Bayreuther Festspiele/ 2. „Ring“-Durchlauf: Die Walküre 11.8.2022
Lise Davidsen, Klaus Florian Vogt. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
Die Walküre schließt an den Vorabend ‚Rheingold‘ im RING des Regisseurs Valentin Schwarz insofern nahtlos an, als im Bühnenbild von Andrea Cozzi die archtektonische Struktur des Götterpalastes beibehalten wird. Hundings Haus ist aber viel ärmlicher eingerichtet als der Art Deco Palast, soweit man es beurteilen kann, da das Ambiente weitgehend in dunkel gehalten ist. Es scheint tatsächlich Stromausfall zu herrschen, Sieglinde und Hunding doktern auf hoher Leiter am Stromkasten herum, ansonsten helfen sie sich mit aufblitzenden Taschenlampen. Auch hier eine steile Treppe ins Gemach, die Sieglinde im Bademantel, hier als ältere Frau nur staksend erklimmt. Hunding ist dauerpräsent, geht nicht schlafen, zum Mahl wird nichts bereitet. Links vor etwaigen Stall-Anbauten eine Art gefällte, verschlungene Weltesche, natürlich kein Schwert drin. Wenn das Tor aufbricht, weil der ‚Lenz‘ kommt, verschwindet das auch mit vielen Fotos und anderem Krimskrams bestückte Hundingshaus, verwandelt sich in ein in ein für das Geschwisterpaar einladendes holzgetäfeltes Zweibettzimmer, in das sie von einem Mädchen und einem Knaben geleitet werden, Sieglinde nun in hellblauem Samtkleid, Siegmund in ockergelber fescher Gewandung/Andy Besuch. Im 2. Akt ist der Palazzo annähernd so wie in Rheingold zu sehen. Große Aufregung und Gewimmel besonders vieler rausgeputzter Damen: Freia ist verstorben und in einem weißen Sarg mittig aufgebahrt. Alle defilieren an ihr vorbei und verfallen in Wehgeschrei. Später flüchtet sich das Wälsungenpaar in den Kirchendach-ähnlichen Anbau des Palazzos, wo Sieglinde auf der Treppe ausruht. Wotan zieht ihr im Vorbeigehen die Unterhose aus, um schon mal zu kontrollieren…, und findet bei der Begehung des weitläufigen Areals etwas Muße, seine Gedanken einigermaßen flott zu halten. Siegmund, der sich auf dem Sofa zu Fricka geflüchtet hat, wird beim ‚Zweikampf‘ mit Hunding von ihm mit Pistole getötet, da Brünnhilde das nicht übernimmt. Auch Hunding fällt theatralisch, kniet aber nicht vor Fricka.
Die Walküren. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
Der Walkürenritt spielt in einem weißen gleißenden Raum, die Walküren, selbst aber vom Kampf gezeichnet mit großen Kopfverbänden, sonst in schönen roten und gelben Jugenstilkleidern, lassen sich hier pflegen und werden von Wotans männlichem Sicherheitspersonal aufgepäppelt. Nicht Zugehörige werden rausgeworfen, z.B.Grane. Später auch Sieglinde wegen ihres von Wotan nicht mehr goutierten Wälsungenblutes. Alles wird an der Rückwand gespiegelt, so dass das Getümmel umso größer wirkt. Endlich hilft Wotan mit, die Walküren durch die zwei linken Türen per Fußtritte hinauszubefördern. Wenn es Brünnhilde nach langem hin und her gelingt, ihre Strafe abzumildern, öffnet sich erst der Raum und verschwindet dann, und die Protagonisten stehen allein auf der weiten Bühne auf schwarzen Marmorplatten. Dann verschwindet Brünnhild in einem weißen Oberkleid, während Wotan von Fricka, die mit einem Ständerling angefahren kommt, noch einen Absacker nimmt, bevor er seine Karriere als Wanderer fortsetzt.
Tomasz Konieczny. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
In dieser Walküre klingt die Musik viel präsenter als beim Vorabend und wird hier zur wahren Mitspielerin, Vor- und Nachdenkerin mit ihren bereits stark angehäuften Motiven. Cornelius Meister gelingt es, das Orchester für seine Aufgaben fein zu sensibilisieren, so dass ein, wie von V.Schwarz gewünscht, angemessener Soundtrack für seine ‚Serie‘ entsteht.
Zu einem einzigen Ensemble gleichwertiger Stimmen verschmelzen die Walküren: Kelly God, Brit-Tone Müllertz, Stephanie Houtzeel, Christa Mayer, Daniela Köhler, Nana Dzidziguri, Marie Henriette Reinhold, Katie Stevenson. Die Fricka wird von Christa Mayer mit Aplomb gegeben, sie nutzt die verschärften Harmonien Wagners, um ihre Ansicht verschärft zu Geltung zu bringen. Irene Theorin ist eine Brünnhilde mit weichem Ansatz, hat aber auch das Zeug zur epischen Heroin. Sieglinde Lise Davidson ist derzeit vielleicht die größte Stimme am Hügel und kann ihre Gesänge gleißend ausgestalten mit teils herrlich timbrierter Tongebung. Wotan Tomasz Konieczny ist ein völlig disinvolvierter Machtmensch/Gott, dem die Felle wegschwimmen. Ein starkes, flexibel guttural anmutendes Timbre überzeugt in jedem seiner Auftritte. Georg Zeppenfeld singt als Hunding leider nicht sehr viel mit seinem lauernd dunklen Baß. Für Klaus Florian Vogt ist der Siegmund ideal, seine Stimme scheint jetzt auch baritonal bestens verankert, keinerlei Registerwechsel sind hörbar, eine pure Freude, ihn zu erleben.
Friedeon Rosén