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Basel: Theater Basel – Grosse Bühne – Gioachino Rossini «Il Barbiere di Siviglia»
– Dernière: 27.02.2020
Dernière – im wahrsten Sinn des Wortes …
Zum veritablen Ohren- und Augenschmaus gerät auf der Grossen Bühne des Theater Basel die letzte Aufführung von Rossinis «Barbiere». Wie weit der Begriff der «Dernière» bereits am nächsten Tag greifen sollte, ist an diesem vergnüglichen Theaterabend noch nicht wirklich absehbar …
Regisseur Kirill Serebrennikov, welcher für Inszenierung, Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet, spielt sämtliche grossen Themen unserer Zeit (WhatsApp, Google, Facebook, Nahostkonflikt usw.) aus und verknüpft sie pointiert mit der Handlung der Oper. So findet die Geschichte buchstäblich «heute» statt, bleibt dennoch nachvollziehbar und ermöglicht so auch jungen Besucherinnen und Besuchern den Zugang zur «E-Musik». Dazu trägt auch die ausgezeichnete Wahl der Aufführenden wesentlich bei: Bis auf Bartolo – natürlich! – sind sämtliche Rollen mit erfrischend jungen Künstlerinnen und Künstlern besetzt.
Der junge australische Tenor Alasdair Kent debütierte 2017 als Cavalier Belfiore in Rossinis «Il viaggo a Reims». Almavia ist bei Kent in allerbesten Händen. Der junge Tenor gibt einen glaubhaft leidenschaftlichen Conte mit herrlich jugendlich timbrierter Stimme. Sein jugendliches Outfit liefert auch die optische Berechtigung für Rosinas Gefühle für ihn. Fuliminant und wortgewandt – in dieser Oper ja bekanntlich ein Muss! – gerät Gurgen Baveyan sein Auftritt als Figaro. Diese geballte Energie zieht er den ganzen Abend durch und mischt die Geschichte kräftig auf. Gesanglich frisch, dynamisch und voller Schwung fällt Baveyan mit bestechender Diktion auf! Herrlich kauzig und stimmgewaltig überzeugt Andrew Murphy als geiziger Bartolo. Eigentlich hätte Antoin Herrera-Lopez Kessel (der Figaro in der Basler «Nozze») die Rolle des Basilio übernehmen sollen. Leider ist er kurzfristig krankheitshalber ausgefallen. Erfreulicherweise kann in Young Kwon vom Konzert Theater Bern ein grossartiger Ersatz gefunden werden. Der südkoreanische Bass besticht nicht nur mit einer exzellenten musikalischen Leistung, sondern fügt sich – trotz kürzester Probezeit! – perfekt in die anspruchsvolle Regie ein. Es kommt uns vor, als wäre der Sänger seit der ersten Stunde der Produktion dabei – für mich ist Young Kwon der Held des Abends! Die Mezzosopranistin Kristina Stanek feierte in der vergangenen Spielzeit als Suzuki in «Madama Butterfly» einen grossen Erfolg. An diesen schliesst sie als Rosina nahtlos an, bevor sie Ende Spielzeit das Theater an der Stadt am Rheinknie Richtung Hamburgische Staatsoper verlässt. Sie wird hier fehlen! Gesanglich lässt die Sängerin keine Wünsche offen. Ein kleines Highlight für sich ist Kali Hardwick (vom Opernstudio OperAvenir), welche als leidgeprüfte «dicke» Berta sich auf der Bühne herummühen muss und unsäglich darunter leidet, dass sich der Heiratswillige für sie noch nicht gefunden hat. Hardwick gefällt in der Darstellung und im Gesang.
Unter der musikalischen Leitung von Simone Di Felice, welcher auch die Rezitative am Hammerklarvier zuverlässig begleitet, liefert das Sinfonieorchester Basel ein musikalisches Fest. Absolute Sangesfreude auch beim Chor des Theater Basel (Chorleitung: Michael Clark). Wie schon bei «Nozze di Figaro» spielen die StreicherInnen des Orchesters auf klassischen Bögen.
Was für eine Dernière! Hoch verdiente Standing Ovation für einen höchst vergnüglichen Opernabend, der zumindest im Zuschauerraum den Corona-Virus in den Hintergrund treten lässt. Die Wirklichkeit holt das Theater Basel (zusammen mit der Basler Fasnacht) am kommenden Tag aufs Unangenehmste schnell ein: Die Fasnacht wird abgesagt, (fasnächtliche) Veranstaltungen mit einer Teilnehmerzahl von über 1’000 Menschen werden vorerst bis zum 15. März schweizweit verboten, das Theater Basel sagt in der Folge sämtliche Aufführungen auf der Grossen Bühne bis zu diesem Termin ab – seit heute bleibt der «Lappen» auch im Basler Schauspielhaus unten. Hoffentlich bleibt es bei einer «kleinen Dernière». Weisst du, wie das wird …
Michael Hug