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BASEL/ Theater: NIRGENDS IN FRIEDE: ANTIGONE – Schauspiel von Darja Stocker nach Sophokles. Uraufführung

12.12.2015 | Theater

Theater Basel: „Nirgends in Friede. Antigone.“ Schauspiel von Darja Stocker nach Sophokles – UA/Pr 11.12.2015

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Cathrin Störmer, Nicola Kirsch, Lisa Stiegler @Sandra Then

 

Nein, kein Friede (im Nominativ durchaus auch ohne n). Nirgends. Hier nicht. Im antiken Theben nicht. Und in Syrien schon gar nicht. War ja klar, dass die Schweizer Dramatikerin Darja Stocker auch den armen Sophokles in den arabischen Frühling zerrt. Und dass es die Flüchtlingsströme sind, die vor den eisernen Gittern – oder Grenzzäunen – des thebanischen Palastes verhungern.

Herhalten muss Sophokles, mehr nicht. Der zu begrabende Polineikes lebt noch gut zwei Drittel des Stücks und hat sich auf die Seiten der Rebellen geschlagen. Sein Zwillingsbruder Eteokles hingegen kämpft auf der Seite des Diktators Kreon. Es kommt, wie es kommen musste: Bodenrakete gegen Luftrakete, und tot sind sie beide.

Hier steigt eigentlich die Originalgeschichte ein. Denn während der Tod des Eteokles gebührend gefeiert wird, verweigert Kreon dem Rebellen Polineikes ein anständiges Begräbnis. Antigone wagt es, sich dem König zu widersetzen und ihren Bruder zu bestatten. Herrschende Gesetze und Gewalt versus ethische resp. göttliche Moral, darum ging es Sophokles. Der innere Konflikt der Antigone war grausam.

Die Antigone von Stocker zerreisst es nicht. Schon längst hat sie dem Palastleben entsagt, gibt aus dem Untergrund Anweisungen mit dem Handy, organisiert die Rebellen. Die Loslösung von Haimon – ein für die antike Antigone noch grausames Opfer – fällt ihr da ganz easy. Zwar ist Antigone ständig wütend, über die Unruhen in Ägypten zum Beispiel, moralisch im Recht deswegen aber noch lange nicht. Die von Stocker angestrebte Diskussion zum Thema „Wer wird zum Helden ernannt, wer totgeschwiegen?“ kommt gar nicht erst auf.

Aber Regisseurin Felicitas Brucker geht noch einen Schritt weiter: Durch den Kunstgriff der Dreifaltigkeit der Antigone macht sie auch dem dümmsten Theaterbesucher klar: Wir sind Antigone. Wir alle. Wie wir Charlie sind. Wie wir Paris sind. Obwohl Nicola Kirsch, Cathrin Störmer und Lisa Stiegler ihre Sache gut machen, mit einer Menge kann man sich schlecht identifizieren, auf der menschlichen Ebene bleibt man unberührt.

Natürlich macht sich gleich die ganze Clique auf, die Leiche des Polineikes zu suchen. Interessanterweise entwickelt der im Original so zögerliche Gegenpol zur Antigone, ihre Schwester Ismene (die Entdeckung des Abends: Pia Händler), dabei – wie auch durch den ganzen Abend – die meiste Aktivität.

Antigone 3 (oder 1? oder 2?) tötet denn auch den als gesitteten Anzugdiktator auftretenden Kreon (glänzend: Steven Höld) – und sich selbst – stilecht mit einer Handgranate. Ob ihn das wohl schlimmer trifft, als wenn sich Sohn und Ehefrau umbringen?

Bleibt zu hoffen, dass weder Autorin noch Regisseurin Elektra in die Finger fällt…

Alice Matheson

 

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