Andreas Schager (Parsifal), Elena Pankratova (Kundry) und Günther Groissböck (Gurnemanz). Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
Bayreuth/ Festspiele: PARSIFAL am 19.8.2019
Dieser Parsifal in der Regie von Uwe Eric Laufenberg ist nun auch in die Jahre gekommen, hat aber von seiner ‚Frische‘ des Ansatzes nichts verloren, hat seit dem Dirigat Semyon Bychkovs eher noch dazugewonnen. Bychkov drängt sich, auch was die Tempi betrifft, überhaupt nicht auf, sondern dirigiert das Bühnenweihfestspiel eher nach Angaben in der Partitur. Das mag heute vielleicht altmodisch erscheinen, ist aber in einer Zeit, wo es gilt, so originell wie möglich zu sein und immer seinen eigenen künstlerischen Stempel aufzudrücken, zumindest anders und hat etwas von neuer Frische. Und harmoniert auch irgendwie gut mir der Erzählweise Laufenbergs, bei dem Flüchtlinge im Gralstempel auftreten und im Gegenzug die schwerst bewaffneten Soldaten des (Assad)regimes. Später kommt das Aufeinanderprallen der Weltregionen zum Politischen hinzu, wenn Klingsor als muslimischer Apostat gezeichnet wird. Am Ende spielen Religionen gar keine Rolle mehr. Es mutet wie eine Utopie an, wenn die Natur immer mehr Besitz von dem Kloster ergreift und das Zurück zur Natur auch in der Nacktheit zum Ausdruck kommt. Der Gral am Ende ist, wenn die Zivilisten ihre Devotionalien in den Sarg Titurels ablegen.
Die Herrenchöre (Damen weitgehend in ‚Höhenchören‘) haben ihre großen Auftritte und machen ihre Sache sehr klangstark. Bei den Solisten hat sich heuer gar nichts geändert, was nahezu einer Sensation mit Blick auf die anderen Festspiel-Werke gleichkommt. Die Altstimme und die Zaubermädchen geben wieder mal einen Beweis für Bayreuths Belcanto-Qualitäten ab. Simone Schröder ist die Altstimme „durch Mitleid wissend“, cremig und dabei voluminös. Die solistischen ‚Blumen‘ sind K.Konradi, Ji Yoon, Mareike Morr, Alexandra Steiner (diese beiden auch Knappen), B.Kumberger und M.H.Reinhold. Die stimmgewaltigen Gralsritter geben Martin Homrich und Timo Rihonen, die Knappen komplettieren P.Kaufmann und S. Heibach zu einem versilen Quartett.
Ryan McKinny (Amfortas) mit Martin Homrich und Timo Rihonen. Foto: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath
Ihr Gurnemanz ist der vielgerühmte Günther Groissböck, der nächstes Jahr zurecht der neue Wotan sein wird. Sein angenehm weiches bis kerniges Timbre ist in jeder Phrase abrufbar, und auch in tiefster Tiefe bleibt die Stimme immer konsistent, obwohl man bei ihm ja eher an einen Heldenbariton denkt, wie es der Wotan sein sollte. Derek Welton ist ein etwas brachialer aber auch gewitzter, aber undämonischer Klingsor. Bei seinem Scheitern knallen jetzt alle seine Kreuzreliquien aus der Kammer im Obergeschoß auf den Boden herunter. Den Titurel gibt Wilhelm Schwinghammer a capella mysthisch aus dem Off. Eine gute Wahl ist auch Ryan McKinny, ein eher klein gedrängt wirkender Typ, der seine Phrasen verhalten, aber unschlagbar in der Artikulation, aufbaut und dabei mit mysthisch verhangenen bis sehrendem Volumen stimmlich aufwartet. Für Elena Pankratova scheint die Kundry die ideale Rolle zu sein, ihre Metamorphosen lebt sie völlig in sich gekehrt aus, schwarz vollverschleiert und in der erotischen Verführpose. Bei der Verführung Parsifals kann sich ihr einnehmendes Timbre auch in neuartigen Gestalten dramatisch verfärben, und ihre Gesangsattacken läßt sie dabei gigantisch hochfahren. Andreas Schager scheint nie stimmliche Probleme zu haben, alles kommt quasi wie aus dem Ärmel geschüttelt. Mit Klingsors Zaubermädchen tummelt er sich im mit blauem Mosaik verkleideten Pool . Seine Gesangsphrasen gipfeln wie in marmornen Strahlen, seitdem er bei der Verinnerlichung von Amfortas‘ Leiden hellsichtig geworden ist.
Friedeon Rosén