Giuseppe Verdi: Rigoletto • Theater Basel • Vorstellung: 29.01.2023
(3. Vorstellung • Premiere am 21.01.2023)
Überaus gelungene Modernisierung
Der neue Basler «Rigoletto» funktioniert immer besser und sorgt für hervorragende Auslastung. Die überaus gelungene Modernisierung findet das Gefallen des Publikums.
Foto © Matthias Baus
Sowohl die Vorlage zur Oper, Victor Hugos «Le roi s’amuse», wie die Oper selbst, hatten bei ihrer Entstehung Konflikte mit der Zensur zu bestehen. Nach der Juli-Revolution 1830 und der Inthronisation des Bürgerkönigs Louis Philippe, war die Gesellschaft etwas liberaler geworden, und es ist anzunehmen, dass es Hugo nun als möglich erachtete, die Zustände an einem absolutistischen Hof auf der Bühne zu zeigen. Dem war aber nicht so, es gab immer noch kleinere oder grössere Aufstände und die Zensur wertete das Stück als Beleidigung des amtierenden Monarchen und verbot es nach der zweiten Aufführung. Ganz ähnlich war die Situation zwanzig Jahre später in Venedig. Die Stadt war habsburgisch besetzt und die aufständische «Repubblica di San Marco» von fast eineinhalb Jahren Dauern erst vor kurzem niedergeschlagen. Es gab immer noch Unruhe in der Stadt (wie im ganzen habsburgisch besetzten Italien) und entsprechend blühte die Zensur. Gut drei Monate vor der Uraufführung verbot die Zensur das Stück. Kritikpunkte waren unter anderem die historische Verortung, Triboulets Buckel und der Leichensack im letzten Bild. Bei der historischen Verortung zeigte sich Verdi flexibel und so wurde der Plot an den Hof der ausgestorbenen Gonzaga nach Mantua verlegt. Die für Verdi wesentlichen Elemente blieben erhalten: der Buckel (die körperliche Entstellung), der Fluch und der Leichensack. Bleiben die wesentlichen Elemente der Handlung erhalten (hier Buckel und Leichensack), sind Zeit und Ort (hier Chambord im 16 Jh. oder Mantua im 18. Jh.) bei sorgfältiger Arbeit sekundär.
In Vincent Huguets Inszenierung bleiben die wesentlichen Elemente erhalten. Rigoletto ist körperlich entstellt und gesellschaftlicher Aussenseiter und Rigoletto muss in dem Sack, in dem er die Leiche des Herzogs glaubt, die Leiche seiner Tochter Gilda entdecken. Huguet verlegt die Handlung nun in eine nicht weiter definierte Gegenwart, denn die im Libretto beschriebene Gesellschaft am Hofe in Mantua ist insofern zeitlos, als dass sie in der Gegenwart genau so denkbar ist. Der Duca ist jung, sportlich, kräftig und finanziell bestens gestellt. Und da passt die Yoga-Stunde zu Beginn des Zweiten Akts bestens ins Konzept. Denn sportlich ist der Duca – wann hat man schon einen Tenor, der zu Beginn seiner grossen Szene Liegestütze im Handstand macht – und so viel trainierte, leicht bekleidete Damen dürften ebenfalls nach seinem Geschmack sein. Huguet hat die Partitur sehr genau studiert, so dass seine Personenführung purer Genuss ist. Pierre Yovanovitch hat ein in seiner eleganten Schlichtheit atemberaubendes Bühnenbild entworfen. Die kreisrunden Wände auf der Bühne, eine davon mit einer langen Treppe, verengen sich mit zunehmender Dramatik immer mehr. Das Lichtdesign von Cornelius Hunziker unterstützt den Sog der Handlung ganz massgeblich mit.
Foto © Matthias Baus
Pavel Valuzhins Tenor (Herzog von Mantua) strömt und klingt an diesem Abend deutlich freier. Seine Atemtechnik verdient ein besonderes Lob. Valuzhin entwickelt eine gute Bühnenpräsenz und setzt Huguets Konzeption ideal um. Nikoloz Lagvilava gibt den Rigoletto mit beeindruckendem Bariton und, wie sein Dienstherr, mit endlosem Atem. Stünden seiner Stimme mehr Farben und Schattierungen zu Gebote, käme seine Interpretation in die Reichweite des Idealen. Die Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann dürfte für einige Zuschauer der Grund des Opernbesuchs sein. Ihre Interpretation der Gilda punktet vor allem im szenischen Bereich. Trotz perfekter Technik, sauberen Verzierungen und glasklaren Höhen fehlt es der Stimme an Fundament, an Verankerung im Raum. Nataliia Kukhar gibt eine tadellose Maddalena, David Shipley einen diskreten Sparafucile. Artyom Wasnetsov als eindrücklicher Graf von Monterone, Frauke Willimczik als Gildas Gesellschafterin Giovanna, Jasin Rammal-Rykała als Graf Ceprano, Inna Fedorii als Gräfin Ceprano, Kyu Choi als Marullo, Ronan Caillet als Borsa und Vivian Zatta als Gerichtsdiener ergänzen das Ensemble.
Das Sinfonieorchester Basel unter musikalischer Leitung Michele Spotti folgt seinen eher raschen Tempi bedingungslos und schwelgt in Verdis wunderbaren Klängen. Michael Clark hat den Herrenchor des Theater Basel wie gewohnt bestens vorbereitet.
Viva Verdi!
Weitere Aufführungen:
Sa. 04.02.2023; So. 12.02.2023; Do. 16.02.2023; Fr. 24.02.2023; So. 05.03.2023; So. 19.03.2023;
Mo. 10.04.2023; Fr. 21.04.2023; Sa. 29.04.2023; Do. 18.05.2023; Di. 06.06.2023; Mi. 21.06.2023.
30.01.2023, Jan Krobot/Zürich