst eine lustige Außenveranstaltung, danach geht es drunter und drüber, die Holländer- und die Stadtpartei werden aggressiv, zuletzt brennt es innen im angrenzenden Haus. Erik ist präsent, und der Holländer merkt, dass Senta schon ihm versprochen war. Dann das tragische Ende mit der Rache der Mary, aber vielleicht findet die alte Liebe ja doch noch wieder zusammen.
Den Daland gibt Georg Zeppenfeld zuerst mit Understatement und parlandoartigem Gesang. Ihm steht aber ein wohlklingender gerader Bassbariton zu Verfügung. Die Mary gibt Nadine Weissmann mit Mezzosopran sehr rollendeckend, versucht Senta mit ihrem Holländerschwarm in die Schranken zu weisen. Bei der Eheanbahnung Dalands zieht sie sich schnell zurück. Der Steuermann wird von Attilio Glaser angemessen witzig aufgefaßt, singt sein Lied ans Mädel mit brauchbarem Spieltenor. Erik ist Eric Cutler und kann nicht nur szenisch überzeugen. Mit einem Tenore di grazia, der aber auch mal robuster ausfallen kann, kämpft er in zwei italienisch inspirierten Arien um seine Liebe.
Elisabeth Teige (Senta). Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
Elisabeth Teige ist eine Senta mit wunderbarem Charme. Man meint, sie habe unendliche Reserven zur Verfügung und kann somit ganz große Gefühle in die Waagschale werfen. Dabei ist ihr Sopran auch angenehm timbriert, aber Ihre Mittellage sollte noch etwas konsistenteren Klang annehmen.
Holländer ist mit Thomas J.Mayer eigentlich ein alter Bekannter, hier aber mit Glatze und Bart kaum wiederzuerkennen. Er singt fast immer aus der Deckung heraus, kommt sehr langsam auf Hochtouren, was seinem Bariton aber sehr gut ansteht. Sein Timbre wirkt dabei manchmal geradezu berückend.
Friedeon Rosén