Bayreuth: Die Walküre 10.8.2015
Wolfgang Koch (Wotan). Foto: Bayreuther Festspiele
Bei der Walküre – 1.Tag von Wagners Bühnenfestpiel – kommt wieder die sicher 5000 km von Texas entfernt liegende historische Ölbohrstation Baku in Aserbaidschan zum Zug. Hier möchte Castorf auch eine Verbindung zwischen der russischen Revolution und Wagners Revolutionswirken1848 und noch während der Entstehungszeit des Rings im Züricher Exil ziehen. Das kann aber nur relativ oberflächlich stattfinden, da die eingespielten Filme über den militärischen Sieg der Sowjets über die Nazi-Herrschaft und die revolutionären Sprüche aber in kyrillischer Schrift sowie der Kampf um die Erdölraffinerie doch zu weit weg vom Inhalt erscheinen.
Ein ganz ruhiger Beginn mit Siegmund und Sieglinde führt zu ihrem Wiedererkennen als Zwillingsgeschwister, und da gibt es auch für den sonst etwas steifen Johan Botha, der gesanglich wie ein Meister Stolzing mit angenehmen bis glutvoll timbriertem Timbre aufwartet, kein Halten mehr: mit einer heftigen Umarmung der jungen blonden Anna Kampe versichert er sich seines neuen Glücks, das durch das von Sieglinde aus dem Innern des Ölturms herausgeholte Wotanschwert besiegelt wird. In diesem immer vorwärts weisenden Genrestücken, in den vom Sublimen bis ins Phantastische reichenden Aufbau der orchestralen (Kammer)musiken, leistet Kirill Petrenko wieder geschliffene Detailarbeit.- Aus einer anderen Perspektive zeigt sich im 2.Akt ein Baku-Idyll. Es ist der Sitz eines asiatischen Satrapen, der nach einem Kurzempfang seines Ministers Brünnhilde seine erste Ehefrau Fricka eine Audienz gewährt. Diese tritt als schwarzvermummte orientalische Prinzessin wie aus 1001 Nacht auf und versteht es, den Gemahl für eine Sache, nämlich die Bestrafung eines blutschänderischen Ehebrechers zu bewegen, indem sie den Satrapen hinreichend bezirzt. Den Tod verkündigt Brünnhilde Siegmund sinnigerweise von der Höhe des Bohrturms herab, während der Zweikampf Siegmund – Hunding gnädigerweise in das Innere von dessen Anbau verlegt wird. Der Walkürenritt nimmt sich zunächst wie eine feierliche Zusammenkunft der Haremsdamen auf der mittleren Terrasse des Turmgeländes (alles aus massivem Holz) mit Buffet aus. Die zuletzt eintreffenden Brünnhilde und Sieglinde werden wieder in filmischer Nahaufnahme ‚verfolgt‘ und in das sich konvulvisch zuspitzende Geschehen eingebracht. Den Umschlag einer repräsentativen Haremsfeier in eine katastrophale Ekstase durch Wotans furchtbare Racheandrohung im Gewimmel von zu Furien gewordenen Haremsdamen leistet Castorf mit seinen eigenen choreographischen Fähigkeiten. Bei der folgenden Vater -Tochter – Aussprache darf dann auch die Ölraffinerie noch mal mitspielen, bis Wotan beim Feuerzauber und der Schlaflegung Brünnhildes ein großes Ölfass anbrennen lässt.
Der eher getragen genommene Walkürenritt wirkt in Petrenkos Interpretation gestochen begleitet und dynamisch harmonisch spannend aufgebaut. Sehr gefühlsbewegt und mit der Sängerin atmend wird Brünnhildes Rechtfertigung begleitet. Wotans ‚Als stolzer Jugend mir verblich‘ und sein Abschiedsgesang geben hier dem Sänger Gelegenheit, sein Bestes zu zeigen. Wieder mal kamen die Holzbläser ganz schimmernd, dabei sehr plastisch herüber.
Ein ausnehmend kompetentes mit einigen super Stimmen besetztes Walküren-Oktett von auch im Timbre aufeinander abgestimmten Stimmen ergaben Allison Oakes, Dara Hobbs, Claudia Mahnke, Nadine Weissmann, Christiane Kohl, Julia Rutigliano, Simone Schröder und Alexandra Petersamer. Claudia Mahnke kommt auch als Fricka mit bester Diktion und exquisiten gesanglichen Mitteln herüber. So keck und verwegen auch mit süffisanten stimmlichen Spitzen als asiatisches Fräulein hat man sie noch selten gehört. Der Hunding des Kwanchul Youn verbleibt figürlich etwas blass, kann seinen Bass aber auch ‚orgeln‘, für Bayreuth erscheint er unersetzlich. Alleskönner Wolfgang Koch ist wieder als Wotan, wenn auch z.T. als asiatischer gut am Werk. Auch Catherine Foster ist mit ihrem samtweich timbrierten Sopran und glasklar und gekonnt anpeilenden Höhen für die Brünnhilde eine Idealbesetzung. Die eigentliche Palme gebührt aber der Anfang des 3.Aktes dann fliehenden Anja Kampe, die auch mit markantem tiefem Register der Sieglinde wirkliches Leben einhaucht. Dabei ist sie von sehr graziler Gestalt und deutet ihre Erinnerungen, Träume und Hoffnungen in aufblühender Fraulichkeit sanglich aus, um dann wieder vom Horror der Trennung, des bevorstehenden Endkampfes und der Todesvision in atemberaubenden Gesängen überwältigt zu werden.
Friedeon Rosén