Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BASEL/ Theater: KING ARTHUR. Semi-Oper von Henry Purcell und John Dryden

In einer Neudichtung von Ewald Palmetshofer -

14.09.2018 | Oper

Theater Basel: „King Arthur“, Semi-Oper von Henry Purcell und John Dryden in einer Neudichtung von Ewald Palmetshofer – Pr. 13.9.2018


Steffen Höld als Merlin ©Sandra Then

Normalerweise hat ein von original 1 3/4 Stunden auf knapp 4 Stunden aufgeblasenes Stück bei mir keine Chance. Schon gar nicht an einem Donnerstagabend. Hier also nochmal offiziell der Kritikpunkt: Einige Arien und noch einiges mehr an Text hätte getrost weggelassen werden können. Allerdings: Das bleibt der einzige Kritikpunkt. Denn was hier auf knapp VIER Stunden gezeigt wird, ist doch so mitreissend, dass sich die Sitzreihen im Laufe des Abends nur unmerklich lichten. Recht einfach ist die Story der 1691 uraufgeführten Semi-Oper von Purcell: Der britische König Arthur kämpft gegen den Sachsenkönig Oswald, nicht nur um England, sondern auch um die blinde Prinzessin Emmeline. Dabei wird Arthur vom Zauberer Merlin unterstützt, Oswald vom Zauberer Guillamar, dem Erdgeist Grimbald und dem Luftgeist Philidel, wobei letzterer jedoch bald ins andere Lager wechselt. Nun ist Merlin ein Zeitreisender, der zwar alle Fakten kennt, mit ihrer zeitlichen Anordnung hat er allerdings Mühe, das WANN kann der als Moderator der ganzen „Arthur-Show“ auftretende Merlin sich nie merken. Steffen Höld, der schon als Romulus glänzte, ist als Merlin mit seiner lakonischen Art wieder einmal „man of the match“. Unerwartete Konkurrenz bekommt er von Carina Braunschmidt als tollpatschiger Luftgeist Philidel, die mit quäkend-rauchiger Cartoon-Stimme in jedes Fettnäpfchen, Zauberfällchen und schliesslich in die Herzen der Zuschauer stolpert. Nicht unerwähnt bleiben sollten auch die Leistungen von Max Mayer, der als satanischer Sachsen-Zauberer irgendwo zwischen Alice Cooper und Sheriff von Nottingham agiert, während Vincent Glander als höchst gemeiner Erdgeist Grimbald mit wunderbaren Wutanfällen und unerwarteten Gesangseinlagen aufwartet. Das Ensemble wird ergänzt durch Elias Eilinghoff als König Arthur, Michael Wächter als Oswald und Lisa Stiegler als Emmeline. Bei Purcell sind jedoch die Nebenpersonen die Stars, und bei barocken Semi-Opern werden auch die Arien nicht einmal von den Protagonisten gesungen, sondern von „Masken“, die nur zum Zweck des Arien-Singens auftreten. Hervorzuheben ist hier die irische Sopranistin Sarah Brady, deren beeindruckende Stimme vor allem als „Liebe“ zum Tragen kommt. Für den italienische Bariton Riccardo Fassi ist die Bass-Rolle im „Cold Song“ allerdings etwas zu tief (ausserdem ist es mir nach Klaus Nomi unmöglich, diese Arie objektiv in einer tiefen Stimmlage anzuhören). Tenor Hyunjai Marco Lee überzeugt u.a. als Verwundeter, die Sopranistin Leela Subramaniam und die Mezzosopranistin Kristina Stanek machen ihre Sache gut.

Umschreibungen klassischer Stücke hat in Basel Methode, und der österreichische Autor Ewald Palmetshofer, der kürzlich mit seiner Version von Gerhard Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“ einen grossen Erfolg feierte, zeigt wieder, dass er die deutsche Sprache wie ein prachtvolles Musikinstrument beherrscht. Lediglich mit der Masse könnte er haushalten. Der deutsche Regisseur Stephan Kimmig beweist in dieser Inszenierung eine schlafwandlerische Sicherheit auf dem schmalen Grat zwischen Tragik und Komik. Die vier Tänzer lassen mit ihren Selbstschlägen und Zuckungen die Schrecken des Krieges auferstehen, während Filibert kichernd herumalbert. Menschenopfer erinnern an die IS-Gräuel, dann hat Merlin wieder im Clownskostüm (oder in Unterhose – Kostüme von Anja Rabes) die Lacher auf seiner Seite. Da gibt Oswald der verwöhnten Prinzessin eine Lektion in Realität, gibt sich dann aber im Zweikampf mit Arthur – bestehend aus Blutbespucken des Gegners  – der Lächerlichkeit preis. Der Zuschauer erlebt jedenfalls ein Wechselbad der Emotionen, ein Gesamtkunstwerk aus wundervoller Musik (das La Cetra Barockorchester Basel (Leitung: Christopher Moulds) und der Chor (Leitung: Michael Clark) geben alles), hinreissendem Schauspiel und Tanzeinlagen. Die Bühne (übrigens von Kimmigs Ehefrau Katja Hass) setzt mit Goldrahmen und drapierten Vorhängen alle Aktionen in einen Bühnen- resp. Zeitfensterkontext, aus dem lediglich Merlin fällt. Tröstlich: Der Zweikampf ist unentschieden und Merlins Fazit, dass Friede herrschen müsse, da wir ja schliesslich alle gleich seien. „Es gibt nur uns und uns ist alle ohne Unterschied“. Man kann das gar nicht oft genug sagen.

Alice Matheson

 

Diese Seite drucken