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BASEL/ Theater: OTHELLO X – Schauspiel von Nuran David Calis nach W. Shakespeare. Uraufführung

27.10.2018 | Theater

Theater Basel: „Othello X“, Schauspiel von Nuran David Calis nach W. Shakespeare – UA 26.10.2018

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©Sandra Then

Der in Deutschland als Sohn armenisch-jüdischer Einwanderer aus der Türkei geborene Autor und Regisseur Nuran David Calis tritt gleich zu Beginn auf die Bühne und liest mit stockender Stimme seinen Text ab: Wie er in der deutschen Plattenbausiedlung als Aussenseiter aufwuchs, von Deutschen als „Dreckstürke“ beschimpft und von den Moslems als „Kaffir“ (Ungläubiger“) verschrien. Wie er sich hinter einer Maske eines gläubigen Moslems versteckt, um zu überleben.

Durch seine Erfahrungen als Ausgegrenzter habe ihn Shakespeares Othello immer fasziniert, ein Dunkelhäutiger in einer weissen Welt. Calis versetzt nun die ganze Szenerie nach New York, in ein Plattenstudio mit dem passenden Namen „V.E.N.I.C.E“. Wollte er ursprünglich einen weissen Sänger inmitten schwarzer Studiobosse, Sänger und Mitarbeiter gegen Ausgrenzung kämpfen lassen, musste er diesen Plan mangels schwarzer Darsteller bald aufgeben.

Um Rassismus geht es dem Regisseur also. Und weil dies nicht ohne Stigma geht, wird der Darsteller des Othello mit Hassparolen (z.B. „Kanake“) bemalt. Dazu lässt das Studio seinen Starsänger stets mit einer Maske als sein Markenzeichen auftreten, die wohl an die Maske der Verstellung erinnern soll, die der Regisseur im Plattenbau getragen hat.

Die Bühne (Irina Schicketanz) im Stil der 70er mit praktisch schwebendem Chefbüro, zu dem man über eine metallene Treppe kommt, ist recht beeindruckend. Die Protagonisten tragen passende bunte Schlaghosen, offene Shirts mit Goldkettchen, Paillettenkleider, Hippie-Overalls und dramatische Perücken (Kostüme: Geraldine Arnold). Im Hintergrund laufen die obligaten Videos (Geraldine Laprell) und Live-Kamera-Ausschnitte (Julian Gresenz).

Die in Hochform spielenden Darsteller haben die unglückliche Aufgabe, diesem Machwerk Leben einhauchen zu müssen. Othello ist mit dem athletischen Simon Zagermann eher fehlbesetzt, was aber nicht seine Schuld ist. Thiemo Strutzenberger schafft es immerhin, dem fiesen Jago mit seiner schleimig-süsslichen Stimme etwas Leben einzuhauchen. Grandios ist Thomas Reisinger als Studioboss „Senator aka The Duke“ und auch Liliane Amuat als Desdemona rackert sich als platinblondes cooles Superbabe im Glitzerfummel ab. Emilia (Pia Händler) tritt als nervige Journalistin auf, während Cassio (Florian Jahr) als nächster Shooting Star des Plattenlabels aufgebaut werden soll. Seine Freundin Bianca (Steffi Friis) hat er geschwängert, später schlägt er sie so, dass sie das Kind verliert. Urs Peter Halter als Rodrigo ist ein verkannter untalentierter Sänger, der im Hippie-Dunst dahinvegetiert.

Hätte der Regisseur Othello in der Plattenbausiedlung spielen lassen, in der er selbst aufgewachsen war, dann wären vielleicht etwas von den durchaus berührenden Momenten der authentischen Eingangsrede beim Publikum angekommen. So werden aber zu viele Aspekte vermischt, nichts ist stimmig, alles Flickwerk.

Weder geht es bei Othello um Rassismus (sondern um Macht und Eifersucht), noch konnte der Regisseur dem Stück diesen Aspekt verleihen. Ein paar aufgemalte Parolen reichen eben nicht zur Stigmatisierung. Auch die „Maskenerfahrung“ hätte anders verpackt werden müssen. Dass sich ein Christ/Jude als Moslem ausgibt, um zu überleben, wäre schon mal ein vielversprechender Ansatz. Das Verstecken des unbeschnittenen Penis im Schwimmbad allein wäre schon eine tolle Szene. Die Story nun in ein schwarzes Umfeld zu setzen, wo sich ein Weisser ausgegrenzt fühlt, ist schlicht ein Fehlgriff (vor allem hätte der Autor bei einem Auftragswerk die Machbarkeit vorab überprüfen sollen).

Eigentlich hat Calis nur einen anderen, von ihm völlig unbeabsichtigten Aspekt verdeutlicht: Den Sexismus. Sowohl Desdemona als auch Bianca werden von den Männern wie Dreck behandelt (dass Desdemona schliesslich von Othello auch noch mit dem Barhocker erschlagen wird und mit blutigem Kopf liegenbleibt ist nicht überraschend). „Du bist schuld!“ schreit Othello dann auch noch hinterher. Das war ja klar. Hashtag MeToo, Othello.

Fazit: Auftrag verfehlt, Thema verfehlt, falsches Stück gewählt,  das auch noch grauenvoll umgeschrieben. Note 1, setzen.

Alice Matheson

 

 

 

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