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BAYREUTH/ Festspiele: TRISTAN UND ISOLDE – letzte Vostellung

27.08.2024 | Oper international

Bayreuther Festspiele: Tristan und Isolde, 26.8.2024

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Foto: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Das Vorspiel zu TRISTAN erklingt bayreuth-typisch maximal ätherisch,aber ohne jeden süßlichen Touch etwa in den hohen Streichern. Wenn sie auch zu Beginn noch ganz fragil und vagierend wirken, wird nach und nach sphärisch eine Stringenz erreicht, die mit den hinzu kommenden Instrumenten in  dieser langsamen Steigerung bis zur Kulmination führt und dann quasi detoniert und am Ende nochmal in zärtlicher Weise den Tristanakkord nachhallen lässt. Es dirigiert Semyon Bychkov zum ersten Mal diese Neuproduktion,und wenn er den Tristanakkord auch als „Gefängnis“ bezeichnet, kann er ihn in das  fliehende Abschwellen nach der Kulmination ganz wundersam einbinden.Er lässt in seine Deutung seine ganze Erfahrung und ‚Altersweisheit‘ einfließen, man merkt, dass das Orchester gern mit ihm zusammen agiert und dass das Opus metaphysicum (Nietzsche) ihnen ein Herzensanliegen ist. Es ist für Bychkov tönende Philosophie, wie ja schon Wagner selbst seine philosophische Sicht mit „Der Welt als Wille und Vorstellung‘ einkomponiert hat. Und nach dem Vorspiel hat man den 1.Akt schon lange nicht derart plastisch durchstrukturiert gehört. Die puren Orchestermassen aber auch das starke Meereswogen, übertönt noch von Isoldes Seelenerkundungen, erscheinen hier fast logisch aufeinander folgend und aufbauend.

In der Inszenierung von Thorleifur Oern Arnarsson erinnern zuerst lange Seile von Takelagen an ein sonst nicht vorhandenes Schiff.Isolde und Brangaene stehen in einem Kreis, der durch die Ausläufer eines Riesenkleides von Isolde gelblich bedeckt ist. Aus was für Material es ist,verbleibt unklar,da es aber mit Schriftzuegen bedeckt ist,könnte es sich einfach um elastische Pappe oder Pappmasche‘ handeln (Kostüm: Sibylle Wallum). Trotz einer gewissen Sproedigkeit wirkt es  elegant, beim späteren Disput befreit sie sich von dem hinderlichen Rockteil. Brangaene ist hingegen in dunkelblauem Hosenanzug zünftig angezogen. Die spätere Begegnung mit Tristan setzt ganz auf ausgepichte Personenführung der in Hassliebe Verbundenen, wobei nicht nur der runde Kleidkreis genutzt wird. Es werden aber alle symbolträchtigen Requisiten weggelassen. Brangaene klaubt nur etwas vom Boden auf, gibt es Isolde,und die kredenzt es Tristan. Die nachfolgende Umarmung der beiden scheint zwar nicht steril, aber dosiert und nicht als zur Schau gestelltes Rampentheater.

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Foto: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Die Premierenkritik hat sich in etwa auf die mit Gegenständen und Ramsch zugestopfte Bühne als Seelenbalast der Protagonistin und ihres Liebhabers kapriziert. Es erscheint hier als Bühnenbild der hölzerne Schiffsbauch von innen,aber nach oben rudimentär auslaufend (Vytautas Narbutas). In den Quer- und Längsstreben sind gerahmte und ungerahmte  Bilder, Marmorstatuen, Gipsbuesten und etwa Titanen,die den Atlas tragen in wilder Mischung eingefügt,dabei wohl auch bekannte Kunstwerke. Unten Mühl- und andere Speichenraeder, ein wildes Konglomerat. Tristan ist plötzlich aus dem Dunkel da,und Brangaene weg. Die Musik peitscht sich dazu in den Vordergrund und verdrängt die Hornfanfaren der Bühnenmusik. Auch hier sind die Liebenden inszeniert und brauchen keine Plätzchen und Eckchen um sich zu plazieren. Auch Marke schreitet später gemessen durch den ganzen Seelenbalast. Die anderen finden ihre Positionen im Schiffsrumpf. Tristan geht nach seiner Todesvision auf den mit schwarzen Schulterpuffern drapierten Melot los, bricht dann aber selbst zusammen.Marke ist in edlem Schwarzornat gewandet.

Im 3.Akt weiter der Schiffsrumpf noch geisterhafter wirkend,die Bildungsgüter jetzt entschwunden,nur Röhrengestänge und Schiffstakelage sichtbar. Hier stirbt Tristan in den Armen Isoldes, nachdem er vorher sein (Liebes)schicksal bis zu Neige ausgesungen hatte. Auch hier teilweise schauerliche Posaunen und Pauken im Orchester, das sich an die teils manisch expressiven Vorgaben Bychkovs hält. Das Übergleiten in Isoldes Liebestod dann ganz fein und prickelnd indiziert.

Den Jungen Seemann singt Matthew Newlin sehr gut und mit  richtiger Agogik. Ein Steuermann ist Lawson Anderson,der scheint’s die mahnenden Gesangseinwuerfe der Matrosen bei der Landung in Cornwall bassal begleitet. Der Hirte ist mit voluminösen aber leichtem Tenor und dickem weißen Gewand Daniel Jenz. Birger Radde ist ein baritonaler Melot der ganz dezidiert-düster seine Anklage vorträgt. 

Christa Mayer kann als Brangaene wieder reüssieren. Im 1.Akt ist sie mit Isolde auf Augenhöhe und singt die abschwellenden Wachgesänge schön meliert und mit kernigem Mezzosopran. Im Gegensatz zu anderen Protagonistinnen stylt Olafur Sigurdarson den Kurwenal manchmal etwas auf rampenmäßig mit seinem geraden und durchdringenden Bariton.

Den Marke offeriert Günther Groissboeck mit einem Bass wie aus dicker schwerflüssiger, aber auch samtiger Tinte und kann damit das 2.Aktende,dabei auch in seine Seelenabgründe schauend,eklatant zuspitzen.

Beim Tristan des Andreas Schager ist es endlich mal jemand, bei dem dem man nicht sagen muss, dass er den 3.Akt trotz lyrisch dotierter baritonal geführter Stimme gut geschafft hat.Nein, er hat alle Höhen sehr gut drauf und bindet sie in seinen mächtig metallischen, heldentenoralen und textintensiven Gesang ein.Eine kurzzeitige Stimmkrise scheint er völlig überwunden zu haben. Die drei langen Aufwallungen in Kareol gestaltet er mit vollem Applomb und man merkt, dass es ihm Spass macht, diese klug aufzubauen und pointiert fatal abzuschließen. Woran stirbt er dann eigentlich ohne Wunde?

Die Isolde wird von Camilla Nylund auch genial durchlebt. In diesem Riesenkleid,aus dem sie sich schält und dann in schwarzem Seidentuch ohne Übergang weitermacht,  ist einmalig und spiegelt ihre Gefühlswallungen wider. Ihr Timbre ist nicht so lieblich, mehr dramatisch, manchmal herb, dabei aber doch immer Schoengesang generierend. Auch dieser Liebestod kann wahrlich immens delektieren.

Friedeon Rosen 

 

 

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