Bayreuth: Castorf-Petrenko-Ring/Das Rheingold 9.8.2015
Wilhelm Schwinghammer, Andreas Hörl. Foto: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawarath
Zum 2.Mal wird der F.Castorf-K.Petrenko-Ring bei den Festspielen wieder aufgenommen. Es scheint, daß sich der ostdeutsche Regisseur in seine Geschichte bei ‚Rheingold‘ immer mehr verliebt hat, eine bunt schillernde, glamouröse Texas-Soap opera um einen Familienclan, der sich in einem Luxusmotel eingenistet hat. Man kann sich dabei gar nicht vorstellen, daß alles so schnell gespielt wird, wie oben der ‚zugehörige‘ Film oft in Großaufnahmen abgespult wird (Videoassistenz: Markus Heilmann, Maryvonne Riedelsheimer). Das feine Loft ist dreistöckig mit Dachterrasse, im Parterre spielen die Rheintöchter als Edelnutten aufgetakelt mit Alberich am Pool herum, der sich auf seiner Erholungsliege wie ein lungenkranker Hans Castorp von den Girlies aufreizen läßt. Verärgert über die verweigerte Endbefriedigung zieht er mit den im Pool entdeckten Goldbarren ab, die Ölmetapher für das Gold kommt dies Jahr aber weniger zum Tragen. Während sich oben Wotan wahlweise mit Fricka und Freya auf dem Bett vergnügt, treten plötzlich die Riesen wie Gangster-Unternehmer auf, die eine Rechnung mit Wotans offen haben. Die Nibelheim-Szene findet dann an der Tankstelle statt, wo Alberich seinen schicken silbergrauen Wohnwagen mit den Goldbarren geparkt hat. Noch turbulenter geht es bei der Goldübergabe zu, wo die Riesen im oberen Loft gleich die Inneneinrichtung samt Betten aus dem Fenster raus werfen, um Freya auf dem Bettgestell mit dem Gold zuzudecken. Natürlich ist Wotan, der auch sonst bei Castorf wie ein Gauner im feinen rosa Zwirn erscheint, von Erda sofort erotisch angeturnt, und die Rheintöchter, die mit einem Luxus Mercedes abgefahren waren, sieht man bei ihrer Reprisen-Klage auf der Leinwand schwimmen. Aleksandar Denic/Buehne und Acraiana Braga Peretzki/Kost. stellten wieder die fantastische Ausstattung zusammen.
Nach einem prickelnden in die Es Dur-Gefilde gestrahltem Vorpiel zeigt sich gleich die Klasse des Rheintöcher Ensembles Mariella Hagen/Woglinde, Julia Rutiglaino/Wellgunde und Anna Lapkovskaja/Floßhilde. Wie blonde Drag-Queens agierend singen sie dabei so ganz natürlich und mit bestechend kristallinen (Mezzo)sopranen. Da ist es für die Göttinnen Claudia Mahnke, Allison Oakes und Nadine Weissmann gar nicht so einfach, mitzuhalten. Letztere ist eine interssante Type im Pelz, die Stimme ist aber für die Erda eher hell timbriert und damit manchmal auch nicht konsistent genug. Allison Oakes‘ Freya fällt im schwarzroten enganliegenden Latex-Kostüm, das sie sich für die Extra- Riesen-Behandlung angezogen hat, noch mehr auf. Albert Dohmen ist als Alberich eigentlich ein soignierter Herr, der erst durch Loge und Wotan aus der Ruhe gebracht wird, mit einem gedunkelten Alberich-Bariton, den er wohldosiert einsetzt und erst durch taktische Ring-Verfluchung noch mal aus der Nummer heraus kommt. Als sein Bruder Mime ist Andreas Conrad eine super Entdeckung, der seine Stimme sehr lautmalerisch einsetzen kann. Als eingespieltes Team agieren wieder Wilhelm Schwinghammer/Fasolt und Andreas Hörl/Fafner, auch stimmlich interessante Pendants. Bei den Göttern ist Lothar Odinius ein ätherisch räsonierender Froh, Daniel Schmutzhard in seinem Schlussgesang markant baritonal auch ein ausstaffierter Gangster mit Schlapphut. John Daszak ist ein lyrischer Loge, mit bestem Stimmpotenzial und mit Wotan Wolfgang Koch ein bestens eingespieltes Duo. Dieser kann in seinem vorläufig letzten Wotan Auftritt höhensicher brillieren als wirklich larmoyanter „fertiger“ Götterchef.
Kirill Petrenko legt wieder ein ausgepicht tolles Dirigat für ‚Rheingold‘ vor, so dass ein einheitliches Gesamtkunstwerk jederzeit verwirklicht erscheint. Im Graben werden nicht nur die berückenden Holzbläser-Soli gut ausgehört gespielt. Hier stört die ‚Verdeckelung‘ keinesfalls.
Friedeon Rosén