Erste Gedanken von Tim Theo Tinn: Premiere „Holländer“ Bayreuth, 25. Juli 2021 – Stream
Desillusionierung eines metaphysischen Phantasmas – aber Personenregie als Lehrstunde unbedarfter Musiktheater – Inszenierungs-Mischpoke
Es war eine strukturierte Inszenierung, die großartige Unterhaltung bot. Falsch n. m. E. war z. B. die Anbindung der Kostüme an unsere Realität. Aber man hatte sich Gedanken zur Struktur des Musikdramas gemacht.
Der „Holländer“ ist ein Mythos, ein Phantasma, das bei Reduzierung auf unsere armselige reale Welt verzwergt wird.
Hier wird aber jede schulmeisterliche Betrachtung, jede vertiefte „intellektuelle“ Würdigung obsolet. Es ist eine sehr gute Ausnahme aus dem verreckenden „Regietheater-Einerlei!“
Das Dirigat wirkte ! Wirkte in Tempi und Dynamik verinnerlichend – erreichte tiefes Empfinden – Gratulation an Oksana Lyniv! Ich wünsche mir noch etwas mehr analytische Durchsichtigkeit —-(Agogik) wie wir es halt von ihrem Lehrmeister Kirill Petrenko erleben.
Die Personenregie war exemplarisch gut, die dramaturgische Durchdringung (daraus resultierende Szene/Optik) erklärungsbedürftig, uninteressant, lästig – aber als Gesamtpakte eine der guten Leistungen des Regisseurs, weil es für Publikum wirksam war.
Alles Sänger waren großartig, gemessen an dem, was gegenwärtig in der Liga singt (sinkt???)!
Georg Zeppenfeld als Daland ist sängerisch eine feste Größe, da gelingt alles in sehr tiefer Berührung. Darstellerisch ist er unterkühlt.
Georg Zeppenfeld, Asmik Grigorian. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
John Lundgren als Holländer genügt grundsätzlich, aber …. Um juristisch unangreifbar zu bleiben weise ich auf meinen ganz subjektiv persönlichen Eindruck hin! Lundgren fängt begeisternd an und verliert nach ca. 15 Minuten sängerische Substanz. Die Stimme wird eng, verliert Kern, Substanz und Vermögen. Ich kenne Beispiele z. B. Luis Lima, dessen Garderobe einer HNO-Praxis ähnelten. In jeder freien Minute unterzog er sich atem-therapeutischen Maßnahmen, um die Stimme frei zu bekommen. Doping in der Oper ist nicht verboten, hier ist es offensiv – und anderweitig?
Asmik Grigorian als Senta war beglückend. Durch Eindrücken nach dem Salome-Abenteuer in Salzburg hatte ich den Eindruck, dass sich die Stimme in dieser Strauß-Exponiertheit verfressen haben könnte. Das war ein schöner Irrtum. In jeder Hinsicht war diese Senta eine ganz eigene Liga der Weltklasse – so erfüllend gibt es derzeit keine andere!
Insgesamt Gratulation an Alle für eine gefällige Bayreuth-Aufführung. Bei gleicher Personenregie, aber adäquater Farbdramaturgie statt ernüchterndem Einheitsgrau und surrealen Bilderwelten z. B. gem. TTT – Plädoyers (hier im Merker ) wäre eine Weltwirkung möglich .
Tim Theo Tinn, 25. Juli 2021
TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press (Revolverpresse) – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zuzulassen. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.
Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.