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BASEL/ Theater: DON CARLOS. Premiere

16.02.2022 | Oper international

Theater Basel: Verdi: Don Carlos – Pr. 13.2.2022

baco
Copyright: Matthias Baus

Verdi hat 17 Jahre seines Lebens damit verbracht, an dieser Oper herumzubasteln. Es ist deshalb fast ein Wunder, dass es von Don Carlos lediglich sieben Versionen in unterschiedlichen Längen und Sprachen gibt. Basel hat sich für die Langversion in fünf Akten in französischer Sprache entschieden, vielleicht die kompletteste (die noch längere Version musste Verdi auf den Pariser Strassenbahnplan zurechtkürzen), aber nicht die einfachste. Die „Grand Opéra“ bedingt eine Mindestgrösse des Theaters, mehrere Chorgruppen und zahlreiche Sänger machen das Event zu einer logistischen Grossleistung, etwa vergleichbar mit Aida. Die 270 Proben bis zur Uraufführung waren da wohl nötig.

Mit entsprechend gemischten Gefühlen und einer gehörigen Portion Koffein intus wappnet sich der Zuschauer also gegen die Müdigkeit, völlig unnötig, wie sich herausstellt.

Tatsächlich machte der junge italienische Dirigent Michele Spotti gleich von Anfang an klar, dass er keine Minute Langweile aufkommen lassen wird. Fast vier Stunden lang bändigte er das hervorragende Sinfonieorchester Basel wie einst Ben Hur sein Viergespann mit jugendlichem Elan und grosser Präzision. Die Lautstärken von Orchester, Chören und Solisten hier auszubalancieren: eine unglaubliche Leistung von dem gerade 28jährigen, von dem man noch viel hören wird.

Rein energietechnisch kommen auch die beiden männlichen Hauptakteure an ihre Grenzen: Der schwedische Tenor Joachim Bäckström als Don Carlos tönt anfangs noch blechern, das ist aber wohl der eher kargen Bühne geschuldet. Sobald sich diese füllt, ist seine Stimme voller Wärme und hält auch den Höhen stand. Beinahe noch schweisstreibender ist die Rolle des kanadischen Bassbaritons Nathan Berg als König Philippe, eine der besten Performances des Abends. Das Stück lebt von Duetten und das zwischen dem König und dem Grossinquisitor (Vazgen Gazaryan), der mitnichten als hinkender Greis, sondern als viriler Mafiapate auftritt, ist einer der Höhepunkte des Abends. Als der König den Ring des „Godfather“ der Kirche zum Kontrafagott-Klang des bedrohlichen Leitmotivs küsst, schaudert es jeden im Raum.

Noch bekannter ist aber das schöne Freundschaftsduett zwischen Don Carlos und seinem Freund Rodrigue, Marquis von Posa, den der amerikanische Bariton John Chest stimmlich und spielerisch überzeugend darstellt. Die beiden Stimmen harmonieren wunderbar.

Verdi bevorzugte hier die männlichen tiefen Stimmen, die durch einen ausgezeichneten Andrew Murphy als Mönch noch bestens ergänzt werden.

Gegen diese Männerfront hat es die spanische Sopranistin Yolanda Auyanet als Elisabeth von Valois nicht einfach, sie wandelt aber glaubwürdig und stimmgewaltig auf dem schmalen Grat zwischen Leidenschaft und demütigem Hinnehmen des Schicksals.

Gemeinerweise stiehlt ihr schon im Libretto Prinzessin Eboli fast die Show, hier durch die noch auffallenderen Kostüme (ausgezeichnet: Camille Assaf) – oder deren Weglassung – noch verstärkt. Die Prinzessin darf auch eine komplette Charakterwandlung durchmachen, welche die deutsche Mezzosopranistin Kristina Stanek grandios darstellt. Und schliesslich gehört ihr auch die beste Arie des Stücks: So leidenschaftlich hat man O don fatale schon lange nicht mehr gehört.

Die Regieeinfälle von Vincent Huguet sind mal überhaupt nicht (die Tochter der Elisabeth läuft gleichsam als deren Erinnerung der eigenen glücklichen Jugend herum) mal weniger (Elisabeth und Carlos wachen scheinbar schon nach dem Schäferstündchen auf, die Bilderkennungsszene ist ziemlich verpatzt) störend, was für Operninszenierungen praktisch einem Lob gleichkommt. Angenehm zurückhalten – was wohl auch der Masse der Personen zuzuschreiben ist – sind auch die sehr schematischen Bühnenbilder (Richard Peduzzi) mit scherenschnittartigen Bäumen und blutroten Umrissen von Kloster und Palast.

Nicht genug kann man auch die Arbeit des Chorleiters (Michael Clark) bewundern, der jetzt wohl Ferien braucht.

Und ja, auch nach 4 Stunden war man noch hellwach und begeistert.

Alice Matheson

 

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