Bayreuther Festspiele: GÖTTERDÄMMERUNG, 2. Ring-Durchlauf, 15.8.2022
Die Nornen zu Beginn. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
Die Hoffnung bestand natürlich bis zuletzt, daß dieser RING in der Regie von Valentin Schwarz und Cornelius Meister (Dirigent als Einspringer und Bayreuth-Neuling) noch zu einem guten Ende käme. Das Vorspiel mit der Nornenszene konnte dabei aber nicht weiterhelfen. Sie findet wieder in dem Raum der Liebe von Sieglinde und Siegmund aus WALKÜRE statt. Ein Kind ist in dem linken Bett zugegen und kabbelt sich mit den Nornen, die es zurechtweisen. Diese Schicksalsfrauen gerieren sich in ausgefransten wallenden Umhängen wie Gespenster (Andy Besuch). Anstatt Seilen werfen sie sich Gummireifen zu und spielen mit Bällen. Neben den fülligen dunklen Stimmen der ersten beiden, fällt die dritte mit einem ganz knappen, fast piepsig wirkenden (Mezzo)sopran heraus. Nun tritt da neue Paar Siegfried-Brünnhilde in sein Brautgemach ein, begleitet von Grane (Igor Schwab), der als Amme für Brünnhilde fungiert. Das kleine Mädchen schließt sich gleich affektiv an Brünnhild wie an eine Mutter an, und fungiert als Ringersatz für sie, während Grane als Gegengeschenk mit Siegfried abgeht.
Eine neue Designer- Wohnung taucht als Gibichungenhalle auf, aber mehr auf weiß getrimmt als ihre Vorgänger. Rechts eine Art Steh-Ecke mit Pappkartons, daneben ein ausgestopftes Pferd als Couch. Hagen ist hier in seinem gelben (BVB) Dress als ehemaliger ‚Goldjunge‘ erkenntlich, Gunther in schwarzweiß-Klamotten mit langen blonden Haaren ein ganz ausgeflippter Typ, der herumtänzelt, und Gutrune wirkt wie ein Sexsymbol in Netzklamotten, kredenzt auch den Vergessenstrank in einer großen Trinkschale. Immer wieder defilieren Fünfer-Kohorten von Bedienten im selben Look wie an den beiden Vortagen. Grane, der sich nicht einsperren lassen will, wird gewaltsam aus dem Raum verbracht und schwer verletzt wieder ausgehändigt. Dann wird ihm noch der Kopf abgeschnitten, in einem weißen Plastiksack entsorgt und vor Brünnhildes Schlußgesang von Gunther in den Pool (siehe unten) geworfen. Im Brautgemach schwant Brünnhild inzwischen Böses. Bei aufdräuender Gewittermusik kommt plötzlich Waltraute durchs Fenster in einem roten blinkend bestickten Zaubermantel, nur der spitze Hut fehlt ihr noch, wie bei Mime in Siegfried I ist ihre Mission, den Ring zu erhalten, aber ihn den Rheintöchern zurückzugeben zu Erfolglosigkeit verdammt. Brünnhilde läßt sich ihr Mädchen nicht nehmen, Muttergefühle scheinen erwacht. Aber sofort dräut neues Ungemach, ein neuer Freier kündet sich an, Gunther, aber hier nicht in getauschter Gestalt mit Siegfried, sondern leibhaftig, wie sich herausstellt, als Siegfried später hinzukommt, er singt hier tatsächlich Siegfrieds Part! Bei den inzwischen herbeigerufenen Mannen präsentiert sich das neue ‚Paar‘.
Aber jetzt wird das Dilemma dieser Inszenierung erst richtig evident. Es wird hier über etwas endlos hin- und herverhandelt, was gar nicht existiert. Die Mannen erscheinen in einer Heeresformation. Aus dem Nebel heraus werden sie langsam sichtbar in schwarzen Gewändern, mit Bismarck-Flügelhelmen und roten Masken, worin sie beachtlich singen.Bei den Speereiden Siegfrieds und Brünnhildes wird wieder der Florettdegen, der bei Hagen gelandet war, verwendet. Der einzige Auftritt Alberichs findet in einem nun völlig leeren großen hellen Raum statt, wo Hagen einen Punchingball bearbeitet. Davon läßt er auch auf Alberichs inständiges Bitten, ein treuer Sohn zu sein, nicht ab.
Für den letzten Akt wird kommt ein eigentlich interessantes Einheitsbühnenbild (Andrea Cozzi) zum Einsatz, das insofern an die 1.Rheingold-Szene anknüpft, das ein aber diesmal tiefes Bassin oder kanalisierten Rheinabschnitt zeigt. Oben befindet sich eine Brücke, dahinter etwas gelbe, nun verdorrte Landschaft. Manchmal hat man den Eindruck, dass sich in dem Kanal auch Wasser befindet, wenn im Hintergrund Schiffsteile oder Netze auszumachen sind. Hier findet nun die Reprise mit den Rheintöchtern und diesmal Siegfried statt, aber leider schwach inszeniert, und von den Wassernixen leider auch schwach und matt gesungen (wieder Lea-ann Dunbar/Woglinde, Stephanie Houtzeel/Wellgunde und Katie Stevenson/Floßhilde). Keinerlei Emotion kann aufkommen, obwohl es ja nun bei Siegfried um Leben und Tod geht. Der Eindruck entsteht , daß die Rheinmädchen noch einmal in den erlesenen roten und gelben Gewändern Modenschau abhalten wollen. Wie Hagen dann Siegfried mordet, sieht man nicht richtig, da er es von hinten tut und kein Blut fließt. Kein Wegtragen der Leiche zur bombastischen Trauermusik. Die Mannen, nur als Schatten erkenntlich, kommentieren von oben. Davor die Gunther Aktion, der an der linken Aluleiter ins tiefe Becken klettert, nur um den Sack mit dem Granekopf hineinzuwerfen, der später von Brünnhilde mit seinem langen Bart präsentiert wird. Nachdem Brünnhilde, die sich oben nochmal mit Gutrune gekabbelt hatte, unten als ‚Erbvollstreckerin‘ aufgetaucht ist, und nach Hagens Verschwinden, ist sie allein mit ihrem toten Mann, auch keine Kinder jetzt mehr. Sie singt ihre Schlußszene, einmal gewahrt sie auch auch einen gelben Benzinkanister, aber nach dem Motto, was interessieren mich die alten Inszenierungen, läßt sie ihn achtlos liegen. Szenisch passiert jetzt eigentlich nichts mehr in dem noch langen Orchester-‚Nachspiel‘.
Das spricht alles für sich, und auch die gewaltige Götterdämmerungs-Musik kann es nicht herausreißen. Cornelius Meister führt durch das musikalische Gewoge, mehr kann er aber auch nicht leisten. Auch die gelungeneren Episoden, wie etwa die Entführung Brünnhildes aus dem Brautgemach, kann man aber auch nur als ‚adäquat wiedergegeben‘ bezeichnen.
Elisabeth Teige, Michael Kupfer-Radecky. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
Bei den Nornen sind nur die beiden tieferen hervorzuheben, das müßten Okka von der Damerau/1.Norn, und Stephanie Müther/2. gewesen sein. Über die dritte, das müßte dann Kelly God sein, möchte man den Mantel des Schweigens (s.oben) hängen. Christa Mayer hat nicht nur als Fricka im RING debütiert, sondern auch die neue Waltraute gesungen. Das gelingt ihr gut und spannnend, wo sie ja auch in legendäre Fußstapfen einer Waltraud Meier tritt. Erfreulich die Gutrune der Elisabeth Teige. Sonst wird die Rolle gern mit eher blassen Sängerinnen besetzt. Teige hat dagegen einen voluminösen gut sitzenden Sopran. Sie scheut auch keine szenischen Umtriebe mit Brünnhilde, mit der fast zu einem Königinnen-Kampf kommt. Olafur Sigurdarson krönt seine diesjährige Hügelleistung als Alberich, wenn er Hagen bravourös-vergeblich zum Treueschwur ihm gegenüber auffordert. Auch Michael Kupfer-Radecky ist gesanglich baritonal auf der Höhe und gibt einen fast süffigen Gunther, der aber in Schwarz‘ Konzept nur als Hofnarr figurieren kann. Der Hagen des Albert Dohmen verbleibt insgesamt blaß, auch wenn man seinen teils schneidigen, teils larmoyant-bissigen Bass goutieren kann. Stephen Gould schlägt sich als Siegfried beachtlich, bekommt aber nicht so viel Beifall wie als Tristan. Die letzten Finessen bei der Erzählung aus seinen Jugendtagen kommen nicht so akkurat. Und dazu kommt ihm die Stelle als ‚falscher Gunther‘ abhanden, wo er seine baritonale Grundierung gut zeigen könnte, abhanden.
Irene Theorin. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
Irene Theorin mach in ihrer Schlußszene, so scheint es (zurecht) Dienst nach Vorschrift. Alle Mitspieler sind ihr abhanden gekommen. Ihr konsistenter, sehr angenehm timbrierter Sopran kann aber trotzdem überzeugen. Für die leichte Mattigkeit gab es aber einige Buhs, wie für die Inszenierung insgesamt, aber wesentlich stärker.
Friedeon Rosén