Tomasz Konieczny (Telramund) und Elena Pankratova (Ortrud). Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
Bayreuther Festspiele: Lohengrin 18.8.2018
Der Lohengrin in der Inszenierung von Yuval Sharon und unter der Leitung von Thielemann präsentiert sich in seinem zweiten Jahr szenisch deutlich verbessert. Der im vorigen Jahr für Alvis Hermanis kurzfristig eingesprungene Sharon hatte wenig Zeit, dem weitentwickelten Bühnen- und Kostümbild (Neo Rauch & Rosa Loy) eine adäquate Regie hinzuzufügen. Das wurde jetzt nachgeholt und zeigt wieder einmal eine optimal funktionierende ‚Werkstatt Bayreuth‘, wo die Regisseure zur Wiederaufnahme ihrer Inszenierungen zu erscheinen und somit die Möglichkeit zu verändern und zu verbessern haben. Yuval Sharon, der ja schon in Karlsruhe eine sehr farbenreiche, Walt-Disney-Anklänge nicht scheuende Walküre vorgelegt hat, zeigt hier, daß er auch Personen und Kollektive führen kann. Heuer hat er besonders an der Chor-Regie gefeilt, die letztes Jahr noch eher statisch war. Wie hier die Massen, auch geteilt in Sachsen und Brabanter, oft wie Wellen nach hinten & vorne, diagonal und zu den Seiten hin fluten, ist fast schon magisch zu nennen und korrespondiert mit der Stromasoziation im Bühnenbild. Im 2.Akt kommen noch die Blumen streuenden Knappen und Mädchen hinzu in eigens zurecht geschnittenen Wämschen und Röckchen und bei dem Zusammenprall der Antagonisten Elsa- Ortrud und Lohengrin – Telramund „brennt“ die Bühne dann wirklich. Elsa im ersten und Ortrud am Schluß werden von Häschern der Brabanter an langen Leinen in Schach gehalten, und beide sollen am Strommast wie am Marterpfahl verbrannt werden.
Den Taktstock hat wieder Christian Thielemann übernommen und gestaltet das Vorspiel nicht nur keusch-ätherisch, sondern läßt die hohen Violinen auch mal richtig süffig aufspielen. Das erscheint als Gralsmacht pur. Im weiteren Verlauf erlaubt sich Thielemann, wie es seine Art ist, viele expansive Rubati und läßt den Klangfluß öfter fast zum Stillstand kommen. Das Orchester und seine SängerInnen, auch die für Netrebko eingesprungene Annette Dasch, machen das immer gerne mit, eine eingeschworene Truppe. Wenn Thielemann also sehr häufig ritardieren läßt und damit den Klang auskostet, fällt auf, daß er beim wichtigen Schlüssel-Chor mit Ensemble „Geheimnis“ Ende 2.Akt plötzlich ‚durchdirigiert‘, als gälte es jetzt, schnell zum Ende zu kommen. Abgesehen davon muß aber positiv das häufige und akkurate Auf- und Abschwellen betonter Stellen hervorgehoben werden, was unvorhergesehene Wendungen mit großem Effekt markiert. Das macht Thielemann so schnell Keine/r nach.
Piotr Beczala (Lohengrin). Foto: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath
Die 4 Edlen sind mit Griffke, Akzeybek, Reichert und Rihonen stimmlich eher zurückhaltend besetzt. Die Edelknaben und -damen mit de Geus, Ragg, Schlestein und Gutjahr singen äußerst stimmschön. Der Heerrufer, auch Einflüsterer des Königs, ist Egils Silins mit elastisch durchgestyltem Baßbariton. Elena Pankratova als neue Ortrud achtet beim Gesang auf schön gestaltete Belcantophrasen, ein beherrschendes Bühnenweib, deren Zauber- und Seherkräfte ihr auch am Ende nicht genommen werden können. Tomasz Konieczny ist als Telramund eine echte Ausnahmeerscheinung, sein dunkel geschmeidiges bronzenes Timbre ist einzigartig, auch wenn Vokalverschleifungen öfter hörbar sind. Auch er bekommt Riesenapplaus. Ein wichtiger Mitspieler ist auch Georg Zeppenfeld. Wendig in der Szene als König (im Gegensatz zum weniger „bewegten“ Lohengrin) bringt er einen in allen Registern gut ansprechenden Baß ein. Bei Piotr Beczala sind deutlich die tieferen von hohen Registern unterschieden. Er verbindet sie aber gut. Das tiefe baritonale hat einen eher gewöhnlichen Klang, das hohe dagegen einen ganz balsamischen, was der Gralserzählung und den rein vokalen Schwanengesängen ätherischem Glanz verleiht.
Zum Glück hatten die Festspiele Annette Dasch als Einspringerin für Anna Netrebko in der Hinterhand. Und die erlebt wirkliche einen zweiten Frühling. Leider hat sie ja gewisse Höhenprobleme (und ist darin auch mitWaltraud Meier vergleichbar). Sie singt die Elsa jetzt noch dezidiert dramatischer als vor Jahren in der Neuenfels-Inszenierung. Und hat diese jubelnden Aufschwünge mit einzigartig perlendem Timbre immer noch drauf – und dafür liegt man ihr zu Füßen!
Friedeon Rosén