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BASEL/ Theater: LA CAGE AUX FOLLES (Ein Käfig voller Narren) – Musical von Jerry Herman. Premiere

15.12.2018 | Operette/Musical

 

Theater Basel: „Ein Käfig voller Narren“ („La Cage aux Folles“): Musical von Jerry Herman und Harvey Fierstein – Pr. 14.12.2018

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© Sandra Then

Nachtklubbesitzer Georges lebt seit über 20 Jahren mit Albin zusammen, der als Travestiekünstler(in) „Zaza“ der Star des „La Cage Aux Folles“ ist.  Die beiden verkörpern aufs Trefflichste ein altes Ehepaar, das sich ergänzt und unterstützt, aber auch oft streitet, vor allem Albins Furcht vor dem Alter wird zunehmend zum Problem.

Als nun auch noch Georges Sohn Jean Michel (Max Rothbart) – Resultat eines One-Night-Stands mit Jacqueline (Myriam Schröder) – heiraten will, liegen die Nerven vollends blank, umso mehr als die Eltern der Braut Anne (Liliane Amuat) hohe moralische Standards setzen, der Brautvater Edouard Dindon (Martin Hug) ist sogar Vorsitzender der „Partei für Tradition, Familie und Moral“.

Dass Albin zum Dinner mit den Brauteltern nicht eingeladen ist, und Jacqueline die Rolle der Mutter übernehmen soll, klingt logisch. Dass gewisse Einrichtungsgegenstände verschwinden müssen, ist nachvollziehbar. Ebenso klar ist aber bald, dass der Plan so nicht aufgeht und entweder im völligen Chaos oder im dramatischen Eklat enden muss. Natürlich trifft beides zu.

Das 1983 uraufgeführte Musical mit Musik und Texten von Jerry Herman und dem Buch von Harvey Fierstein nach dem Stück „La cage aux folles“ von Jean Poiret beruht stark auf der französischen Verfilmung von 1978  mit Michel Serrault und Ugo Tognazzi. („The Birdcage“ mit Robin Williams kam erst 1996 heraus).

Aufwändige Glitzerfummel (Kostüme: Esther Bialas), von denen das aufregendste ausgerechnet der Brautmutter Madame Dindon (Nicola Kirsch) auf den Leib genäht wird, überraschende Travestienummern, eingängige Songs und mitreissende Tanzeinlagen (Choreografie: Marguerite Donlon) machen das Stück zu einem sinnlichen Erlebnis. Vor allem die Schlagkraft des doch sehr reduzierten Orchesters (11 Musiker spielen 16 Instrumente, Neuarrangement von und) unter Thomas Wise erstaunt. Die Bühne (Sarah-Katharina Karl) ist auf den sprichwörtlichen Cage also Käfig zugeschnitten, interessant, dass man ständig die Perspektive von hinter der Bühne zu vor der Bühne wechselt.

Was den Abend aber zum Erfolg macht sind beiden Schweizer Hauptdarsteller, die klar keine Musicalstimmen haben, das aber durch eine hinreissende Performance mehr als wettmachen: Roland Koch als der bodenständige, „männliche“ Georges mit Goldkettchen und derben Sprüchen, und Stefan Kurt als mimosenhafte überdrehte Diva Albin/Zaza machen mehr als glaubhaft, warum sie nur als Paar funktionieren. Ob nun Zaza in bester „Olivia Jones“-Manier mit dem Publikum plaudert, George einen Männlichkeitstanz aufführt oder Albin einen Seelen- und Kleiderstrip zu „You are what you are“ hinlegt: Das sonst eher steife Basler Premierenpublikum ist berührt und mitgerissen und bedankt die Vorstellung mit minutenlangen Standing Ovations. Nicht nur bei den männlichen Zuschauern, von denen tatsächlich einige im Kleid gekommen sind, scheint das Stück einen Nerv getroffen zu haben: Gar manche Träne zeugt von einem ganz persönlichen seelischen Befreiungskampf.

Fazit: Coming-out gefährdete Ehemänner sollte man daheimlassen, ansonsten eines der Must go-Stücke des „Theaters des Jahres“.

Alice Matheson

 

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