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BASEL/ Theater: FARINET oder DAS FALSCHE GELD von Reto Finger nach dem gleichnamigen Roman von Charles-Ferdinand Ramuz – Uraufführung

16.09.2016 | Theater

Theater Basel: Farinet oder Das falsche Geld, Schauspiel von Reto Finger nach dem gleichnamigen Roman von Charles-Ferdinand Ramuz – UA 16.9.2016
 

culet
©Kim Culetto

Die wahre Geschichte des im 19. Jahrhundert im Wallis umtriebigen Schmugglers und Falschmünzers Joseph-Samuel Farinet inspirierte den Schweizer Schriftsteller Charles-Ferdinand Ramuz zu seinem 1932 erschienenen Roman Farinet ou la fausse monnaie, in dem der Titelheld als Freiheitskämpfer glorifiziert wird. Auf diesem Roman basiert das Auftragswerk für das Theater Basel des Schweizer Schriftstellers Reto Finger, der aber Farinets Geliebte Joséphine in den Mittelpunkt stellt.

Sie ist es, die Farinet aus dem Gefängnis befreit, die mit ihm nach Frankreich fliehen will – kein Wunder, trägt sie doch sein Kind unter dem Herzen. Tragischerweise verliebt sich Farinet aber in Therèse, die junge, hübsche Tochter des Gemeinderats. Er ist bereit, sich zu stellen, für ein paar Monate ins Gefängnis zu gehen, für ein neues, besseres Leben danach. Durch eine letzte Verzweiflungstag will Joséphine dies verhindern: Sie stiehlt Geld aus der Postkasse und lässt dafür Farinets Goldmünzen da. Nun kann er sich nicht mehr stellen, fliehen will er aber trotzdem nicht mehr. Auf seinen Kopf wird ein hoher Preis ausgesetzt. Zu spät beichtet Joséphine die Wahrheit und geht dafür ins Gefängnis. Die Landjäger haben Farinet schon umzingelt. Wie er genau umkam, in einer Schlucht nahe Saillon, wo auch sein Grab liegt, ist bis heute übrigens ungeklärt.

Einfach aber effektvoll reichen ein aufgeschnittenes Chalet (Bühne und Kostüme: Jessica Rockstroh) sowie eine Leiter mit Wassergeräuschen, um die Walliser Berglandschaft und Farinets geheime Stollen widerzugeben. Die düsteren Lichteffekte (HeidVoegelinLights) tun ihr Übriges.

Cathrin Störmer
spielt die Joséphine so leidenschaftlich wie möglich, sie ist auch die Einzige, die sich über die offenbar auferzwungene Steifheit, das starre, monotone, leise Ins-Publikum-Sprechen, das Hausregisseurin Nora Schlocker all ihren Darstellern verordnet hat, einigermassen hinwegsetzt. Joséphines emotionale Entwicklung, ihre Liebe, ihre Eifersucht, die wundervolle Szene, in der sie selbstkritisch den eigenen Alterungsprozess dokumentiert, lassen alle anderen zu Statisten verkommen. Insbesondere der fesche Nicola Mastroberardino als Farinet leidet unter seinem Diktions-Maulkorb: Was hätte man aus dem hocherotischen Text der Verführungsszene mit Therèse (gibt immerhin physisch alles: Leonie Merlin Young) nicht alles machen können, und der Abschied von seinen geliebten Bergen hätte unter der richtigen Regie jedem die Tränen in die Augen getrieben.

Wie schon bei Edward II. muss man ausserdem die fehlende Personenführung bemängeln, die sich besonders bei den zahlreichen Nebenrollen schmerzlich bemerkbar macht, die in Mehrbesetzung jeweils von Andrea Bettini, Mario Fuchs und Martin Hug gesprochen werden, lediglich letzterer kann als Gemeinderat etwas von seinem Talent zeigen.

Was bleibt, ist die Neugier, mehr über diesen vergessenen „Helden“ der Schweizer Geschichte zu erfahren. Die 20-Rappen-Stücke Farinets waren damals jedenfalls den Wallisern vertrauenswürdiger als das Papiergeld des fernen Bern, deren Kantonalbank wegen Fehlspekulationen in einer tiefen Krise steckte. Gar mancher Schweizer hat dieses Misstrauen immer noch. Vielleicht sollte man sich aber auch nicht „Im Turm zu Basel“ und „Farinet“ hintereinander anschauen…

Alice Matheson

 

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