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BAYREUTH: DER RING DES NIBELUNGEN – Zyklus 1. Konzeptionelle und szenische Nachbetrachtung

02.08.2016 | Oper

Konzeptionelle szenische Betrachtung des Ring 1 der Bayreuther Festspiele 2016 (26. bis 31. 7. 2016)


Copyright: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Da an dieser Stelle schon mehrfach die szenische Darstellung  ausführlich und fachkundig behandelt wurde, erübrigt sich eine Detailbeurteilung.

Die Regie mit Frank Castorf an der Spitze, (Kostüme Adriana Braga Peretzki, Bühne Aleksandar Denic, Video Andreas Deinert und Jens Crull) hat  bei ihrem Konzept die beiden Gesellschaftssysteme, nämlich den sozialistischen Kommunismus östlicher Prägung und den Kapitalismus westlicher Prägung gegenüber gestellt. Berlin wurde gewählt, weil hier beide Systeme auf engstem Raume gegenüber stehen. Dabei werden von beiden Systemen die Schwachstellen offen gelegt.

Das ist ganz im Sinne Richard Wagners, der er ja bei Beginn seiner Tetralogie während des Dresdner Aufstandes, seine Erfahrungen diesbezüglich verarbeitet hat. Bei Wagner kann eine Gesellschaft ohne Menschlichkeit nicht existieren. Das zeigen Sieglinde und Brünnhilde, die beide evident gegen alle Konventionen und Verbote, für ihre Liebe eintreten.

Neu ist auch die Charakterisierung des herrschendes Gottes “Wotan”, der hier als skrupelloser und lüsterner Patriarch dargestellt wird. Im Prinzip ist Wotan kein Jota besser als sein Kontrahent Alberich. Nur kommen durch seine aristokratische Erscheinung und seine Rhetorik die wahren Absichten nicht eindeutig zur Geltung.


„Siegfried“( Berlin Alexanderplatz). Copyright: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Die zeitliche Abfolge ist nicht chronologisch und die mythologischen Symbole werden je nach Bedarf durch realistische Werkzeuge  ersetzt. So muss im zweiten Akt der Götterdämmerung bei Siegfrieds Schwur eine Holzlatte den Eid beschwören, während  Brünnhilde ihren Eid mit dem echten Speer singt, weil nur ihre Aussage wahrhaftig ist. 

Eine große Bedeutung haben die vielen Videoeinblendungen. Einerseits werden viele Szenen zur Freude der Zuschauer in den hinteren  Besucherreihen zusätzlich in Großformat gezeigt. Andererseits bekommt man Einblicke in nicht einsehbare Räume. Beispielsweise sieht man die Sängerdarsteller beim lustvollen Treiben mit den Rheintöchtern.

Zusätzlich bekommt man Hintergrundinformationen, die nicht handlungsrelevant, aber störend auf den Musikgenuss sind, weil sie meist dann erscheinen, wenn große Musikpassagen zu hören sind. In Rheingold ist es bei der Erda Szene und in der Götterdämmerung wird während Siegfrieds Trauermarsch Hagens Umherirren im Wald gezeigt, was seine Verzweiflung  signalisieren soll. Das ist nicht nachvollziehbar, denn kurz darauf präsentiert er stolz die Leiche Siegfrieds. Diese unsinnigen Videoausschnitte sind fast in allen Akten der Tetralogie zu sehen.

Auch szenische Einflüsse, wie der Erdölbohrer während Wotans Abschied in Walküre und die Krokodile im Siegfried zielen eindeutig auf das Ablenkmanöver. Angeblich sollen am Ende des zweiten Weltkrieges Krokodile aus dem Zoo entlaufen sein und über die Kanalisation auf dem Alexanderplatz gelangt sein Während dies die Zuschauer schon in der Premiere 2013 in den Pausengesprächen ausgiebig thematisiert haben, hat man medial kaum etwas erfahren. 

Anstatt mit dem für die Musik verantwortlichen Team zu kooperieren, setzt Herr Castorf auf Konfrontation.

Wie immer bei solchen Auseinandersetzungen, sind hier eindeutig die Zuschauer die Verlierer, weil sie das Ergebnis tatenlos über sich ergehen lassen müssen. Ein Dilemma, das immer mehr um sich greift.

Dabei hätte diese Inszenierung vielleicht Ringgeschichte schreiben können. Die Bühnenbilder wurden mehrfach mit Auszeichnungen bedacht, das Konzept deckt sich im Allgemeinen mit der Idee Richard Wagners zu seinem “Ring”. Auch kommt der Humor nicht zu kurz und für Spannung ist auch gesorgt. Herr Castorf hätte sich nur ein wenig an die Regeln halten müssen, die Richard Wagner zu seinem Musiktheater aufgestellt hat. Die vielen sinnlosen und störenden Regieeinfälle hätte er weglassen müssen und versuchen sollen, eine Einheit mit dem Musikgeschehen  zu bilden.


„Götterdämmerung“. Copyright: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Leider ist kein Vertreter der Regie vor das Publikum getreten, denn wahrscheinlich wäre das Votum des Publikums ähnlich negativ ausgefallen wie bei der Premiere im Jahre 2013.

Von der Regisseurin Ruth Berghaus stammt angeblich das Zitat: Wenn bei meiner Inszenierung nicht einige “Buhs” vom Publikum kommen, habe ich etwas falsch gemacht. In ‘Ergänzung dazu könnte ein Spruch von Herrn Castorf lauten: Wenn am Ende des Ringes der überwiegende Teil des Publikums meine Arbeit ablehnt, habe ich alles richtig gemacht.

Allgemeine musikalische Betrachtung vom Ring 1 der Bayreuther Festspiele 2016

Da an dieser Stelle diesbezüglich noch eingehend berichtet werden wird, wird deshalb nur oberflächlich auf den Ring 1 der diesjährigen Bayreuther Festspiele eingegangen.

Dass bei dem neuen musikalischen Leiter des “Ringes 2016“, Marek Janowski, die Interpretation anders gestaltet wurde, war von vorneherein klar. Während sein Vorgänger, Kirill Petrenko, detailbesessen war, legt sein Nachfolger seinen orchestralen Schwerpunkt auf die augenblickliche Stimmungslage. Beispielsweise ist in der Walküre im ersten Akt eine innerliche Unruhe und Zerrissenheit zu spüren, indem er die Tempi an vielen Stellen anzieht, dadurch wird eine enorme Wirkung auf den Zuhörer ausgeübt. Die Leidtragenden sind hier die Sängerdarsteller, weil sie manchmal diese Tempi nicht mitgehen können. Besonders auffallend war dies beim diesjährigen Siegmund  “Christopher Ventris”. Auch fehlte oftmals die Kommunikation mit den Sängern. So stimmten die Einsätze der Rheintöchter in der Götterdämmerung anfangs überhaupt nicht und die letzten drei Worte “zurück vom Ring” vom Hagen (Albert Pesendorfer mit großem Stimmvolumen und präziser Diktion) wurden bedauerlicherweise weg gelassen. Man hat den Eindruck, dass Herr Janowski sich nicht mit dieser Inszenierung anfreunden kann. Auf der anderen Seite sind die Übergänge von Musikpassagen beispielsweise in der Götterdämmerung von beeindruckender Stärke, wobei die Abstimmung zwischen Blech und Streicher je nach Situation variiert.

Ähnlich wie in einer Großfamilie, werden Unstimmigkeiten  zwischen den Beteiligten nach eingehenden Gesprächen ausgeräumt sein und der Erfolg wird bei den nächsten Vorstellungen erkennbar werden, da kann man sicherlich davon ausgehen.

Bei den Sängerdarstellern hat es etliche Neubesetzungen gegeben. Den Wotan im Rheingold sang Iain Paterson, der abgesehen von einigen Wacklern seinen Part gut meisterte. Den Wotan in der Walküre und den Wanderer im Siegfried sang John Lundgren, ein ebenbürtiger Vertreter von Wolfgang Koch.

Stefan Vinke bewältigte die Mammutpartie im Siegfried mit Bravour, während in der Götterdämmerung sängerisch einige Ermüdungserscheinungen zu verzeichnen waren. Die Pause von nur einem Tag ist einfach zu knapp bemessen.

Wenn man eine Person aus dem Ring 1 hervorheben muss, ohne dabei die übrigen Beteiligten zu benachteiligen, so ist es die Brünnhilde, interpretiert von  “Catherine Foster”. Frau Foster hatte eine große Ausdruckstärke, feinfühliges Piano, sichere Höhe, absolute Hingabe und keinerlei Verschleißerscheinungen an allen drei Abenden.

Sie hat seit ihrer Premiere im Jahre 2013, wo sie noch einige Buhs einstecken musste, eine enorme positive Entwicklung genommen, die bewundernswert ist. Dank ihrer ausgezeichneten Technik wird sie noch lange diese Rolle ausfüllen können.

Franz Roos

 

 

 

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