Foto: Michael Hug
Basel: Theater Basel – Liberté – Sinfonieorchester Basel (SOB) – Nelson Goerner (Klavier) – Michal Nesterowicz (Leitung) – 21.11.18 (besuchtes Konzert) und 22.11.18
Ode an die Freiheit
Kurz nach der ersten öffentlichen Aufführung seines ersten Klavierkonzertes verliess Frédéric Chopin sein Heimatland Polen für immer – für den Komponisten der geografische und persönliche Befreiungsschlag. – Finnland kämpfte lange Zeit um seine politische Unabhängigkeit, die das «Land der tausend Seen» 1917 schliesslich erlangte. Dieses Streben nach nationaler Identität wurde nicht zuletzt durch die Musik von Jean Sibelius geprägt. – 1981 starb Kardinal Stefan Wyszynski, Schlüsselfigur im geistlichen Widerstand gegen das kommunistische Regime in Polen. Krzysztof Penderecki komponierte das «Agnus Dei», als er die Nachricht vom Tod seines Freundes und Förderers Wyszynski erhielt.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass das Sinfonieorchester Basel (SOB) sein jüngstes Konzert mit dem Titel «Liberté» versieht – es erklingt ein variantenreicher Reigen rund um das Thema aller Themen: Freiheit und Unabhängigkeit.
Ergreifend starten die Streicher des Sinfonieorchesters Basel (SOB) unter der Leitung von Michal Nesterowicz mit dem «Agnus Dei» aus dem «Polnischen Requiem» von Krzysztof Penderecki aus dem Jahr 1981. Die Fassung für Streichorchester stammt von Boris Pergamenschikow. Die Streicher musizieren mit grossem Engagement; es gelingt ein sauberer, fein differenziert und sensibel phrasierter und dadurch so betroffen machender Vortrag.
In seinen Klavierkonzerten stellte Frédéric Chopin ganz klar den Solisten und dessen Virtuosität ins Zentrum, dem Orchester kommt dabei die schlichte (?) Rolle des Begleiters zu. In «Liberté» erklingt das «Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll, op. 11 (1830)». Mit Nelson Goerner hat das SOB einen Pianisten gefunden, der mit grosser Virtuosität und herausragender Technik beeindruckt. Das Sinfonieorchester Basel (SOB) nimmt die ihm zugedachte Rolle als Begleiter zuverlässig wahr. Selbst wenn ich den Umstand berücksichtige, dass ich hier ein «Virtuosenkonzert» höre, in welchem eben der Solist der «Star» ist, empfinde ich das Spiel des SOB hier als zu zurückhaltend, oberflächlich, wenn nicht sogar als etwas uninspiriert. Das wiederum passt zum Vortrag des Pianisten, welcher ebenfalls mehr auf technische Brillanz als auf Emotionalität setzt. Einzig im zweiten Satz finden Solist und Orchester in «romantischer Manier» zusammen. Alles in allem aber: solid und gut.
In der «Sinfonie Nr. 2 D-Dur, op. 43 (1902)» von Jean Sibelius lässt Michal Nesterowicz das Orchester sämtliche Register ziehen und liefert mit dem freudig aufspielenden SOB eine dynamische, spannende Aufführung von Sibelius’ Zweiter. Wie gewohnt, setzt Maestro Nesterowicz, der übrigens auswendig dirigiert, auf exakte Phrasierungen, arbeitet die musikalischen Akzente fein heraus und lässt gewaltige Klangbogen erklingen. Das Orchester, offensichtlich froh, von dem Part des Begleiters befreit zu sein (auch hier: «Liberté») zieht dabei mit grosser Begeisterung mit.
Der Abend endet in langem, jubelndem Applaus für das SOB und Michal Nesterowicz. Hoch verdient!
Michael Hug