Theater Basel: Wagner: «Götterdämmerung» – Premiere am 6.10.2024
Nathan Berg , Photo © Ingo Höhn
Der vierte Teil des Basler Rings beginnt wie die drei vorigen: Mit Brünnhildes Stimme aus dem Off, welche die Familiensaga in lamentierenden Rückblenden erzählt. Nun holt die Geschichte die Erzählerin aber langsam ein.
Wieder sind es kleine Puppen, Kindergestalten und überlebensgrosse Wesen (Kröte, Drache, Wölfe), die sich auf der Bühne tummeln, in ständiger Erinnerung an bereits Geschehenes, in diesem Teil aber sehr viel dezenter. Nur die wundervollen Stabpuppen der Rheintöchter kommen wieder prominent zum Einsatz, als sie Siegfried um den Ring bitten. Und der arme Nathan Berg muss als Wotan ständig stumm ins Bild laufen, wie ein Schatten seiner selbst.
Als Bühnenbild (Natascha von Steiger) muss wiederum der Penthouse-Rohbau der letzten drei Teile herhalten, so langsam hat man den aber satt, auch wenn er witzigerweise durch ein Umzugsunternehmen zur Gibichungenhalle umgestaltet wird. Auch die Lichtgestaltung (Roland Edrich) ist immer noch trüb, nach 16 Stunden ermüdet das etwas. Immerhin – das Regiekonzept der ersten 3 Teile wird schlüssig weitergeführt, da seien auch die Staubsaugerszene und die verspätete Kettensägenaktion an der Weltesche verziehen.
Die drei Nornen (Marta Herman, Jasmin Etezadzadeh und Sarah Marie Kramer) machen ihre Sache sehr gut, Jasmin Etezadzadeh brilliert ausserdem als Waltraute in einer der stärksten Szenen des Abends. Siegfried wird wiederum von Rolf Romei gesungen, der nach seinem Mammutprogramm im dritten Teil auch den vierten tapfer durchhält und das mit sehr differenziertem, fast lyrischem Gesang. Die beste Stimme des Abends gehört aber Trine Møller als Brünnhilde, die endlich wieder ihr volles Potential entfalten darf. Gunther (Günter Papendell) und Gutrune (Heather Engebretson) sind solide Neuzugänge, während Andrew Murphy als Alberich seine gewohnte Qualität abliefert. Die Überraschung des Abends ist aber Patrick Zielke als Hagen, der diesen dunkel, böse und stimmlich attraktiv mit vollem, warmem Bass rüberbringt. Auch die Rheintöchter (Harpa Ósk Björnsdóttir, Valentina Stadler und Sophie Kidwell) seien positiv erwähnt.
Das Sinfonieorchester Basel unter der ausgezeichneten Leitung von Jonathan Nott spielt (mit wenigen Ausnahmen) präzise, und auch der Chor des Theater Basel unter Michael Clark kann endlich wieder zeigen, was er kann. Wieder wurde der Orchestergraben im bayreuthschen Stil abgedeckt, was den Singstimmen zu Gute kommt. Die Flammen von Walhalla hätte man allerdings etwas dramatischer lodern lassen können.
Vielleicht musste sich das Orchester da der Inszenierung (Benedikt von Peter) anpassen: Statt der Götterburg zünden Brünnhilde und Wotan (mit einigen Schwierigkeiten) nur ein Walhalla-Puppenhaus an. Das kluge Pferd Grane, das bisher als echter Schimmel über die Bühne schritt, hätte sich also gar nicht frühzeitig aus dem Staube machen brauchen. Folgerichtig gibt es auch jede Menge Überlebende, die bildwirksam zu den Schlussklängen durch das Publikum ins Exil schreiten.
Dass sich aber Alberich und Wotan am Ende noch um den Ring streiten, den schliesslich Wotan erringt, lässt einen nur schmunzeln: Die kluge Frau hätte ihn den Rheintöchtern überlassen, der Fluch wäre besiegt, und Frieden wäre eingekehrt. Dass ihn am Ende der machthungrige Oberpatriarch in Händen hält – vielleicht eine Erklärung für den desolaten Zustand der Welt, in der wir leben?
Alice Matheson