Basel: Theater Basel – Grosse Bühne – Ballett Basel: „Peer Gynt“ – Besuchte Aufführungen: Die beiden letzten: 20./22.06.17
Genuss auf der Bühne – Verdruss im Parkett
Die beiden letzten Aufführungen von „Peer Gynt“ in der Choreographie von Johan Inger bilden den fulminanten Schlusspunkt einer ohnehin sehr erfolgreichen Saison des Balletts Theater Basel. Das Sinfonieorchester Basel (SOB) unter der Leitung von Thomas Herzog trägt seinen grossen Anteil an diesen beiden fantastischen Vorstellungen bei. Der Dirigent hat sowohl das Orchester als auch das Geschehen auf der Bühne stets im Griff und sorgt einerseits für musikalischen Hörgenuss sowie auch für tanzbare Tempi für die Tänzerinnen und Tänzer, welche in dem Streifzug durch die verschiedensten choreographischen Sprachen, welche Inger in seinem Stück miteinander verwebt, ihre tänzerische Vielfalt gekonnt unter Beweis stellen. Allen voran natürlich Frank Fannar Pedersen, der als Peer Gynt, mit welchem Johan Inger seinen eigenen Weg vom Tänzer zum Tanzschaffenden aufzeigt, brilliert. Sergio Bustinduy als Peers Mutter Aase stellt sein sowohl komisches als auch tragisches Talent berührend unter Beweis. Auch als Meister der raschen Improvisation kann sich der Tänzer beweisen, als er in der letzten Vorstellung unfreiwillig bei einer Hebung aus Peers Händen rutscht, dabei wohl nicht ganz schmerzfrei zu Fall kommt, die Situation spontan umstellt und weitermacht, als wäre nichts geschehen. Wer das Stück zum ersten Mal gesehen hat, hat davon nichts bemerkt – so souverän hat Sergio Bustinduy diese heikle Situation gerettet. Von all den übrigen grossartigen Tänzerinnen und Tänzern sei erneut der fantastische Armando Braswell als der „Krumme“ erwähnt. Er besticht nebst körperlicher Virtuosität auch in Mimik und Ausdruck – ein technisch grossartiger Charaktertänzer! Ihm wünsche ich für die kommende Saison viele grosse Rollen! Berührend geraten der Sängerin Stefanie Knorr als Solveig die Lieder aus Griegs Bühnenmusik.
Spezielle Erwähnung verdient aus entsprechendem Anlass auch das Publikum: Schade, dass eine kleine aber dafür spürbare Zahl Zuschauer die grossartigen Leistungen auf der Bühne und im Orchestergraben nicht richtig zu würdigen weiss und durch unangebrachtes Verhalten den Genuss der Mehrheit schmälert: Es ist mir also ein Rätsel, warum eine Lehrperson mit einer Klasse von 10 bis 12jährigen Kids diesen anspruchsvollen Abend offenbar ohne vorherige Vorbereitung besucht. Für Zuschauer, welche einen beträchtlichen Betrag für einen schönen Platz im Parkett zahlen und dann durch überforderte Kinder, welche von den verantwortlichen Begleitpersonen nicht zurecht gewiesen werden, gestört werden, ist dies eine Zumutung. Und: Gelangweilte Kinder werden wohl kaum das zukünftige Theaterpublikum! – Oder was ist von den beiden Damen zu halten, welche nach der Pause ihr Eis während der Aufführung zu Ende essen – und den Eisbecher selbstredend unter dem Sitz entsorgen wollen?
Wie auch immer: Gönnen wir unserer grossartigen Ballettcompagnie und dem Sinfonieorchester eine erholsame Sommerpause – Bravo, bravi – wir freuen uns auf die nächste Spielzeit!
Und: Wünschen wir Lehrpersonen die Erkenntnis, dass ein Theaterbesuch als unvorbereiteter Unterrichtslückenbüsser nicht geeignet ist und mindestens zwei Damen ein besseres Zeitmanagement, damit der Eisgenuss vor dem Ende der Pause abgeschlossen ist. Dann wird Theater für alle Beteiligten auf der Bühne und im Zuschauerraum zum uneingeschränkten Genuss.
Michael Hug