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BAYREUTH: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG

25.08.2019 | Oper


Klaus Florian Vogt, Camilla Nylund. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele

Bayreuth: Die Meistersinger von Nürnberg  24.8.2019

Aufs Ganze gesehen geben Die Meistersinger auch im 3.Jahr der Barry-Kosky-Inszenierung keine größeren Probleme auf, abgesehen vielleicht von der Karikatur des Kopfes eines orthodoxen Juden aus der Satirezeitschrift  ‚Kikeriki‘ im 19.Jahrhundert. Dieser riesig vergrößerten Kopf fällt Ende des 1.Aktes wie guillitoniert nach vorn auf den Boden der Bühne. Vorher hatte Kosky schon gezeigt, wie mit dem Parsifal-UA-Dirigenten Hermann Levi in Wagners Villa Wahnfried umgesprungen wurde. Dabei verhedderte er sich aber etwas. Hier wird zu dem Gottesdienst in der Katharinenkirche, wo Stolzing und Eva sich treffen, was szenisch aber  in die die Bibliothek von Wahnfried verlegt ist (der Chor singt aus dem Off), der 1.Akt Meistersinger gespielt, und Levi muß während des Chores immer mitknien, sich bekreuzigen, mit Weihwasser besprengen, sich setzen und wieder aufstehen. Wagner an seiner Seite befiehlt  ihm das sozusagen. Das ist aber katholischer Ritus, und Wagner war aber bekanntlich evangelischer Christ. Bei den ‚Protestanten‘ steht man nur zum Gebet auf, alle weiteren Riten sind abgeschafft. Also kann Kosky die Lacher auf seiner Seite haben, der ‚Realtät‘ entspricht es aber nicht. 

An den das Bühnenbild beherrschenden Gerichtsaal der Alliierten in Nürnberg  hat sich inzwischen jede/r gewöhnt. Es ist ja verständlich, wie Kosky zurecht meint, daß einmal über die deutschen Kollektive, zu denen er auch die Stadt Nürnberg zählt (und wie sie ja im Namen der Oper enthalten ist) zu Gericht gesessen werden muß. Aber das hat ansonsten für die Regie keine weiteren Auswirkungen: im Gerichtssaal wird getanzt und gesungen, es geht krachledern her. Aber zum Schluß verschwindet der Gerichtsaal mit den alliierten Wachen, und Sachs wird auch seine Zuhörerschaft für die Ansprache entzogen. Das regt aber keine/n auf, weil ja das Orchester (auch ein Kollektiv) hereingefahren kommt, dessen Leitung Sachs sofort übernimmt (diesmal auch Cosima als ‚lange‘ Muse davor hingegossen). Und daß Stolzing und Eva auch ohne Meisterwürde glücklich werden, ist für Kosky ausgemacht und geht im allgemeinen Applaus unter. Besonders gelungen erscheint die Inszenierung ja der Meistersinger selber, ein überaus witziges dabei aber auch altbackenes Kollektiv. Es werden sämtliche Buffo-Karten ausgereizt.

Dazu gibt es wieder eine blitzsaubere musikalische Gestaltung. Bis ins kleinste Detail hat Philippe Jordan, der von der Pariser Oper an die Wr.Staatsoper wechselt, die Partitur aufbereitet und hält zu sehr sauberem klangreichem Spiel an. Somit kommt auch zusammen mit der Szene nie Langeweile  auf. Jede einzelne Motivik wird wie ein Juwel aufbereitet, und die Verschmelzung der einzelnen Instrumente ist soweit fortgeschritten, daß man eigentlich keine Soli herausheben kann/möchte, höchstens sie Geigen, aber die spielen ja in Kollektiv.

Die Beckmesserin namens Helga wird im 3.Akt von der Harfenistin Ruth-Alice Marino auf der Bühne gespielt. Die kleine Harfe scheint aber eher eine Nachbildung einer barocken Laute zu sein, hat ja einen eher Harfen unähnlichen Klang. Die Chöre unter Eberhard Friedrich machen wieder einen gewohnt guten Job. Aus Ihnen sind sicher auch die je 8 Damen und Herren der Lehrbuben besetzt, und die haben viel Spaß an ihren gelungenen Auftritten in unisex gehaltenen Renaissancekostümen von Klaus Bruns. 

Den Nachtwächter gibt Wilhelm Schwinghammer, somit in fast allen diesjährigen Opern vertreten, aber aus dem Off und stark in dem Musikfluß eingebunden. Die Magdalene wird von Mezzosopran Wiebke Lehmkuhl übernommen, seit dem Vorspiel zuerst noch Bedienung in Wahnfried, später ohne Schürze schwarz gewandet wie Cosima/Eva. Diesmal kommt bei ihrem angenehmen Gesang gut zur Geltung, daß sie David den Korb mit Lebensmitteln erst aushändigt, nachdem dieser Beckmesser verprügelt hat, der sich erdreistete, sie (anstelle von Eva) mit seinem von Sachs mit Schusterhammer zerschlagenem Ständchen zu nerven (die verkleidete Lene gut sichtbar im Fenster des Nürnberger Gerichtsaals). Die Darsteller der Meistersinger sind T.Rihonen, A. Hörl, R.Nolte, S.Heibach, C.Kaplan, P.Kaufmann, A.Kolarczyk und T. Akzeybek, ein in jeder Hinsicht flexibles Oktett. Der besonders täppische Fritz Kothner  (Sprecher) ist Daniel Schmutzhard,und singt (baß)baritonal adäquat. Seinen sonoren Baß verströmt Günther Groissböck diesmal als Pogner, wobei er auch enge Vaterbeziehungen zu Evchen pflegt. Diese hat mit Camilla Nylund die bisher beste Rollenvertreterin bei dieser Inszenierung übernommen. Ihr geschmeidiger gut geführter Sopran fügt sich auch gut ins Ensemble- Quintett 3.Akt. Sie kommt als Cosima dem fast immer bühnenpräsenten Lehnbach?- Porträt nahe und ‚verträgt‘ sich gut mit Klaus Florian Vogt. Den David singt wieder erstklassig lyrisch tenoral Daniel Behle, aber eben als Secondo uomo neben dem altbewährten Stolzing des K.F Vogt. Obwohl für mich ein noch besserer Lohengrin, hat er die Partie des Junkers bestens im Griff und kann beim Publikum groß absahnen. Sein trompetenhaftes Timbre erscheint einmalig. Den Beckmesser übernimmt für den erkrankten H.M. Kränzle Martin Gantner und fügt sich nahtlos ein. Mit seinem markigen, dabei angenehmen Bariton kann er punkten und hat auch die Kränzle-spezifische Spielastik schon etwas drauf. 

Zur Congenialität mit Micheael Volle (Sachs) fehlen aber noch ein paar Schritte. Dieser läßt wieder keine Wünsche übrig als geschmeidiger Darsteller und wunderbarer Baßbariton. Sein Timbre kommt bei jeder farblichen Variation in den verschiedenen Gesängen und den primär rhetorischen Partien gleichermaßen extrem kultiviert herüber. Mit so einem Sänger und lockerem Darsteller kann es bei dieser wohl längsten festspielwürdigen Oper nie langweilig werden.                                                                         

Friedeon Rosén

 

 

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